| # taz.de -- Österreichs Kanzler bei „Maischberger“: Kurz kurz erklärt | |
| > „Wunderknabe oder politischer Scharfmacher?“: Unter diesem Motto stand | |
| > Sebastian Kurz' Auftritt in der ARD-Talkshow „Maischberger“. | |
| Bild: Kam nicht zu kurz: Sebastian Kurz (Mitte) | |
| Zuerst einmal: So allmächtig, wie ihn manche seiner Gegner sehen, ist der | |
| neue österreichische Kanzler nicht. Im Gegenteil, wegen eines | |
| Handballspiels verschiebt sich [1][die Ausstrahlung der am frühen Abend | |
| aufgezeichneten Sendung] um 15 Minuten auf 23 Uhr 15. EM-Vorrundenspiel | |
| first, Sebastian Kurz second. | |
| Kurz, seit vier Wochen im Amt, ist erstmals als Bundeskanzler in Berlin. | |
| [2][Mit Angela Merkel hat er schon gesprochen], am Donnerstag ist ein | |
| Besuch bei Frank-Walter Steinmeier dran, dazwischengeschoben wird ein | |
| kleiner Talk bei Sandra Maischberger. | |
| Gleich zu Beginn der Sendung heißt es: „Wunderknabe oder politischer | |
| Scharfmacher?“ Wer auf diese Frage eine ernsthafte Antwort erwartet, wird, | |
| so viel Spoiler muss sein, keine erhalten. Da sitzt er nun, der jüngste | |
| Regierungschef Europas – Bundeskanzler mit 31 Jahren, davor Außenminister | |
| mit 27, Staatssekretär mit 24. | |
| Er verteilt Komplimente an Merkel für ihre langjährige Regierungszeit, | |
| wünscht sich eine starke und stabile Regierung in Deutschland, denn | |
| Deutschland werde gebraucht. Es stünden große Entscheidungen in der EU an: | |
| der neue Haushalt, die Migrationspolitik. Maischberger fragt viel und oft | |
| auch nach, lenkt das Gespräch souverän mit knappen Fragen und Anmerkungen. | |
| Kurz antwortet, nicht minder souverän und ausführlich, Zögern ist nicht | |
| sein Ding, rumgedruckst wird nur bei einem Thema: der „Ehe für alle“. Das | |
| österreichische Verfassungsgericht hat im Dezember entschieden, die | |
| Unterscheidung zwischen der Ehe und der bisher möglichen eingetragenen | |
| Partnerschaft diskriminiere gleichgeschlechtliche Paare. Diese können | |
| spätestens ab Januar 2019 auch in Österreich heiraten, sofern die Regierung | |
| nicht schon vorher entsprechende Gesetze verabschiedet. | |
| ## „Problem in der DNA der FPÖ“ | |
| Das muss Kurz nun zusammen mit der stramm rechten FPÖ hinbekommen, und da | |
| weiß er auch nicht so recht, was man da jetzt sagen soll. Überhaupt: Wie | |
| ist das denn nun mit der FPÖ? Sind das alles Rechtsextreme, | |
| Rechtspopulisten oder nur verirrte Konservative, die in der falschen Partei | |
| sind, also nicht in Kurz' ÖVP? | |
| Kurz will die FPÖ nicht mit der AfD in Deutschland vergleichen, er verweist | |
| auf die frühere Regierungsbeteiligung der FPÖ und ihre Teilhabe an | |
| österreischichen Landesregierungen. Ein Filmeinspieler folgt, der sich die | |
| rechtsextreme Vergangenheit des FPÖ-Chefs und Vizekanzlers Heinz-Christian | |
| Strache vornimmt. Maischberger zählt viele rassistische und antisemitische | |
| Äußerungen von FPÖ-Politikern auf und spricht von einem „Problem in der DNA | |
| der FPÖ“. | |
| Kurz bezeichnet Straches Vergangenheit als „Jugendsünde“, will ihm eine | |
| zweite Chance geben. Die FPÖ habe ein „Interesse zu gestalten“. Worte wie | |
| rechts, rechtsextrem oder rechtspopulistisch kommen in seinem Vokabular nur | |
| vor, um sie verschwinden zu lassen. Es gebe keine rechten und linken | |
| Themen, nur Sachthemen und lösungsorientierte Ansätze, relevant seien nur | |
| der „Blick nach vorn“ und das „proeuropäische Regierungsprogramm“, ÖV… | |
| FPÖ stünden „entschlossen gegen Antisemitismus“. Man wartet auf einen | |
| Einspieler mit Gelächter, der aber leider nicht kommt. | |
| ## Bedeutung und keine Bedeutung | |
| Es gibt Dinge in dieser Talkshow, die mindestens genauso wehtun. Die | |
| schreckliche rot-weiße Studiokulisse; die Alpen als Hintergrundbild, dass | |
| in einem Einspieler der ehemalige Rennfahrer Niki Lauda wie ein Klischee | |
| seine Zustimmung zu Kurz aufsagt. | |
| Irgenwann kommt Jürgen Trittin hinzu, damit Kurz ein Gegenüber hat. Er | |
| fokussiert darauf, dass demokratische Parteien mit der Übernahme rechter | |
| Themen die extreme Rechte nur stärken und lobt van der Bellens | |
| proeuropäischen Präsidentschaftswahlkampf als Gegenmodell. Dann verbeißt er | |
| sich in der CSU, wird wieder besser bei Flucht, Migration, Asyl und | |
| Menschenrechten. Interessant sei der Gegensatz zwischen der | |
| wirtschaftsliberalen Agenda der ÖVP und dem sozialpolitischen Populismus | |
| der FPÖ. | |
| Die Diskussion um Migration und Asyl zeigt schließlich, was typisch für | |
| Kurz‘ Rhetorik ist: Er meidet das typische „Sowohl-Als-Auch“ des | |
| politischen Sprechens, erzielt aber einen ähnlichen Effekt mit einer | |
| „Und“-Reihung. Da gibt es Schlepper und Kriegsflüchtlinge, Integration und | |
| Abschiebung, Vor-Ort-Hilfe und Grenzsicherung. Wichtige und unwichtige | |
| Informationen, Details und Großkonflikte werden exakt gleichgewichtet, | |
| Aufzählung statt Einschätzung, alles ist eins. | |
| Man wird Sebastian Kurz nicht an seinen Worten messen können, denn die | |
| haben, um es in seiner Rhetorik zu sagen, Bedeutung und keine Bedeutung; | |
| sie verweisen im Ergebnis – auf nichts. Man wird ihn an seinen Taten messen | |
| müssen. Dies zu dokumentieren, sollte eine konkrete und nicht übermäßig | |
| anspruchsvolle Aufgabe für die österreichischen und europäischen Medien | |
| sein. | |
| 18 Jan 2018 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.ardmediathek.de/tv/Maischberger/Kanzler-Kurz-Wunderknabe-oder-po… | |
| [2] /Oesterreichs-Bundeskanzler-besucht-Berlin/!5475385/ | |
| ## AUTOREN | |
| Maik Söhler | |
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