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# taz.de -- Pressefreiheit in Österreich: Die Blockierer im Amt
> Die rechte Regierung Österreichs erschwert die Arbeit von investigativen
> Journalisten – durch professionelle Inszenierung und „Message Control“.
Bild: Die österreichischen Regierungsparteien arbeiten daran, Journalisten ihr…
Wien taz | Seit Monaten schon beschäftigt die sogenannte BVT-Affäre
Österreich. Anfang März hatten 80 Mann der Einsatzgruppe gegen
Straßenkriminalität der Bundespolizei schwer bewaffnet die Büros des BVT
(Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung), das dem
FPÖ-Innenminister Herbert Kickl untersteht, gestürmt. Dabei soll ein
Ordner mit Ermittlungsergebnissen über mutmaßliche Rechtsextreme kopiert
worden sein.
Die Vorwürfe gegen mehrere Beamte, mit denen die Aktion gerechtfertigt
wurde, erwiesen sich bald als heiße Luft – aus der Razzia ist längst eine
Staatsaffäre geworden. Mitarbeiter des Verfassungsschutzes werden
mittlerweile überwacht, die Verantwortlichen verstricken sich in Lügen und
Halbwahrheiten. Kaum verwunderlich, dass diese Geschichte Stoff für
Journalisten bietet.
Die Regierungsparteien FPÖ und ÖVP arbeitet daran, Journalisten ihre Arbeit
erheblich zu erschweren. [1][Das Nachrichtenmagazin profil hatte Ende Juni
berichtet], dass Kickl in einem Aktenvermerk dem Generalsekretär des
Innenministeriums den Auftrag gegeben haben soll, „das BMI aufzuräumen“,
weil das Ministerium „korrupt wie nie“ sei. Der Verdacht, der schon lange
besteht und durch die profil-Recherche erhärtet wurde: Kickl versucht
unliebsame Ministeriumsmitarbeiter loszuwerden und das Haus auf Linie zu
bringen.
Kickl widersprach der Recherche, im Gespräch mit der Report-Redakteurin
Susanne Schnabl ging der Innenminister zum Gegenangriff auf Medien über,
die „irgendwelche Dingen, die als geheim eingestuft sind“, an die
Öffentlichkeit brächten. Konkret griff er einen profil-Redakteur an, gegen
den offenbar geheimdienstlich ermittelt wurde: „Ja, das muss man nur
vielleicht einmal irgendwo auch dazusagen, um auch den Menschen zu
erklären, dass auch Medien teilweise hier sozusagen im Fokus des Interesses
stehen, ja. Dann wird das eine oder andere klarer.“
Klar wurde, dass Kickl ein Problem mit der Presse, speziell mit dem
investigativen Journalismus hat. Christian Rainer, Chefredakteur des
profil, hält es für möglich, dass der Innenminister demnächst
Hausdurchsuchungen in Redaktionen anordnen werde. Auch andere
Chefredakteure hätten aus dem Innenministerium Warnungen gehört.
Entsprechend scharf antworten die Chefredakteure des Landes in ihren
Zeitungen.
## Vorgefertigte Erklärungen
[2][Rainer Nowak von der konservativen Tageszeitung Die Presse], die der
Regierung sonst eher freundlich gegenübersteht, will den Anfängen wehren:
„Eine Hausdurchsuchung in einer Redaktion oder Ermittlungen gegen
investigative Journalisten würden wir niemals akzeptieren. Das ist
Österreich“, schrieb er. [3][Esther Mitterstieler vom Magazin News] stellt
sich die Frage, „ob wir jetzt ernsthaft Zuständen wie in Polen oder Ungarn
entgegengehen. Also ob Politiker entscheiden, was in die Öffentlichkeit
gehört und was nicht.“
[4][Standard-Chefredakteur Martin Kotynek] ging auf den Vorwurf ein, durch
Veröffentlichung geheimer Akten würde „Verunsicherung betrieben“: „Was …
Minister als „Verunsicherung“ bezeichnet, nennen Journalisten gemeinhin
Aufklärung. Bald werden diese Erkenntnisse einen Untersuchungsausschuss des
Parlaments beschäftigen – wie es in einer Demokratie üblich ist.“
Seit die rechte Regierung an der Macht ist, stehen Medien verstärkt unter
Druck. Im Stiftungsrat, dem Kontrollgremium des öffentlich-rechtlichen ORF,
haben FPÖ und ÖVP bereits eine große Mehrheit und wollen [5][den Sender
umbauen]. Zuletzt gab es eine [6][Maulkorb-Verordnung], mit der
ORF-Redakteuren politische Äußerungen in den sozialen Medien verboten
werden sollte. Die Regierung unterscheidet sich von ihren Vorgängern durch
professionelle Inszenierung und strikte „Message Control“. Den Medien
werden vorgefertigte Erklärungen serviert, von unangenehmen Entscheidungen
lenkt man ab.
Bundeskanzler Kurz, der sonst seinen Koalitionspartner eher in Schutz
nimmt, hat sich mittlerweile gegen die Drohungen von Kickl ausgesprochen:
„Jede Form der Unterdrückung oder Einschüchterung von Journalisten und
deren Tätigkeit ist scharf zu verurteilen und zu unterbinden.“ Kickl
allerdings hat darauf bis heute nicht reagiert.
11 Jul 2018
## LINKS
[1] https://www.profil.at/oesterreich/bvt-goldgruber-aussage-kickl-10154995
[2] https://diepresse.com/home/meinung/5456486/Herbert-Kickl-spielt-mit-dem-Feu…
[3] https://www.news.at/a/leitartikel-freiheit-10171430
[4] https://derstandard.at/2000082609116/Es-gilt-die-Pressefreiheit
[5] /!5468420/
[6] /!5516674/
## AUTOREN
Ralf Leonhard
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