| # taz.de -- Geflüchtete auf der Balkanroute: Zwischenstopp Sarajevo | |
| > Über Serbien und Montenegro gelangen immer mehr Geflüchtete nach Bosnien | |
| > und Herzegowina. Die meisten wollen weiter nach Norden reisen. | |
| Bild: Einst Schauplatz eines Krieges, heute Durchgangsstation von Flüchtlingen… | |
| Sarajevo taz | Eigentlich wollte in Europa niemand mehr verstörende Bilder | |
| von Flüchtlingen sehen: auf dem Rasen sitzende junge Familien mit ihren | |
| Kleinkindern, Gruppen von scheu um sich blickenden Männern, verzweifelte | |
| Frauen, die um Essen und eine Unterkunft für ihre Kinder bitten. Daneben | |
| kranke Menschen, in Decken gewickelt, nur unzulänglich versorgt. Doch | |
| solche Szenen spielen sich jetzt in einem kleinen Park gegenüber der | |
| Vijećnica, dem alten Rathaus und der ehemaligen Staatsbibliothek der | |
| bosnischen Hauptstadt Sarajevo, ab. | |
| Flüchtlinge aus dem Nahen Osten, aus Syrien, dem Irak, Iran, aus Pakistan | |
| und dem Maghreb scheinen jetzt die neue Route weiter westlich zu nutzen. | |
| Über Serbien und Montenegro kommen sie über die gebirgigen Grenzregionen | |
| nach Bosnien und Herzegowina. | |
| Über 400 sind es an diesem Tag, die jetzt hier in Sarajevo auf ihr | |
| Weiterkommen warten. Ein paar Helfer sind auch da. Wie Enisa, eine | |
| Berlinerin, die aus Livno in Bosnien und Herzegowina stammt. Seit vier | |
| Wochen versucht die Mitdreißigerin den Flüchtlingen zu helfen, die | |
| Essensspenden zu verteilen und für die Familien Zelte zu organisieren. Denn | |
| täglich regnet es dieser Tage kräftig. | |
| Sie versucht sogar, die Flüchtlinge zu bewegen, das Terrain sauber zu | |
| halten. Niemand von der Stadt kümmere sich darum, Toiletten aufzustellen, | |
| beklagt sie. „Die Flüchtlinge gehen einfach in die Cafés der Altstadt oder | |
| erleichtern sich hier am Flussufer oder in der Umgebung.“ Einige der | |
| Menschen leiden Hunger und bitten die Besucher direkt um Geld, um sich | |
| etwas zu essen zu kaufen. | |
| ## Monatelang in Griechenland | |
| Muhamed stammt aus Algerien und antwortet aggressiv auf Fragen. Der | |
| 23-Jährige hat eine Odyssee hinter sich, er saß monatelang in Griechenland | |
| fest, schaffte es dann über die Berge nach Serbien und Montenegro. Er weist | |
| auf den Schorf auf seinen Armen. „Die serbische Polizei hat mich | |
| geschlagen.“ | |
| Dagegen loben die Umstehenden die bosnische Polizei und Bevölkerung. Die | |
| Polizei sei korrekt, die Menschen seien hilfsbereit. An einem Tisch werden | |
| die von der Bevölkerung gespendeten Hilfsgüter verteilt, Mineralwasser, | |
| Sandwiches, Obst. „Wir nehmen alles an, dazu Kleiderspenden“, sagt Enisa. | |
| Die Menschen hier haben nicht vergessen, dass zwei Millionen ihrer | |
| Mitbürger damals während des Krieges der 90er Jahre zu Flüchtlingen und | |
| Vertriebenen geworden waren. Einige der Umstehenden haben schon davon | |
| gehört, dass Leute aus Sarajevo Flüchtlinge bei sich untergebracht haben. | |
| Jetzt hofft auch eine angeblich aus Syrien stammende Frau mit ihren | |
| Kleinkindern auf so ein Wunder. Andere wollen weiter. Sie warten hier nur | |
| darauf, von Schleusern nach Nordwestbosnien, nach Bihać und Velika Kladuša | |
| an der kroatischen Grenze gebracht zu werden. | |
| „Manche haben auch Geld“, sagt Enisa. Denn viele seien ganz legal aus dem | |
| Irak und dem Iran kommend mit dem Flugzeug nach Serbien eingereist und dann | |
| nach Bosnien gekommen. Aber auch aus Griechenland, wo 50.000 Flüchtlinge | |
| festsitzen, kämen zunehmend Menschen in Bosnien an, sagen andere Helfer. | |
| ## Andrang nicht zu bewältigen | |
| Rund 1.400 wurden von den bosnischen Behörden registriert, schreibt das | |
| Nachrichtenmagazin Dani. Keine bosnische Zeitung zweifelt daran, dass diese | |
| Leute Bosnien in Richtung Deutschland oder Italien verlassen wollen. | |
| Mehrere Hundert hätten zwar Asyl beantragt, wollten jedoch nach Norden | |
| weiterziehen. | |
| Von Sarajevo aus führt die Route 400 Kilometer in den nordwestlichen Kanton | |
| um die Stadt Bihać. Der Bürgermeister dort bittet die Regierung um Hilfe. | |
| Allein könne der Kanton den Andrang nicht bewältigen. Nach Presseberichten | |
| sollen die Flüchtlinge dort in Rohbauten untergekommen sein. | |
| Die Grenze nach Kroatien ist nach im vorigen Jahr gemachten eigenen | |
| Erkundungen an vielen Stellen durchlässig. Das Gebiet auf kroatischer Seite | |
| ist nur sehr dünn besiedelt. | |
| Denn hier war einmal ein serbisches Siedlungsgebiet, doch die meisten | |
| Serben flohen während der kroatischen Offensive im August 1995. Heute | |
| stehen die meisten Häuser leer oder sind überwachsene Ruinen. Die Region | |
| ist durch die kroatische Polizei nur schwer kontrollierbar. | |
| 8 May 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Erich Rathfelder | |
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