# taz.de -- Anlagestrategien der Pensionsfonds: Wenn die Rente den Hambi abholzt | |
> Steckt Ihre Pensionskasse Geld in Rüstungsfirmen, Kohle oder | |
> Atomkraftwerke? Falls ja, könnte sich das bald ändern. | |
Bild: Spätfolgen der globalen Finanzströme: ausgetrockneter Fluss in Isfahan,… | |
BERLIN taz | Was macht eigentlich das Geld für Ihre Rente so, wenn Sie | |
nicht hinschauen? Steckt es vielleicht in Firmen, die in Kinderarbeit | |
involviert sind, Streumunition herstellen, Glyphosat versprühen, Kohle | |
fördern oder irgendwie sonst die Welt zerstören? Vermutlich wissen Sie es | |
nicht. Rund 15,3 Millionen Verträge der betrieblichen Altersversorgung | |
haben die Deutschen geschlossen, und so 594 Milliarden Euro angespart. | |
Versicherer müssen das Geld anlegen, leihen es also Staaten oder | |
Unternehmen, kaufen Immobilien, Aktien oder Fondsanteile und haben damit | |
großen Einfluss auf die Wirtschaft. | |
Der Finanzausschuss des Bundestages debattiert am Mittwoch dieser Woche nun | |
ein Gesetz, dass die Versicherer verpflichten soll, bei ihre Anlagen nicht | |
nur mit Rendite, Risiko und Liquidität zu rechnen – sondern auch mit dem | |
Klimawandel und damit, wie sich ihre Investitionen auf die Gesellschaft | |
auswirken: Sie sollen ihr Risikomanagement um sogenannte ESG-Kriterien | |
erweitern, eine englische Abkürzung für Environment, Social und Governance, | |
auf deutsch Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. | |
Nur, kritisieren die Grünen, ausgerechnet die öffentliche Hand ist davon | |
ausgenommen. „Der Bund verpflichtet die privaten Versicherer, | |
gesellschaftliche Risiken auf dem Schirm zu haben, bei seine eigenen | |
Pensionskassen verweigert er sich aber“, sagt Gerhard Schick, | |
finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. Das neue Gesetz geht | |
auf die sogenannte EbAV II-Richtlinie der EU aus dem Jahr 2016 zurück – und | |
die auf das Klimaabkommen von Paris und die globalen Nachhaltigkeitsziele | |
der UN, beide aus dem Jahr 2015. | |
Darin enthalten ist die Erkenntnis, dass die Welt nur von Armut und Hunger | |
befreit und vor einer zerstörerischen Klimaerwärmung bewahrt werden kann, | |
wenn Finanzmärkte umgebaut werden. Nur der wird mit Gewinn belohnt, der | |
ökologisch und sozial wirtschaftet. Brüssel arbeitet dazu an einem ganzen | |
Paket neuer Richtlinien. Der Weg dahin ist sehr weit – und das Gesetz jetzt | |
nur „ein wichtiger erster Schritt, damit Pensionsgelder sinnvoll investiert | |
werden“, so Schick. | |
Aber was genau heißt das, sinnvoll investieren? Etwa in Solaranlagen, | |
Kitas, Eisenbahnen, Elektroautos, Windparks, Ökolandwirtschaft, nachhaltige | |
Fischerei? Ja, aber eben nicht nur. Denn das Anlagevermögen | |
kapitalgedeckter Altersvorsorgen in den 22 größten Märkten weltweit beläuft | |
sich auf 41 Billionen Dollar, schreibt die Menschenrechtsorganisation Fian. | |
Es gibt bei weitem nicht genug ökosoziale Projekte für diese gewaltige | |
Summe. | |
## Investitionen in die am wenigsten schlimmsten Firmen | |
Deshalb sind große Fonds gezwungen, in ganz normale Großkonzerne zu | |
investieren. Das macht die Sache kompliziert: Einige Pensionsfonds der | |
Länder orientieren sich mittlerweile an Firmen oder auch Staatsanleihen von | |
Ländern, die in speziellen nachhaltigen Indizes gelistet sind. Da gibt es | |
etwa den „Stoxx Global ESG Leaders“, 400 Konzerne, die irgendwie als | |
nachhaltiger gelten als andere – darunter finden sich dann aber Coca Cola, | |
Nestlé oder BMW. In den noch enger gefasst nachhaltigen Aktienindex, „Euro | |
Stoxx Sustainability“ haben es immer noch BMW und der Monsanto-Käufer Bayer | |
geschafft. Das sind nun aber auch die negativsten Beispiele. | |
Die Idee hinter ESG-Kriterien ist eigentlich, unter vielen unökologischen | |
und unsozialen Firmen in die am wenigsten schlimmen zu investieren. Wer | |
also mehr auf Umwelt und Soziales achtet, kommt leichter an die Billionen | |
der Rentenfonds, so die Idee. Das kann allmählich etwas bewirken. Das | |
zeigen die Beispiele von Rücklagen des Bundes für Beamtenpensionen, die | |
„Versorgungsrücklage des Bundes“ mit 13,2 Milliarden Euro und der | |
„Versorgungsfonds des Bundes“ mit 4,3 Milliarden Euro des | |
Bundesinnenministeriums. Die beiden Bundesvermögen sind zum Teil in den | |
Index Euro-Stoxx-50 investiert, also in die 50 größten börsennotierten | |
Konzerne Europas. Das sei „ethisch blind“, kritisiert Schick. Unter den | |
Konzernen befinden sich beispielsweise die Betreiber von Kernkraftwerken | |
wie die französische Engie oder der Rüstungsproduzent Airbus oder auch die | |
Firma, die im Dieselskandal am meisten betrogen hat: VW. Zumindest das | |
lässt sich also abstrafen, wenn Rentenfonds auf ESG-Kriterien achten. | |
Ob und wann das Bundesinnenministerium an seiner Anlagestrategie etwas | |
ändert ist unklar. Es teilte vage mit, man arbeite derzeit an einem | |
Nachhaltigkeitskonzept. Eigentlich sieht der Koalitionsvertrag vor, dass | |
staatliche Fonds alle Beteiligungen an Akw im Ausland beenden müssen. Das | |
jetzt im Bundestag diskutierte Gesetz verpflichtet Versicherer nicht dazu, | |
ihr Geld ökologischer und sozialer anzulegen. Sondern nur darzulegen und | |
öffentlich zu machen, wie sehr sie auf solche Kriterien achten. | |
Den nächsten Schritt hat diese Woche aber der Wirtschaftsausschuss des | |
EU-Parlaments mit großer Mehrheit beschlossen: Demnächst sollen alle | |
Versicherer, Banken und andere Akteure an den Finanzmärkten in der gesamten | |
EU verpflichtet sein, Ihren Kunden in Beratungen darzulegen, wie sie es mit | |
Klimaschutz und sozialer Verantwortung halten. Dann könnten Sie also | |
einfach mal bei ihrer Bank oder ihrer Versicherung nachfragen: Werden mit | |
dem Geld, das ich jeden Monat für die Rente oder ein Haus spare, eigentlich | |
Kohleminen finanziert, Panzer gebaut, geht das an RWE? Rodet meine Rente | |
etwa den Hambi? Eine klare Antwort wäre dann Pflicht. | |
8 Nov 2018 | |
## AUTOREN | |
Ingo Arzt | |
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