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# taz.de -- Medienpolitik in Österreich: Zuckerl als Belohnung
> Das Innenministerium wies die Polizei an, mit kritischen Medien nur das
> Nötigste zu reden. Minister Kickl ruderte zurück, aber nicht so richtig.
Bild: Innenminister Kickl und Kanzler Kurz – Eine Herausforderung für Öster…
Wien taz | Die Pressefreiheit ist unantastbar und ein wesentlicher
Grundpfeiler einer demokratischen Gesellschaft.“ Österreichs
Innenminister Herbert Kickl brauchte fast den ganzen Dienstag, um sich
diese Erklärung abzuringen. Den ganzen Tag hatten sich seine Sprecher
gewunden, um eine E-Mail an die Landespolizeidirektionen zu rechtfertigen,
in der die Pressestellen angewiesen wurden, in ihrer Informationspolitik
zwischen freundlichen und kritischen Medien zu unterscheiden. Bestimmten
Zeitungen gegenüber sei die Kommunikation [1][auf „das nötigste (rechtlich
vorgesehene) Maß zu beschränken“].
Kickl putzte sich an seinem Pressesprecher, dem angeblichen Alleinautor der
Mail, ab: „Die Formulierungen bezüglich des Umgangs mit ‚kritischen Medien…
finden nicht meine Zustimmung“, so ein knappes Kommuniqué. Tags darauf im
Parlament, wo sich Kickl einer dringlichen Anfrage zu der Affäre stellen
musste, war er wieder ganz der Alte: bar jeder Einsicht und trotzig
offensiv. Die umstrittene E-Mail sei das „Gegenteil von Zensur“. Er denke
nicht daran, sie zu widerrufen.
Kickl, ehemals [2][Medienstratege der FPÖ und Dichter holpriger
Wahlkampfslogans wie „Daham statt Islam“], hat in seiner knapp
zehnmonatigen Amtszeit als Innenminister die Geschäftsgrundlage der FPÖ,
nämlich „Ausländer = Gefahr“, zum bestimmenden Thema seines Ressorts
gemacht. Medien, die da nicht mitziehen, werden bestraft. Namentlich werden
in der E-Mail an die Polizeibehörden die Tageszeitungen Der Standard und
Kurier sowie die Wochenzeitung Falter genannt.
Medien, die kooperieren, also die Arbeit des Ministeriums in vorteilhaftem
Licht darstellen, sollen mit „Zuckerln“ verwöhnt werden. Florian Klenk,
Chefredakteur des Falter, sieht die Pressefreiheit unter Druck: „Das
Bedrohliche ist für mich weniger die Einschränkung der Pressefreiheit der
kritischen Medien, sondern die ostentative Belohnung der willfährigen
Medien.“
## Kickl spielt gern Rambo
Der schmächtige Brillenträger Kickl spielt gerne den Rambo, der bei
Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern keine Gnade kennt. Sein
Webauftritt ist voll gepflastert mit Bildern, die die Gefahr durch
Migration und Flüchtlinge in den grellsten Farben darstellen. Höhepunkt war
ein nachgespielter Ansturm von Flüchtlingen auf einen Grenzzaun:
Polizeischüler mit Kapuzen mussten rabiate Asylbewerber mimen. Eine
„Inszenierung“ des Ausnahmezustands, sagt Falter-Chefredakteur Klenk.
Kickls Fachreferent für operative Kommunikation ist Alexander Höferl,
Ex-Chefredakteur des ultrarechten Onlineportals unzensuriert.at.
Florian Klenk ist überzeugt, dass Kickls Mitarbeiter angehalten werden,
Informationen, die die Gefährlichkeit von Ausländern nachweisen sollen,
gezielt in die Öffentlichkeit zu bringen und jene Journalisten zu
bevorzugen, die sich brav verhalten. Dass Mitarbeiter der Pressestelle auf
Anfragen nicht reagieren, hatte er bisher als Mangel an Professionalität
gedeutet: „Vorher hatten die dort Profis.“ Aber die E-Mail habe
offengelegt, dass das Strategie sei: „Es werden Parteiinteressen mit denen
des Ministeriums vermischt.“
[3][Bundeskanzler Sebastian Kurz] hat sich schnell und deutlich vom
Zensurversuch seines Innenministers distanziert. Im Grunde zeigt sich aber
die gesamte österreichische Regierung aus ÖVP und FPÖ bemüht, die Presse so
weit wie möglich zu manipulieren. Ein Werkzeug dafür ist das Schalten oder
der Entzug von Werbeanzeigen. Die Regierung versucht sich aber auch in
professioneller message control: Regelmäßig werden Themen platziert, über
die Medien berichten sollen.
Zwischen professioneller Pressearbeit und Falschmeldung liegt manchmal aber
nur ein schmaler Grat. So wurde im Juni in einem groß inszenierten
Auftritt von Kanzler und Vizekanzler die Schließung von sieben Moscheen
verkündet. Die Botschaft: Die Regierung tut etwas gegen islamistische
Hassprediger. Wenig später stellte sich heraus, dass diese Moscheen wegen
verwaltungstechnischer Mängel und nicht wegen der politischen Tendenz der
Imame geschlossen wurden und im Übrigen schon wieder geöffnet sind. „Wir
sind alle drauf reingefallen“, sagt Klenk selbstkritisch.
## FPÖ will Rundfunkgebühren abschaffen
Ähnlich die groß angekündigte Zusammenlegung der regionalen
Sozialversicherungsinstitute, die „in fünf Jahren eine Milliarde Euro“
einsparen werde. Experten rechneten aus, dass in acht Jahren maximal halb
so viel möglich sei. In den internen Berechnungen der Regierung steht die
Zahl 33 Millionen. Der unabhängige Presserat hat den Medien daher [4][im
August geraten], „Regierungsinformationen zu hinterfragen und auf ihre
Korrektheit zu prüfen“. Anlass war eine grob manipulierte Meldung über
Privilegien und Dienstwagen in der Sozialversicherung, die ein Durchgreifen
rechtfertigen sollte.
Otmar Lahodynsky, Präsident der Europäischen Journalistenvereinigung (AEJ),
hatte früher aus dem eigenen Land nie Verstöße gegen Pressefreiheit zu
melden: „Heuer waren es schon drei oder vier.“ Er erinnert daran, dass
Herbert Kickl einmal mit Hausdurchsuchungen bei investigativen Journalisten
drohte. Norbert Steger von der FPÖ, dem im April die ORF-Berichte über
Ungarns Viktor Orbán zu kritisch war, wünschte sich eine Reduzierung der
Auslandskorrespondenten. Wenig später wurde er zum Vorsitzenden des
Stiftungsrates, also der ORF-Aufsicht, gewählt.
Der ORF, auch gerne als „Rotfunk“ verunglimpft, ist vor allem für die FPÖ
ein Hassobjekt. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache musste vor Gericht
zurückstecken, nachdem er über soziale Medien eine Fotomontage
verbreitete, in der er die Öffentlich-Rechtlichen als Ort bezeichnet, „wo
Lügen zur Wahrheit werden“. Die FPÖ setzt sich vehement für die Abschaffung
der Rundfunkgebühren ein. Strache fühlt sich am besten von Servus-TV
verstanden, dem Privatsender des Red-Bull-Milliardärs Dietrich Mateschitz.
Seit die FPÖ wieder in der Regierung sitzt, sind Inserate der Ministerien
in Richtung Gratiszeitungen und rechtslastiger bis rechtsextremer
Publikationen verschoben worden. Innenminister Kickl sucht sogar Anwärter
für die Polizeiausbildung vorrangig in solchen Medien wie Wochenblick,
Info-direkt und alles roger. Otmar Lahodynsky von der Europäischen
Journalistenvereinigung fürchtet sich jetzt schon vor der nächsten
Generation von Polizisten, wenn sie in diesem Milieu rekrutiert werden:
„Man muss sich echt Sorgen machen.“
28 Sep 2018
## LINKS
[1] /Mail-aus-Oesterreichs-Innenministerium/!5538607
[2] /Polit-Skandal-in-Oesterreich/!5214686
[3] /Oesterreichs-Kanzler-bei-Maischberger/!5478321
[4] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20180823_OTS0049/presserat-auch-reg…
## AUTOREN
Ralf Leonhard
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