# taz.de -- Politologin über Populismus: „Wahres Volk gegen angebliche Elite… | |
> Mit dem politischen Populismus in Zeiten der sozialen Medien beschäftigt | |
> sich jetzt eine Vorlesungsreihe in Kiel. Ein Gespräch mit der | |
> Organisatorin Esther Ademmer. | |
Bild: Gegen die Kanzlerin, gegen offene Grenzen – oder gleich gegen das demok… | |
taz: Frau Ademmer, Populismus – ist das nicht zuallererst ein Kampfbegriff? | |
Populist ist doch immer der andere, während man selbst, tja, der bessere | |
Demokrat ist? Der einzig wahre? Anders gefragt: Wie definiert eine | |
Politikwissenschaftlerin Populismus? | |
Esther Ademmer: Die Politikwissenschaft bemüht sich um einen konkreten | |
Populismus-Begriff. Der ist natürlich in der Literatur natürlich nicht | |
unumstritten. | |
Was zeichnet den denn aus? | |
Eine gängige Definition sieht als Wesensmerkmal des Populismus – ohne | |
spezifischen Fokus auf Rechts- oder Linkspopulismus – die künstliche | |
Abgrenzung: die eines sogenannten „wahren Volks“ von einer irgendwie | |
gearteten „Elite“. Dahinter steht die Idee eines homogenen Volkskörpers, | |
der auch ein homogenes Interesse vertritt. Populisten beanspruchen fürs | |
sich dieses Interesse als einzige zu vertreten. Und als Konfliktpartei, auf | |
der anderen Seite, steht eine ebenfalls relativ homogene Elite. Populismus | |
ist daher das Gegenteil von Pluralismus im Sinne von Meinungsvielfalt und | |
Heterogenität. Populismus grenzt sich damit auch ab vom Elitismus, der die | |
Idee vertritt, dass es eine Elite geben kann, die bessere Entscheidungen | |
trifft als so eine plurale Gesellschaft. | |
Wollte man sehr wohlwollend sprechen: Ist Populismus nicht einfach das | |
Absolutsetzen des Mehrheitsprinzips – das ja zentral ist für Demokratien? | |
Zentrales Prinzip einer demokratischen Gesellschaft ist nicht nur das | |
Mehrheitsprinzip, sondern es gibt auch die Idee grundlegender Rechte, etwa | |
für Minderheiten. Ein grenzenloses Mehrheitsprinzip kann es also nicht | |
geben in einem modernen demokratisch verfassten Staat, wie wir ihn kennen. | |
Diese Sichtweise ist, wie gesagt, umstritten. Gerade gab es eine [1][neue | |
Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung], die mit einem ähnlichen | |
Begriff von Populismus operiert. Auch der ist kritisiert worden, etwa, dass | |
er nicht beinhalte, welche Einstellung Menschen zum Thema Migration haben. | |
Einem [2][Interview mit einem Ihrer IfW-Kollegen, Christoph Trebesch], | |
entnahm ich, dass Wirtschaftskrisen zuverlässig gesellschaftliche | |
Polarisierung zur Folge haben, gerade auch der Parteienlandschaft. Und | |
davon profitieren dann insbesondere rechtspopulistisch zu nennende Kräfte. | |
Wie erklärt sich das? | |
Wir haben unter anderem Manuel Funke im Programm, der mit Christoph | |
Trebesch zusammenarbeitet. Er wird über „Populists in Power“ sprechen, | |
populistische Regierungen also, und zu solchen Fragen sicher Erhellendes | |
sagen können. | |
Anmoderiert wird Ihre Veranstaltungsreihe unter Hinweis darauf, da sei | |
etwas auf dem Vormarsch, weltweit. Wenn es nicht wirtschaftlich grundierte | |
Verunsicherung ist: Welche anderen Themen, welche anderen Faktoren | |
begünstigen populistisches Denken und Reden? | |
Um diese Fragen wird es in dieser Veranstaltung gehen. Es gibt verschiedene | |
Erklärungsangebote, darunter eines, das eher auf solche wirtschaftlichen | |
Zusammenhänge setzt; ein anderes läuft eher über eine Art kultureller | |
Ablehnung; ein drittes versucht die Interaktion zwischen diesen beiden | |
herauszustellen. Was unsere Reihe gerne leisten würde, ist das Aufsplitten | |
entsprechend den verschiedenen Phänomenen. Also nicht von einem einzelnen, | |
großen Phänomen auszugehen, sondern eben die verschiedenen Teilaspekte, in | |
denen sich das Phänomen manifestiert, in den Blick zu nehmen. | |
Welche sind das? | |
Etwa das Wahlverhalten beim Brexit, die Ablehnung von Migration, der | |
Aufstieg populistischer Parteien. Für jedes davon gibt es Erklärungen, mal | |
mehr von der einen, mal mehr von der anderen Warte. In der Literatur gibt | |
es beispielsweise die Stimmen, die sagen: Mit einem individuellen | |
wirtschaftlichen Betroffensein lässt sich nur bedingt erklären, warum | |
Menschen Migration ablehnen. | |
Sondern? | |
Das hat oft zu tun mit neuen – oder auch mal gar nicht so neuen – | |
Werteorientierungen, bei denen sich Kosmopoliten und Kommunitaristen | |
gegenüberstehen. Ein interessantes Erklärungsangebot für das Aufkeimen des | |
Populismus besagt dagegen, dass Globalisierung und ihre ökonomischen Folgen | |
politische Gegenreaktionen provozieren. Ob die dann ins rechts- oder | |
linkspopulistische driften – ob also eher eine ökonomische Elite das | |
Feindbild stiftet oder Immigranten –, das hängt davon ab, welcher | |
Globalisierungsschock wie klar sichtbar ist in einer Gesellschaft. Das war | |
zu Beginn der Krise in Griechenland beispielsweise, wo das Ökonomische sehr | |
deutlich in Erscheinung tritt, anders als momentan in Deutschland, wo die | |
ökonomische Dimension ja sehr viel weniger stark wirkt. Über Fragen zu | |
Einstellungen zu Migration wird Alexander Schmidt-Catran sprechen, über den | |
Brexit Thiemo Fetzer von der Universität Warwick. Der thematisiert dabei | |
sicher auch, welche Rolle Immigration und die Austeritätspolitik beim | |
Brexit gespielt haben. | |
Man möchte sich ja gar nicht ausmalen, was hierzulande los wäre, wären die | |
ökonomischen Kennziffern wirklich schlecht – und nicht vor allem gefühlt. | |
Wie gesagt, persönliche Deprivation erklärt nur bedingt, warum Menschen | |
feindlich eingestellt sind gegenüber Migrant*innen. Es hilft, scheint mir, | |
diese Dinge möglichst auseinander zu halten. Ist es nun Ablehnung von | |
Migration, die die Menschen in die Arme populistischer Parteien treibt? | |
Oder eine Ablehnung des politischen Systems? Das sind alles Debatten, die | |
bei uns eine Rolle spielen werden. | |
5 Oct 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2018/oktob… | |
[2] https://kurier.at/wirtschaft/warum-von-finanzkrisen-immer-rechtspopulisten-… | |
## AUTOREN | |
Alexander Diehl | |
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