# taz.de -- Wiederbelebte Einheitsfront in Bremen: Drum links, zwei, drei! | |
> Beim Reflektieren über die Spaltung der Linken nähern sich SPD und Linke | |
> an. Singen sie zur Bürgerschaftswahl 2019 das Einheitsfrontlied? | |
Bild: Nach der Bürgerschaftswahl 2019? Mal abwarten | |
BREMEN taz | Bei einer rot-roten-Koalition würde Björn Tschöpe „sofort | |
einschlagen“, sagt der SPD-Fraktionsvorsitzende und legt noch mal nach: „Ob | |
wir Rot-Rot-Grün auch hinbekämen, müssten wir gucken.“ Und auch wenn das | |
Verhältnis zwischen Tschöpe und seinem grünen Koalitionspartner schon etwas | |
länger als angespannt gilt, überraschte diese Deutlichkeit am Donnerstag | |
dann doch. Im Hinblick auf die Bürgerschaftswahl Ende Mai sei neben der CDU | |
als konservativer Führungspartei auch „der liberale Führungsteil, die | |
Grünen, eine Auseinandersetzung für Sozialdemokraten allemal wert“. | |
Auch sonst klang die gemeinsame Veranstaltung „Die Spaltung der Linken – | |
Einst und Jetzt“ nach dem Neubeginn einer wunderbaren Freundschaft. | |
Linken-Chefin Kristina Vogt und SPD-Fraktionsvorsitzendem Björn Tschöpe | |
ging es um Grundsatzfragen: Hat man am Ende doch das gleiche Ziel? Könnten | |
Linkspartei und SPD arbeitsteilig verschiedene Wählersegmente bedienen? Und | |
warum verbeißen sich Linke unterschiedlicher Couleur seit mindestens | |
hundert Jahren zuverlässig immer dann am heftigsten ineinander, wenn die | |
Gefahr von rechts am größten ist? | |
Als Moderator der Veranstaltung hatte man sich Lothar Machtan in die Waller | |
Union-Brauerei geladen. Der emeritierte Professor für Neuere Geschichte an | |
der Uni Bremen erinnerte kurz die Stationen der Novemberrevolution von 1918 | |
und klopfte Vogt und Tschöpe aufs Geschichtsbewusstsein ihrer gespaltenen | |
Bewegung ab. Keine Überraschung hier: Beide kennen sich aus, beide lassen | |
sich keine Heldenverehrung in den Mund legen und beide sind grundsätzlich | |
bereit, die alten Konflikte dann doch langsam zu begraben. | |
Vogt und Tschöpe sind eben nicht nur irgendwie Linke, sondern vor allem | |
auch Realpolitiker*innen. Und trotzdem ist ja was dran an dem Urkonflikt. | |
Die alte Losung „Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!“ kennt jede*r | |
links der SPD – und dass man umgekehrt Vorbehalte gegen vermeintliche und | |
echte Radikalforderungen pflegt, ist auch klar. | |
## Etablierter als SPD geht kaum | |
In Bremen gilt das noch mal verschärft: Mehr Establishment als hier ist in | |
der SPD kaum zu finden. Das sagt auch Tschöpe: Nach 70 Jahren ungebrochener | |
SPD-Regierung „können wir nie sagen: Wir waren das nicht.“ Bremens Politik | |
sei durch und durch sozialdemokratisch beeinflusst, so der | |
Fraktionsvorsitzende weiter, „soweit das im Rahmen des kapitalistischen | |
Systems möglich ist“. | |
Andererseits war die Bremische Bürgerschaft nun auch das erste westdeutsche | |
Länderparlament, in das die Linkspartei einzog. Das ist über zehn Jahre her | |
und die anfängliche Panik von Teilen der SPD hat sich nicht bestätigt. | |
Und auch wenn Kristina Vogt aus Ortsverbänden und deklassierten | |
Arbeiterfamilien berichtet, dass es durchaus eine aus der Geschichte | |
gespeiste „psychologische Schranke“ zur SPD hin gebe – die eigentlichen | |
Konflikte im Jahr 2018 entzünden sich eher an quantitativen Fragen: Die SPD | |
setzt sich für einen Mindestlohn ein, der laut Linkspartei aber so niedrig | |
ist, dass trotzdem viele in Armut leben. | |
Kein Grund allerdings, es mit der Zusammenarbeit nicht wenigstens zu | |
versuchen. Zwar wirkt Kristina Vogt noch längst nicht so im Wahlkampfmodus | |
wie Tschöpe, aber so viel Zugeständnis ist dann doch drin: „Wir sind keine | |
reine Oppositionspartei mehr“, bekräftigt sie die Linie der vergangenen | |
Parteitage, und benennt klar die programmatische Nähe zur SPD in Abgrenzung | |
zur bürgerlichen und liberalen Konkurrenz. | |
## Demonstrative Nähe ist groß | |
Ob dieses freundliche Miteinander der Fraktionsvorsitzenden | |
innerparteiliche Mehrheiten bekommt, wird sich zeigen müssen. Vor allem die | |
SPD-Linie ist eher fraglich. Tschöpe ist zuletzt mit knapper Mehrheit als | |
Fraktionsvorsitzender bestätigt worden. Zur Bürgerschaftswahl tritt er erst | |
auf dem elften Listenplatz an. Zudem hat es in der Vergangenheit immer mal | |
wieder für Unruhe gesorgt, dass er Gesprächsbereitschaft zur Linken (aber | |
auch zur CDU) signalisierte. | |
Dennoch: Die demonstrative Nähe scheint doch mehr als eine revolutionäre | |
Laune anlässlich der hundertjährigen Revolutionsfeierlichkeiten zu sein. | |
SPD und Linke hätten heute in Bremen gemeinsam weniger Stimmen als die SPD | |
in ihren besseren Zeiten allein, sagt Tschöpe, „wir müssen gemeinsam daran | |
arbeiten, dass es so was wieder gibt wie es eine links-sozialdemokratische | |
Hegemonie in diesem Land“. | |
23 Nov 2018 | |
## AUTOREN | |
Jan-Paul Koopmann | |
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