| # taz.de -- Bedrohte Pressefreiheit in Österreich: Rechten-Feindbild Wolf | |
| > Der österreichische TV-Moderator Armin Wolf wird von der rechten FPÖ | |
| > angegriffen. Das ist mittlerweile mehr als bloße Rhetorik. | |
| Bild: Gewinner des Fernsehpreises Romy: Armin Wolf | |
| BERLIN taz | Es ist ein neuer Höhepunkt in einer Konfrontation, die sich in | |
| Österreich seit einem Jahr stetig hochschraubt. Ein rechter Politiker, | |
| Mitglied in einem Kontrollgremium des öffentlich-rechtlichen Rundfunks legt | |
| einem kritischen Journalisten nahe, eine Auszeit zu nehmen. Fällt das noch | |
| unter feindselige Rhetorik, oder ist das schon knallharte Drohung? | |
| Der Journalist, um den es geht, ist Armin Wolf, bekannt als Moderator des | |
| ORF-Nachrichtenmagazins „Zeit im Bild 2“, kurz ZiB 2, und dafür, dass er | |
| sich durchaus auch mal politisch äußert. Gerade erst hat Wolf bei einer | |
| Preisverleihung eine Rede gehalten, bei der er unverblümt forderte, sein | |
| Sender müsse unabhängiger von der Politik werden. „Von der Politik würde | |
| ich mir ein neues ORF-Gesetz wünschen, das den ORF nicht erpressbarer | |
| macht“, sagte Wolf bei der Gala des Film- und Fernsehpreises Romy. „Und ihm | |
| nicht weniger Unabhängigkeit gibt, sondern mehr Unabhängigkeit.“ Wolf kann | |
| sich derlei Aussagen erlauben. Er hat den Prominentenstatus, er hat den | |
| Preis. Aber das macht ihn wiederum auch zum beliebten Feindbild für Rechte. | |
| Der Politiker wiederum ist Norbert Steger, eins Chef der | |
| rechtspopulistischen FPÖ, seit einem Jahr von seiner Partei als Mitglied | |
| des ORF-Stiftungsrats entsandt. Der Stiftungsrat des ORF entscheidet über | |
| die Chefposten im Sender und muss Budgets bewilligen. Seine Mitglieder sind | |
| zu großen Teilen von den Parteien im Parlament und der Bundesregierung | |
| eingesetzt. Eine große Mehrheit der Mitglieder im Stiftungsrat stehen der | |
| konservativ-rechtspopulistischen Bundesregierung von ÖVP und FPÖ nahe. Sie | |
| sollen jedoch eigentlich unabhängig sein. Eigentlich. | |
| ## Im Namen der Partei | |
| Dem Boulevardblatt Österreich sagte Steger am Wochenende, an Wolfs Stelle | |
| würde er ein „Sabbatical nehmen, auf Gebührenzahler-Kosten durch die Welt | |
| fahren und mich neu erfinden“. Diese Aussage fällt mitten in einer | |
| Auseinandersetzung zwischen Wolf und dem FPÖ-Spitzenkandidaten für die | |
| Europawahl, Harald Vilimsky. | |
| Wolf hatte Vilimsky zuvor interviewt und ihn auf eine rassistische Kampagne | |
| der FPÖ-Jugendorganisation in der Steiermark vom letzten Sommer | |
| angesprochen. Unter dem Titel „Tradition schlägt Migration“ hatte der Ring | |
| Freiheitlicher Jugend (RFJ) eine Karikatur gezeigt, in der fratzenhaft | |
| dargestellte muslimische Migrant*innen ein idealisiertes weißes Pärchen in | |
| Tracht umgeben. Während des Interviews blendete der Sender neben dem Plakat | |
| eine antisemitische Karikatur aus der NSDAP-Wochenzeitung Der Stürmer ab. | |
| Das war spitz, allerdings ist die Parallele zwischen der zeichnerischen | |
| Dämonisierung von damals und der von heute nicht von der Hand zu weisen. | |
| Vilimsky jedoch empörte sich über den Vergleich. | |
| Nun ist es nichts Neues, das Politiker*innen sich beschweren, wenn sie im | |
| Interview scharf angegangen werden. Und das sich gerade rechte Parteien die | |
| „Mainstream-Medien“ und insbesondere die Öffentlich-Rechtlichen als | |
| Feindbild aufbauen, ist ebenfalls bekannt. Beunruhigend ist, dass ein | |
| FPÖ-Politiker in einem Aufsichtsgremium des Sender noch einen drauf packt. | |
| Dass Steger hier mit seinem „Sabbatical“-Spruch eindeutig im Interesse | |
| seiner Partei auftritt und nicht der Öffentlichkeit, wie er es eigentlich | |
| sollte. Und dass er die Aussage aus einer beträchtlichen Machtposition | |
| heraus tätigt. | |
| ## Weitere Angriffe gegen die Pressefreiheit | |
| Dazu kommt, das dies nicht der erste verbale Angriff der FPÖ gegen | |
| Journalist*innen in Österreich ist, seit die rechte Partei in Wien | |
| mitregiert. Im März vergangenen Jahres legte FPÖ-Chef Heinz-Christian | |
| Strache mit der Behauptung vor, der ORF produziere „Fake News“. Sein Ziel | |
| war, auch da schon, Journalist Armin Wolf. [1][Im Nachgang musste der | |
| FPÖ-Politiker sich entschuldigen]. | |
| Ab da versuchte man es subtiler: Im September kam heraus, dass es im | |
| FPÖ-geführten Innenministerium Anweisungen per Mail gegeben hatte, [2][sich | |
| gegenüber kritischen Medien weniger kooperativ zu verhalten]. Innenminister | |
| Herbert Kickl distanziert sich, aber wenige Tage später stellte das selbe | |
| Ministerium [3][die Wochenzeitung Falter an den Pranger]. | |
| Wegen alledem, plus der üblichen Vorwürfe an die angeblich voreingenommene | |
| Presse hat die Organisation Reporter ohne Grenzen Österreich in ihrer | |
| Rangliste der Pressefreiheit um fünf Punkte herabgestuft, sowie das | |
| Prädikat von „gut“ in „ausreichend“ geändert. Und das obwohl die Angr… | |
| gegen die Pressefreiheit seitens FPÖ meist rhetorischer Natur sind. Aber | |
| Rhetorik klingt eben anders, wenn die Rhetoriker machtvolle Posten wie | |
| Ministerien oder Rundfunkgremien besetzen. Und wenn sie die Intensität der | |
| Rhetorik mit jedem Mal ein bisschen erhöhen. Wie eine Schraube, die sich | |
| fester dreht. | |
| 29 Apr 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Peter Weissenburger | |
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