| # taz.de -- Österreichs Bundeskanzler besucht Berlin: Die Stimmung ist im Kell… | |
| > Viele höfliche Beteuerungen zeigen: Irgendetwas stimmt nicht. Sebastian | |
| > Kurz beschwört bei seinem Besuch bei Angela Merkel die „gute | |
| > Nachbarschaft“. | |
| Bild: Je größer die Show, desto kleiner die echten Gemeinsamkeiten? | |
| Berlin taz | Für Besuche zwischen Regierungschefs zweier Länder gilt | |
| gemeinhin eine Faustregel: Je schlechter es um die gegenseitigen | |
| Beziehungen steht, desto ausdauernder preisen die Beteiligten die | |
| gegenseitigen Beziehungen an. Zwischen der Regierung in Berlin und der in | |
| Wien steht es demnach sehr schlimm. | |
| „Österreich und Deutschland sind nicht nur gute Nachbarn, sondern auch | |
| wichtige Partner“, sagt Sebastian Kurz am Donnerstag während seines | |
| Antrittsbesuchs im Berliner Kanzleramt. Deutschland sei für sein Land der | |
| wichtigste Wirtschaftspartner. Millionen deutsche Touristen reisten jedes | |
| Jahr nach Österreich. 200.000 Österreicher lebten in Deutschland, 180.000 | |
| Deutsche in Österreich. „Also eine starke Verbundenheit in vielen | |
| Bereichen“, stellt der neue österreichische Kanzler nach seinem Gespräch | |
| mit Angela Merkel fest. Keine Frage: Wer solch eine Beteuerung nötig hat, | |
| der weiß, dass die Stimmung im Keller ist. | |
| Die Konstellation ist brisant: In der Fluchtkrise 2015 und 2016 wurden | |
| Merkel und Kurz zu Gegenspielern. Die deutsche Kanzlerin wollte zunächst | |
| den Flüchtlingsdeal mit der Türkei abschließen, der damalige | |
| österreichische Außenminister erst die Balkanroute dichtmachen. Mit seinem | |
| konservativen Kurs wurde er später zum Vorbild junger Hardliner in CDU und | |
| CSU, die die Union in der Zeit nach Merkel wieder weiter nach rechts rücken | |
| wollen. Und seit Dezember regiert seine ÖVP in Wien auch noch mit der | |
| rechtspopulistischen FPÖ. | |
| In Berlin rechtfertigt sich Kurz für die Wahl seines Koalitionspartners. | |
| „Wir hatten freie und faire Wahlen in unserem Land und diese Wahlen haben | |
| ein eindeutiges Ergebnis gebracht“, sagt er. Die Regierungsbeteiligung der | |
| FPÖ hält er nicht für verwerflich: Die Freiheitlichen hätten in Österreich | |
| ja schon vor seiner Zeit einmal mitregiert. | |
| Im Jahr 2000 durfte die FPÖ erstmals als Juniorpartner der ÖVP in die | |
| Regierung. Die internationale Empörung war damals noch riesig: Die übrigen | |
| EU-Staaten beschlossen, die Österreicher forthin zu ächten. Bilaterale | |
| Beziehungen wurden eingefroren. Im Kanzleramt hätte man damals höchstens | |
| noch den österreichischen Botschafter empfangen. | |
| ## Die Kanzlerin lässt ihren Besucher Skepsis spüren | |
| Im Jahr 2018 gehen die europäischen Partner gelassener mit der | |
| Regierungsbeteiligung der FPÖ um. Das hat vor allem zwei Gründe: Erstens | |
| brachte der Boykott vor 18 Jahren nicht viel, nach einem halben Jahr war er | |
| schon wieder aufgehoben. Zweitens regieren rechte Parteien mittlerweile in | |
| etlichen EU-Staaten mit. Wer deren Regierungschefs nicht mehr kommen lässt, | |
| hätte also nicht mehr viele Gäste. | |
| Merkel empfängt Kurz am Mittwoch also. Skepsis lässt die Kanzlerin ihren | |
| Besucher aber spüren. „Wir werden die neue österreichische Regierung an | |
| ihren Taten messen“, sagt sie. Man werde das Regierungshandeln „in der Tat | |
| beobachten und ich persönlich sicherlich etwas stärker, als man es sonst | |
| getan hätte“. Viel undiplomatischer darf man sich auf internationaler Ebene | |
| eigentlich nicht ausdrücken. | |
| Und doch könnten Merkel und Kurz in Sachthemen zueinander kommen, sogar in | |
| der Flüchtlingspolitik. „Vieles, für das ich vor einigen Jahren noch | |
| kritisiert wurde, ist heute in vielen Staaten mehrheitsfähig“, sagt Kurz in | |
| Berlin. Einig ist er sich mit Merkel an diesem Mittwoch darin, die | |
| EU-Außengrenzen in Zukunft noch stärker bewachen zu wollen. | |
| Strittig ist nur, was mit Flüchtlingen passiert, die es trotzdem nach | |
| Europa schaffen. Dass sich manche Staaten gegen deren Verteilung innerhalb | |
| der EU nach einer festen Quote wehren? „Das halte ich für falsch“, sagt | |
| Merkel. Kurz sieht es anders. „Ich glaube, dass die Diskussion über die | |
| Quote zu viel Raum einnimmt“, sagt er. | |
| 17 Jan 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Tobias Schulze | |
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