# taz.de -- Öko-veganer Fußball in England: Grüne Teufel aus der vierten Liga | |
> Im englischen Fußball sorgt Forest Green Rovers FC für Furore: als | |
> veganer Profiklub mit ökologischer Botschaft. Sogar die Uefa zeigt | |
> Interesse. | |
Bild: Teufels Küche? Ja, aber nur vegan | |
NAILSWORTH taz | Stürmer Reuben Reid, 30, steht am Spielfeldrand. Es ist | |
kurz vor dem abendlichen Heimspiel, er fängt an zu schwärmen, aber um | |
Fußball geht es eigentlich nicht. „Ich lebe seit einigen Monaten vegan, so | |
gut wie jetzt ging es mir noch nie“, erzählt Reuben. „Ich schlafe besser, | |
habe weniger Verletzungen und bessere Haut, verlor ein bisschen Gewicht.“ | |
Früher sei er ein Steak- und Chicken-Jerk-Fanatiker gewesen, aber heute sei | |
ihm optimale Ernährung wichtig. Wegen Tierschutz, wegen der Umwelt, und es | |
gebe noch einen anderen, einen wichtigeren Grund: „Meine Frau! Bei ihr | |
wurde vor Kurzem Krebs diagnostiziert. Die Ärzte empfehlen ihr vegane | |
Ernährung.“ | |
Obwohl die Spieler des Forest Green Rovers FC bis zu vier Mal wöchentlich | |
vegan durchgefüttert werden und der Klub auch einen in veganen Fragen | |
geschulten Fitnesscoach verpflichtet hat, ist Reid nur einer von drei | |
Spielern, die sich die Botschaft des Veganen bisher zu Herzen genommen | |
haben. | |
Bei Forest Green Rovers FC, gelegen in den Cotswolds im Südwesten Englands, | |
genauer in Gloucestershire, geht es seit acht Jahren etwas anders zu. Da | |
hatte sich der Ökomillionär Dale Vince die Mehrheit der Aktien des 129 | |
Jahre alten Klubs gesichert. Eigentlich nichts Ungewöhnliches [1][im | |
englischen Fußball,] auch wenn die Forest Green Rovers in der vierten Liga | |
spielen – und auch das erst seit einem Jahr. | |
Dale Vince war ein nicht gerade begüterter Traveller, der in den neunziger | |
Jahren eine Geschäftsidee hatte – als er sich den windbetriebenen Generator | |
für seinen alten Pkw anschaute. „Ich lebte damals nicht weit von hier auf | |
einem Feld“ sagt der heute 57-jährige Klubchef, „eigentlich war ich nur | |
zufällig hier.“ Vince beschloss, eine Firma zu gründen, die mit Windfarmen | |
Ökostrom herstellt. Ecotricity nannte er die Firma, deren Wachstum und | |
Erfolg er auch öffentlichen Geldern für Windenergie zu verdanken hat. Heute | |
wird ihr Wert auf über 100 Millionen Pfund geschätzt. Einen Teil dieses | |
Geldes investierte er schließlich in den lokalen Fußballklub in Nailsworth, | |
einer kleinen Stadt in der Region. | |
Und ein Jahr nach Beginn seines Engagements im Fußball verbannte er das | |
Fleisch aus der Klubkantine. | |
## Unkraut per Hand ziehen | |
Heute ist der Forest Green Rovers FC nicht nur zu hundert Prozent vegan und | |
das Vereinsgelände wird zu hundert Prozent mit Ökostrom betrieben – auf dem | |
Stadiondach sind Solarzellen angebracht –, sondern sogar der Rasen im | |
Stadion und auf den Trainingsplätzen wird nur bio-vegan und mit Seetang | |
gedüngt und mit gespeichertem Regenwasser bewässert. Zudem wird ein | |
Ökostoff zur Demarkierung verwendet, der länger hält als andere. | |
Gärtner Adam Witchell zieht jährlich das Unkraut per Hand raus. „Wir haben | |
heute fast den einzigen echten Rasen ohne synthetische Beigaben“, sagt | |
Witchell mit Blick auf die Konkurrenz im Profifußball. Man sieht ihn Stolz | |
und Hingabe an. | |
Auch Küchenchefin Jay Crawford im weißen Kochkittel, mit auffälligen großen | |
Tattoos auf dem rechten Vorderarm, ist der Enthusiasmus anzusehen. Seit sie | |
vor vier Monaten die Küche des Klubs übernahm, hat sie bereits mehrmals die | |
Auswahl auf der Speisekarte gewechselt – saisonbedingt. Heute gibt es neben | |
veganen Hotdogs Veggie Burger, vegane Schnitzel, Salat, Pommes, Gemüse und | |
vor allem die im englischen Fußball beliebten gefüllten Pasteten. Die sind | |
normalerweise ein Fleischgericht, aber in Crawfords Küche werden sie mit | |
veganem Hackfleischersatz zubereitet. | |
Der Hersteller ist auch Sponsor des Klubs. „Obwohl wir nur alle zwei Wochen | |
ein Heimspiel haben, bin ich durchgehend mit Vorbereitungen beschäftigt, | |
erzählt Crawford, die selbst auch Veganerin ist. | |
## Keine Zusammenarbeit mit McDonald’s | |
Was das Vegane und die Vermeidung von Tierstoffen betrifft, ist der Klub | |
nahezu perfekt. An der Bar gibt es aber neben veganem Bier auch Pepsi Cola. | |
„Ist auch vegan“, beschwichtigt Vince, und gibt zu, dass hier noch | |
Änderungen möglich sind. Bei anderen denkbaren Partnern ist Vince strikter: | |
eine Zusammenarbeit mit McDonald’s lehnt er etwa ab. | |
Ein paar Schwächen hat Vinces bemerkenswerter Klub aber noch, einige streng | |
ökologische Kriterien werden nicht eingehalten. Nicht alle Produkte, die | |
verwendet werden, sind durch die Umweltschutzorganisation Rainforest | |
Alliance zertifiziert. Auch stammen nicht alle Produkte und Lebensmittel | |
aus biologischem Anbau. Immerhin sind Kaffee und Tee fair gehandelt und | |
werden in kompostierbaren Bechern serviert. | |
Der Klub unterstützt [2][die Organisation Sea Shepherd], die mit gewagten | |
Manövern auf hoher See versucht, die Waljagd zu verhindern. Daher weht über | |
dem Stadion auch eine Piratenfahne – ein Emblem von Sea Shepherd. Dem Chef | |
gefällt das. | |
Inzwischen wird Forest Green Rovers FC sogar von anderen Klubs um Rat | |
gebeten. Gärtner Witchell sprach zuletzt auf einer internationalen | |
Konferenz in Spanien über seinen Ökorasen, und Küchenchefin Crawford wurde | |
vom berühmten Wembley-Stadion bezüglich ihrer veganen Pasteten befragt. | |
Sogar die Uefa hatte Fragen zur Nachhaltigkeit. | |
## Per Mitfahrer*innenzentrale zu Spielen | |
Für Dale Vince ist der Fußball eine gute Möglichkeit, seine Botschaft zu | |
verbreiten. „Wir haben mit dem Klub im vergangenen Jahr drei Milliarden | |
Menschen erreicht.“ Tatsächlich gibt es einen enormen Medienandrang, sogar | |
das Boulevardblatt Sun kam mit drei Reportern angereist. | |
„Ich wusste in den neunziger Jahren, dass es zwei Wege zur Verbreitung von | |
ökologischen Botschaften gibt. Zum einen innerhalb wohltätiger | |
Vereinigungen, zum anderen als Geschäft – mit Reinvestitionen“, spricht | |
Vince über seine Erfahrungen mit Nachhaltigkeit als Geschäftsidee. | |
Fußballfans gelten als Zielgruppe, die für solche Botschaften eher schwer | |
zu erreichen ist. Doch tatsächlich geben etliche Fans zu, dass der Klub sie | |
zu einem anderen Konsumverhalten bewegt hat. | |
Viele der Befragten wie Bill Hillers und Emma Dawkins, beide arbeiten in | |
einer Fabrik, sagen, dass sie häufiger vegan essen und mehr über | |
Nachhaltigkeit nachdenken. Das Grüne sei jetzt Teil der Klubidentität. | |
Chris Latham lebt heute vollständig vegan – wegen seines Klubs. „Ich las | |
mir im Stadion die Erklärungen zum Veganen durch, und ich begann über | |
Nachhaltigkeit und Ernährung nachzudenken“, erzählt Latham. Sogar bei | |
seinen Reisen zu Auswärtsspielen gleicht Latham die CO2-Emissionen aus. Und | |
manchmal fährt er sogar per Mitfahrer*innenzentrale zu Spielen. | |
Als Nächstes will Dale Vince mit seinem Fußballklub gesundes und veganes | |
Schulkinderessen herstellen und sich so als industrielle Großküche zur | |
Verbesserung der Mittagessen von Schulkindern versuchen, erzählt er. Vince | |
glaubt, dass das Vegane erst durch ihn und seine Firma Ecotricity mit ihren | |
mittlerweile 700 Mitarbeiter*innen in diese Gegend gekommen ist. Wer | |
sich in Nailsworth und Stroud umsieht, entdeckt Biocafés, Biobäcker und | |
Biofriseursalons. Wenn man Vince zuhört, scheint es klar, dass dann auch | |
der Fußballklub ökologisch werden musste. | |
## Sportliche Ziele? | |
Clare Honeyfield, Besitzerin des „Made in Stroud“-Ladens in der Stadtmitte | |
und Gründerin des Biowochenmarktes, erzählt jedoch, dass in der | |
Hügellandschaft der Cotswolds schon im 19. Jahrhundert Reformer wie die | |
Quäker und die Chartisten lebten. Vince und sein veganer Klub passen also | |
in die Region. | |
Ein älterer Mann in Nailsworth ist dennoch skeptisch. Er spricht von einem | |
großen Haus in Stroud, das Dale Vince gekauft hatte und das jetzt leer | |
stehe, aber andere als Ärztezentrum kaufen wollten. Vince gehöre zu viel in | |
dieser Gegend, glaubt der Mann, der seinen Namen nicht nennen mag. „Haben | |
Sie von Vinces Klage gegen die Regierung gelesen, weil sie eine eingegrünte | |
britische Fahne benutzte? Er behauptet, dieser grüne Union Jack sei das | |
Emblem von Ecotricity? So etwas ist doch lächerlich!“ Der Mann erwähnt | |
auch noch, dass Ecotricity Angestellte entlassen hat. „Zwar stand in der | |
Zeitung, dass es wegen eines Fehler geschah, aber vielleicht übernimmt sich | |
der Mann ja auch mit seinen Projekten, keine Ahnung.“ Projekte hat Vince | |
viele im Sinne. Etwa den Bau eines größeren und vollkommen nachhaltigen | |
Stadions mit Ökopark und besserer Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel. | |
3:1 haben die grünen Teufel, wie sich [3][die Forest Green Rovers] nennen, | |
an diesem Abend gewonnen. Die Fans sind glücklich, auch wenn der | |
Schiedsrichter bei einem Freistoß den Rasen mit einem wahrscheinlich | |
giftigen Stoff markierte. | |
Über die Mannschaft und ihre sportlichen Ziele erfährt man erstaunlich | |
wenig bei dem Vorortbesuch. „Wir haben ein paar gute Einkäufe getätigt“, | |
bemerkt der Pressesprecher nur – und spricht dann lieber über die | |
ökologischen Trikots, die neu im Sortiment sind. Ob Forest Green Rovers FC | |
irgendwann einmal in der Premier League spielen wird, wissen nur die | |
Windräder von Dale Vince. | |
4 Nov 2018 | |
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## AUTOREN | |
Daniel Zylbersztajn | |
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