# taz.de -- Postreform in Norwegen: Keine Briefe, keine Zeitung | |
> In Norwegen könnte die Post bald nur noch zwei Mal die Woche ausliefern. | |
> Wird das umgesetzt, dürfte es für viele Lokalzeitungen das Ende bedeuten. | |
Bild: Die königliche Yacht „Norge“ im Hafen von Oslo. Kriegt das Königsha… | |
Die LeserInnen norwegischer Lokalzeitungen lieben das Papier. Während die | |
Tageszeitungsverlage in Norwegen insgesamt schon knapp ein Drittel ihrer | |
Auflage digital vertreiben, sind es bei den Lokalblättern nur 11 Prozent. | |
Die Lokalen sind also besonders abhängig davon, dass der traditionelle | |
Zustellweg zu den Briefkästen funktioniert. | |
Aber: Bei der norwegischen Post schrumpft das Briefvolumen immer mehr. | |
Bislang machen die BriefträgerInnen noch fünfmal die Woche ihre Runde, von | |
Montag bis Freitag. Doch schon ab 2020 möchte die Post diese Verpflichtung | |
auf durchschnittlich zweieinhalb Tage pro Woche halbiert sehen. Das | |
zuständige Verkehrsministerium würde das gerne genehmigen. Es würden sich | |
damit Millionen an staatlichen Zuschüssen für den Postbetrieb sparen | |
lassen. Und es gibt mittlerweile auch eine Mehrheit im Parlament für eine | |
entsprechende Änderung des Postgesetzes. | |
Doch neben vielen Postbediensteten, deren Jobs dann gefährdet sein dürften, | |
würde dieser Abbau beim Zustellservice vor allem die Tageszeitungen und | |
deren LeserInnen treffen. Außerhalb der Städte und größeren Orte mit | |
eigenen Zeitungszustelldiensten ist nämlich die Post der einzige | |
Vertriebsweg fürs Gedruckte. „Man scheint völlig zu vergessen, was das für | |
Konsequenzen für die Zeitungen haben würde“, wundert sich Freddy André | |
Øvstegård, der medienpolitische Sprecher der Linkssozialisten. | |
„Ein völlig wahnwitziger Vorschlag“, kritisiert auch Vebjørn Selbekk, | |
Chefredakteur von Dagen, einer christlichen Tageszeitung mit LeserInnen im | |
ganzen Land, die existenziell auf die Postzustellung angewiesen ist. „Wird | |
das Realität, würde unser Angebot radikal verschlechtert werden“, sagt | |
Selbekk: „Und wieder ist es das flache Land, das unter dem Abbau des | |
öffentlichen Service am meisten leiden soll.“ | |
## 60 von 131 Lokalblättern droht das Aus | |
Landslaget for lokalaviser (LLA), die Branchenorganisation der | |
Lokalzeitungen, hat ausgerechnet, dass mit der Durchführung dieser | |
„brutalen Pläne“ knapp eine halbe Million Menschen in Norwegen den Zugang | |
zu einer täglichen gedruckten Zeitung verlieren würden. LLA-Generalsekretär | |
Rune Hetland sieht davon die Existenz von 60 der 131 Lokalblätter bedroht | |
und erwartet, dass auch eine Handvoll überregionaler Zeitungen in | |
Schwierigkeiten kommen könnte. Und er fragt: „Hat man eigentlich an die | |
Konsequenzen für Demokratie und Meinungsfreiheit gedacht?“ | |
Verkehrsminister Jon Georg Dale, der der rechtspopulistischen | |
Fortschrittspartei angehört, vermag die Aufregung nicht ganz zu verstehen: | |
Man könne nicht auf Kosten des Steuerzahlers halbleere Postautos durchs | |
Land fahren lassen. Die Zeitungen müssten sich eben verstärkt auf eine | |
digitale Verbreitung umstellen. Das tue man bereits seit vielen Jahren, | |
antwortet Randi Øgrey, Direktor des Branchenverbands Mediebedriftenes | |
Landsforening (MBL), aber das gehe nun mal nicht von heute auf morgen. Mit | |
1,5 Millionen täglichen Exemplaren stehe die Papierzeitung für 68 Prozent | |
der Gesamtauflagen. „Bei uns schrumpft der Anteil der Papierleser nicht | |
etwa, sondern er wächst“, sagt Mari Skurdal, Chefredakteurin der linken | |
Tageszeitung Klassekampen. Die gedruckte Ausgabe hatte im vergangenen Jahr | |
einen LeserInnenzuwachs von 25 Prozent, den größten aller norwegischen | |
Zeitungen. | |
## Post-Umstellung bis 2020? Zu früh für die Verlage | |
„Alle unsere Abonnenten haben schon jetzt die Möglichkeit, die Zeitung | |
digital zu lesen, trotzdem wollen die meisten das Papierprodukt“, sagt auch | |
Jan Inge Fardal, Chefredakeur der Sogn Avis: „Da liegt noch ein weiter Weg | |
vor uns.“ Und er wundert sich, ob die PolitikerInnen in Oslo denn vergessen | |
hätten, dass die Post eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu erfüllen | |
habe: „Wir können doch die Post nicht einfach abschaffen, nur weil das | |
Briefvolumen sinkt. Es muss eine Lösung geben, einen Zustelldienst für die | |
gesamte Bevölkerung aufrechtzuerhalten.“ Eine Umstellung 2020 jedenfalls | |
käme für die Zeitungen um Jahre zu früh. | |
Eine Lösung, die derzeit diskutiert wird, ist die Postzustelltage zunächst | |
nur in den Städten zu halbieren und sie auf dem Land noch an fünf Tagen | |
beizubehalten. Was dem Verkehrsministerium aber nicht gefällt, weil damit | |
nur ein Drittel des Spareffekts erzielt würde. Dort sieht man die gut zwei | |
Zustelltage pro Woche offensichtlich sowieso nur als Zwischenschritt: „Auf | |
Sicht wird es vielleicht noch seltener werden“, heißt es in einem | |
Strategiepapier. | |
1 Oct 2018 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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