| # taz.de -- Großevents in der rechtsextremen Szene: „Junge Deutsche“ beim … | |
| > In Sachsen feiern Neonazis das „Schild & Schwert“- Festival. Bei solchen | |
| > Veranstaltungen wird Livemusik zunehmend durch „rechten Sport“ ergänzt. | |
| Bild: Da fühlt man sich sicher | |
| Es sind Neonazis aus der ganzen Republik, die am Wochenende ins kleine | |
| Ostritz reisen, ganz im Osten Sachsens, direkt an der polnischen Grenze. | |
| Sie verschwinden hinter Bauzäunen mit NPD-Bannern, auf das Grundstück eines | |
| früheren Hotels. Dorthin hatte das „Schild & Schwert“-Festival geladen – | |
| und bietet nun alles, was die Szene derzeit lockt: Rechtsrockkonzerte von | |
| Bands wie „Nahkampf“ oder „Flak“, Tattoo-Stände und Kampfsport. | |
| Am Ende werden es rund 700 Rechtsextreme, die sich über zwei Tage in | |
| Ostritz versammeln. Es werden weniger als erwartet. Dennoch hat es die | |
| Szene wieder mal geschafft, mehrere hundert Gleichgesinnte zu locken. Das | |
| Festival setzt damit eine beunruhigende Serie fort. | |
| Schon im Frühjahr waren 1.200 Neonazis [1][zur ersten Auflage nach Ostritz | |
| gereist], am 20. April, dem Hitler-Geburtstag. 130 weitere Konzerte gab es | |
| laut Bundesregierung allein im ersten Halbjahr 2018, viele davon in Sachsen | |
| und Thüringen. Im Vorjahr waren es bundesweit 259 Musikveranstaltungen, | |
| mehrere davon zogen mehr als 1.000 Besucher an. Eines wurde gar zum größten | |
| Neonazi-Konzert, das es je in der Bundesrepublik gab: [2][im thüringischen | |
| Themar nahmen 6.000 Neonazis teil]. Mit 15 Bussen und 1.200 Pkws reisten | |
| die Rechtsextremen damals an. Bis spät in die Nacht hallten „Heil“-Rufe aus | |
| dem Großzelt. | |
| Wie aufgeputscht wirkt die Szene seitdem, ein Großevent folgt dem nächsten. | |
| Es herrsche eine „Aufbruchstimmung“, notiert der Verfassungsschutz. Vor | |
| Jahren noch wurden rechte Großaufmärsche wie in Dresden durch Blockaden von | |
| Gegendemonstranten lahmgelegt, die Szene zog sich zurück. Nun schafft sie | |
| es mit eigenen Festivals wieder, hunderte, manchmal tausende Anhänger zu | |
| versammeln. | |
| ## Ein einträgliches Geschäft | |
| Für die Rechtsextremen ist dieser Erfolg doppelt wichtig: Die | |
| Veranstaltungen locken neue Mitstreiter an – und binden bestehende noch | |
| fester an die Szene. Und sie sind ein einträgliches Geschäft. 45 Euro | |
| kostete in Ostritz an diesem Wochenende die Festivalkarte. In Themar, im | |
| letzten Jahr, lag der Eintritt bei 35 Euro. | |
| Das machte für die Veranstalter allein schon 210.000 Euro Einnahmen. | |
| Obendrauf kassierten sie für Bratwurst, Bier und Szeneartikel. Von einer | |
| „Professionalisierung und Kommerzialisierung“ der rechtsextremen Szene | |
| spricht Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke). „Da machen | |
| einige richtig viel Geld.“ Gleichzeitig sei der Zulauf Ausdruck eines | |
| „immer breiter werdenden, rechten Zeitgeistes“. | |
| Nach Ostritz reiste am Freitag auch Ministerpräsident Michael Kretschmer | |
| an, zum Gegenprotest, einem Bürgerfest. „Wir lassen uns nicht bieten, dass | |
| Rechtsextremisten den Ruf unseres Landes beeinflussen“, sagte der CDU-Mann. | |
| Chemnitz habe gezeigt, wie schnell aus Gedanken „schlimme Taten“ werden | |
| könnten. Deshalb freue er sich, dass die Ostritzer mit ihrem Fest | |
| dagegenhielten. | |
| Die Neonazis indes hielt das nicht von ihrem Festival ab. Außen ließen sie | |
| die Szenegruppierung „Arische Bruderschaft“ als Sicherheitsdienst | |
| patrouillieren. Drinnen tönten Parolen, wurden Rechtsrock-CDs und kaum | |
| verbrämte „Hknkrz“-Shirts verkauft. So zeigen es Fotos. Die Presse blieb, | |
| bis auf wenige Rundgänge, außen vor. In der Nacht dann musste die Polizei | |
| eingreifen: Sie bricht ein Konzert ab, weil eine Band ein indiziertes Lied | |
| spielte. | |
| ## Der „Kampf der Nibelungen“ | |
| Zuvor gaben sich die Rechtsextremen auch ihrer neusten Spielwiese hin: | |
| rechtem Kampfsport. Denn zu Gast auf dem „Schild & Schwert“ war auch der | |
| „Kampf der Nibelungen“. Bei der Kampfsportreihe treten „junge Deutsche“ | |
| gegeneinander an, die sich „nicht als Teil eines faulenden politischen | |
| Systems verstehen“, heißt es in der Selbstbeschreibung. | |
| Bereits seit 2013 werden die „Nibelungen“-Turniere ausgetragen, anfangs | |
| noch konspirativ und im kleinen Kreis. Das ist nun vorbei. Vor drei Wochen | |
| gastierte Reihe schon einmal in Ostritz, auch auf dem Hotelgrundstück. Auch | |
| damals reisten gut 700 Rechtsextreme an, darunter Hooligans. | |
| Fotos zeigen tätowierte Männer, die sich in einem Boxring mit Tritten und | |
| Schlägen traktieren, drum herum Hunderte Neonazis auf roten Stühlen. „Wir | |
| sind entschlossen, einen neuen Menschenschlag heranzuziehen“, hieß es auf | |
| einem Plakat. Das „Nibelungen“-Turnier sei inzwischen die „größte | |
| Kampfsportveranstaltung der rechtsextremistischen Szene in Europa“, heißt | |
| es vom Verfassungsschutz. | |
| ## Brieffreundschaft mit Beate Zschäpe | |
| Es gibt längst weitere Mitstreiter: Auch Veranstalter wie Tiwaz, White Rex | |
| oder Wardon organisieren Kampfsport für die Szene. Von „nichts weniger als | |
| halblegalen Wehrsporttrainings“ spricht die Linken-Innenexpertin Martina | |
| Renner. „Die Neonazis üben und propagieren Straßenkampf.“ Die Entwicklung | |
| sei „überaus gefährlich“. | |
| Tatsächlich sind die Organisatoren einschlägig Bekannte. „Nibelungen“-Chef | |
| ist Alexander Deptolla, ein Dortmunder Neonazi, muskelbepackt und | |
| tätowiert. Auch er war am Wochenende in Ostritz, seit Jahren ist er in der | |
| Szene aktiv, aktuell bei der Kleinpartei „Die Rechte“, einem Sammelbecken | |
| verbotener Kameradschaften. Die Dortmunder Szene ist für ihre Gewalttaten | |
| berüchtigt. Als Ordner setzte Deptolla etwa zuletzt Robin S. ein, der | |
| mehrere Jahre für Schüsse auf einen Migranten in Haft saß und eine | |
| Brieffreundschaft mit Beate Zschäpe unterhielt. Seine | |
| „Nibelungen“-Teilnehmer nennt Deptolla eine „Kampfgemeinschaft“. Es gehe | |
| ihm darum, die „Volksgemeinschaft am Leben zu erhalten“, erklärte er jüng… | |
| in der Szene. | |
| Auch „Schild und Schwert“-Organisator Thorsten Heise gehört seit Jahren zu | |
| den Führungsfiguren der Szene. Der Thüringer ist vorbestraft wegen schwerer | |
| Körperverletzung, saß bereits in Haft. In der NPD gehört er zu den | |
| Hardlinern, pflegt Kontakte auch zu militanten Neonazis. Als kürzlich zwei | |
| Fotografen vor seinem Haus im thüringischen Fretterode auftauchten, wurden | |
| sie von Vermummten mit Baseballschläger und Messer attackiert. | |
| ## Neonazis, Hooligans und Kampfsportler | |
| Nun scharen ausgerechnet Heise und Deptolla die Szene um sich. Und beide | |
| werben um Gleichgesinnte auch über Lagergrenzen hinaus, bis hin zu | |
| Hooligans oder Rockern. „Man muss deutsch sein und national“, sagt | |
| Deptolla. Nur das zähle. | |
| In Chemnitz sah man zuletzt, wohin diese Verschmelzung führt. Bei den | |
| Kundgebungen nach dem gewaltsamen Tod eines 35-Jährigen standen plötzlich | |
| Neonazis, Hooligans und Kampfsportler nebeneinander. Irgendwann brach sich | |
| Gewalt Bahn, Polizisten und Migranten wurden attackiert. Später nahm die | |
| Polizei gar acht Männer unter Rechtsterrorverdacht fest, die zuvor auch | |
| mitmarschierten: die Gruppe „Revolution Chemnitz“. | |
| Bei den jüngsten Szeneevents mit dabei waren laut Verfassungsschutz auch | |
| zwei militante Neonazi-Netzwerke: „Blood & Honour“ und die Hammerskins. | |
| Beide Gruppen kokettieren mit Gewalt, Mitglieder gehörten einst zu den | |
| Helfern für das untergetauchte NSU-Trio. Nun sind sie wieder aktiv – und | |
| können beim Kampfsport Gewalt offen ausleben. | |
| ## Machtlose Behörden | |
| Linken-Innenexpertin Martina Renner warnt eindringlich vor der gerade | |
| stattfinden Radikalisierung der Szene. Die jüngsten Großevents dienten den | |
| Militanten für Treffen zur Vernetzung, womöglich werde auch Geld für | |
| untergetauchte Neonazis gesammelt. „Doch die Bundesregierung ignoriert | |
| diese Bedrohung.“ | |
| Tatsächlich sah der Staat dem rechten Treiben lange hilflos zu. In Ostritz | |
| ist es ein früherer NPD-Mann, der sein einstiges Hotel „Neißeblick“ wieder | |
| und wieder der Szene zur Verfügung stellt. Offiziell für | |
| „Privatveranstaltungen“, nun am Wochenende auch als politische Kundgebung. | |
| Schon in Themar meldeten die Neonazis ihr Konzert als Kundgebung an, ließen | |
| ein paar Redner auftreten und nutzten so das Grundrecht auf | |
| Versammlungsfreiheit. Gerichte gaben dem Recht, die Behörden waren | |
| machtlos. | |
| Zuletzt aber steckte die Szene Rückschläge ein. Ende August wollten sich | |
| 3.000 Neonazis im thüringischen Mattstedt zu einem Konzert versammeln, | |
| Bühnen und Dixi-Klos standen schon. Die Behörden aber [3][verhinderten das | |
| Festival in letzter Minute]: wegen unklarer Eigentumsverhältnisse des | |
| Grundstücks. Vor einem Monat sollte das Konzert nachgeholt werden, diesmal | |
| in Magdala. Und wieder scheiterte es kurz vorher – diesmal weil die Stadt | |
| kommunale Zufahrtswege sperrte. Den Organisatoren bescherte das finanziell | |
| wieder Miese. Und in Apolda, wohin rund 750 Neonazis spontan auswichen, | |
| [4][endete ein Ersatzkonzert in frustrierter Randale]. | |
| ## „Absolut positives Resümee“ | |
| Thüringens Ministerpräsident Ramelow will die Daumenschrauben noch weiter | |
| anziehen. „Wir müssen das Gewerberecht klarer fassen.“ Überall, wo Neonaz… | |
| Eintritt für ihre Veranstaltungen verlangten, müsse dies als Gewerbe | |
| deklariert werden. „Mit allen dann geltenden Auflagen.“ Generell gelte, so | |
| Ramelow: „Wir schauen uns alles an und werden das Recht durchsetzen.“ Das | |
| bekam zuletzt auch der Organisator des Themar-Großkonzerts zu spüren, Tommy | |
| Frenck: Bei ihm rückte die Polizei zu einer Razzia an, weil er die | |
| damaligen Einnahmen nicht korrekt versteuert haben soll. | |
| In Ostritz aber half bisher alles nichts. Mit dem „Schild & Schwert“ ging | |
| dort nun, innerhalb weniger Monate, das dritte Großevent zu Ende. Und | |
| „Nibelungen“-Chef Deptolla kündigt bereits weitere Auflagen seiner | |
| Kampfsport-Reihe an. Man ziehe bisher ein „absolut positives Resümee“, | |
| heißt es aus seinem Team. „Wir freuen uns auf die kommenden Jahre.“ | |
| 4 Nov 2018 | |
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| Konrad Litschko | |
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