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# taz.de -- Mieterverein über Preisbremse in Bremen: „Das ist reines Geldver…
> Bremse defekt: Kornelia Ahlring vom Mieterverein erklärt, warum das
> Mieterschutzgesetz in Bremen nicht funktioniert.
Bild: Hier ist Miete ungebremst: Europahafen in der Bremer Überseestadt
taz: Frau Ahlring, sind Vermieter in Bremen nach Mietpreisbremse und dem
neuen Mieterschutzgesetz eingeschüchtert und erhöhen seltener die Miete?
Kornelia Ahlring: Nein, leider gar nicht. Das Gesetz ist ein zahnloser
Tiger. Schon die erste Mietpreisbremse hat wenig bewirkt und die
Verschärfung bringt auch nicht viel. Selbst in Städten mit anerkanntem
Mietspiegel haben sich die Änderungen nicht bemerkbar macht. Jeder ist
froh, überhaupt eine Wohnung zu finden.
In Bremen gibt es nicht einmal einen Mietspiegel, anhand dessen man gegen
eine Erhöhung vorgehen könnte …
… wobei das auf der anderen Seite keine schlechte Sache ist: Denn hier
müssen Vermieter Erhöhungen mit Vergleichswohnungen oder einem
Mietwertgutachten rechtfertigen. Für die vielen kleinen und privaten
Vermieter, die es in Bremen gibt, sind übermäßige Mieterhöhungen so
schwierig zu rechtfertigen. Andererseits gäbe ein Mietspiegel
Rechtssicherheit und ohne ihn ist in Auseinandersetzungen das Prozessrisiko
größer, weil Sachverständigen-Gutachten schnell über 2.500 Euro kosten.
Nach der neuen Regelung müssen Vermieter unaufgefordert Ausnahmegründe
nennen, wenn die Miete zehn Prozent höher liegt als der ortsübliche
Mietspiegel. Wäre es nicht sinnvoll, in Bremen einen Mietspiegel
einzuführen?
Das sehe ich ambivalent: Wenn man nach dem rapiden Preisanstieg der
vergangenen Jahre einen Mietspiegel festlegen würde, würde er in der Regel
nur die neuen Mietverträge der letzten vier Jahre berücksichtigen. Um einen
angemesseneren Mietspiegel zu erstellen, müsste man mindestens die Mieten
der vergangenen zehn Jahre einbeziehen.
Wie wirksam kann das vom Bund beschlossene Mieterschutzgesetz ohne
Mietspiegel in Bremen sein?
Muss ich das wirklich kommentieren? Das Gesetz ist gut gemeint, aber es
wird an der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt nur wenig ändern:
Vermieter werden trotzdem bei Wiedervermietung zu viele draufschlagen.
Warum?
Jeder ist froh, überhaupt eine Wohnung zu haben. Wenn ich dann schon bei
der Besichtigung frage, ob der Vermieter die über die Grenze hinausgehende
Erhöhung mit einer umfassenden Modernisierung begründet, ist klar, wer
nicht einzieht.
Was dürfen Vermieter offiziell und wie kann ich dagegen vorgehen, wenn Sie
sich nicht an die Vorgaben halten?
Auch in Bremen dürfen sie nicht mehr als zehn Prozent im Vergleich zu den
Vormietern erhöhen. Eine der Ausnahmen ist der Erstbezug nach umfassender
Modernisierung. Wenn der Vermieter nicht darauf hinweist und sie
feststellen, dass Sie trotzdem mehr zahlen, haben Sie Rückforderungsrechte.
Aber wie soll man dagegen vorgehen, wenn man gleichzeitig in die Wohnung
einziehen will? Erst den Mietvertrag unterschreiben und dann selbst die
Miete kürzen?
Ja, das können sie tun. Wenn sie feststellen, dass sie über zehn Prozent
mehr zahlen als der Vormieter – ohne dass der Vermieter Sie bei den
Vertragsverhandlungen auf einen der Ausnahmetatbestände hingewiesen hat –
können Sie das rügen und haben Anspruch darauf, weniger zu zahlen.
Wie oft kommt das vor?
Eher selten. Für das Mietverhältnis ist ein solcher Beginn natürlich nicht
schön. Und wenn man schon so anfängt, haben die meisten Vermieter dann doch
noch irgendwie Verwandtschaft. Und so eine Eigenbedarfskündigung geht
schnell. Deswegen sind viele Mieter verständlicherweise vorsichtig.
Bremen gilt als angespannter Wohnungsmarkt, also dürfen hier künftig nur
noch acht statt elf Prozent der Modernisierungskosten auf die Miete
umgelegt werden. Ist wenigstens das eine gute Neuerung?
Auch das ist noch zu viel. In Bremen ist das besonders relevant, weil
Vonovia hier gerade groß modernisiert. Man darf nach der neuen
Kappungsgrenze für Modernisierungen nicht mehr als drei Euro pro
Quadratmeter innerhalb von sechs Jahren erhöhen. Aber das ist schon ganz
schön heftig, wenn sie noch eine Miete von sechs Euro pro Quadratmeter
zahlen.
Was wäre besser?
Nicht mehr als vier Prozent im gesamten Bundesgebiet der Modernisierungen
dürften umgelegt werden. Selbst so machen die Vermieter noch ordentlich
Profite. Das Ungerechte bei der Modernisierungsmieterhöhung ist ja, dass
die Modernisierungskosten nach zehn Jahren bezahlt sind, die Miete aber
nicht wieder gesenkt wird. Eingeführt wurde die Regelung übrigens aufgrund
hoher Kreditzinssätze, die es aber schon seit Jahren nicht mehr gibt. Das
ist reines Geldverdienen. Selbst die von uns geforderten vier Prozent wären
immer noch mehr als jetzige Zinssätze.
Was fehlt noch?
Es fehlen wirkungsvolle Sanktionen für Vermieter, die sich nicht an das
Gesetz halten. Ebenso müssten die Regelungen flächendeckend und nicht nur
in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt gelten. Die Ausnahmetatbestände
und Sonderregelungen müssten entfallen. Außerdem sollte eine Kappungsgrenze
von anderthalb Euro pro Quadratmeter und Monat eingeführt und festgelegt
werden, dass die ortsübliche Vergleichswohnung nach einer Modernisierung
höchstens um 10 Prozent überschritten werden darf.
Die Aktiengesellschaft Vonovia ist Bremens größter Vermieter und hat einen
schlechten Ruf. Wie viel Ihrer Zeit beansprucht dieser Konzern?
Sehr viel. Allein die Betriebskostenabrechnungen jedes Jahr sind ein
Großteil unserer Beratungszeit. Es geht um viele neu hinzugekommene
Nebenkostenpositionen, deren Berechtigung zur Umlage im Hinblick auf den
geschlossenen Mietvertrag infrage zu stellen sind. Und jetzt kommen noch
umfangreiche Modernisierungsmieterhöhungen dazu. Beide mit Mietrecht
befasste Kammern des Landgerichts Bremen haben bereits gegen den Konzern
geurteilt wegen der formellen Unwirksamkeit der
Modernisierungsmieterhöhung.
Machen die kleinen privaten Vermieter in Bremen ähnliche Probleme?
Es ist meist nicht so gravierend. Zu privaten Vermietern hat man meist ein
viel persönlicheres Verhältnis, viele Eigentümer wissen auch langjährige
und zuverlässige Mieter zu schätzen. Es gibt aber auch private Vermieter,
die keinerlei Rücksicht darauf nehmen, ob eine erhebliche
Modernisierungsmieterhöhung für den Mieter tragbar ist und darauf
verweisen, der müsse eben ausziehen, wenn er sich die Miete nicht leisten
könne.
7 Sep 2018
## AUTOREN
Gareth Joswig
## TAGS
Bremen
Gentrifizierung
Wohnraum
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