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# taz.de -- Kommentar Krise in der Union: Söbrindts Killerspiel
> Söder und Dobrindt treiben Seehofer wie mit dem Joystick vor sich her.
> Mit ihrer Brutalität gefährden sie die Zukunft ihrer Partei.
Bild: Horst Seehofer trudelt als politisch Untoter durch Berlin
Wenn politische PR vor Kitsch trieft, dann verbirgt sich dahinter häufig
besondere Brutalität. Als CSU-Parteichef Horst Seehofer zurücktreten
wollte, nachts in der CSU-Landesleitung in der Münchner
Mies-van-der-Rohe-Straße, da ergriff Alexander Dobrindt das Wort.
„Das ist eine Entscheidung, die ich so nicht akzeptieren kann“, sagte der
Vorsitzende der CSU-Abgeordneten im Bundestag. Was für eine Geste. Der
Ziehsohn, den Seehofer einst im Februar 2009 zum Generalsekretär gemacht
hat, wirft sich vor den Mentor, bestürmt ihn, bitte geh nicht!
Doch Seehofer noch einmal nach Berlin zur Kanzlerin zu schicken, ist eine
eiskalte Aktion. Der Parteichef und Bundesinnenminister soll mit Angela
Merkel noch einmal darüber reden, dass ihre asylpolitischen Verabredungen
mit anderen EU-Staaten samt Maßnahmen in Deutschland nicht reichen.Was die
zwei am Samstag schon nicht schafften, soll nun gelingen.
Wahnsinn: Eigentlich hatte die CSU am Sonntagabend die Chance, ein
schnelles Ende Horst Seehofers zu nutzen. Er hätte den ganzen komplizierten
Streit ins Grab seiner Karriere mitnehmen können, nachdem er sein Testament
in Form seines 63-Punkte-Masterplans ausgeteilt hat. Stattdessen lassen
Alexander Dobrindt und Ministerpräsident Markus Söder Seehofer als
politisch Untoten durch die Welt reisen.
## Eine Landtagswahl ohne Merkel?
Söder und Dobrindt betreiben Politik wie ein Killerspiel. Sie sitzen vor
der Playstation und können nicht aufhören, weil sie denken, immer einen
neuen Trick zu kennen. Aus ihrer Sicht ist aus Horst Seehofer offenbar noch
wunderbar viel herauszuholen. Drei Szenarien:
1. Seehofer trudelt durch Berlin. Vielleicht richtet er so viel Schaden an,
dass Merkel noch mehr beschädigt wird und am Ende aufgibt. Merkel mitreißen
– das wäre ja vielleicht auch für Seehofer eine schöne Aussicht. Allerdings
bleibt ihm dabei nicht einmal mehr die Restheroik eines Märtyrers, die ihm
ein konsequenter Rücktritt am Sonntag gebracht hätte. Söder und Dobrindt
dürften das anders sehen: Sie sind offenkundig angetörnt von der Option
einer bayerischen Landtagswahl ohne Merkel im Kanzleramt.
2. Seehofer vollzieht den Rücktritt. Dann können Söder und Dobrindt mit
Merkel einen Formelkompromiss schließen, ungefähr so: Brüsseler Einigung
sieht ja nationale Maßnahmen vor, Bayerns Polizei macht bei der
Grenzsicherung mit plus intelligente Polizeimaßnahmen, von denen Merkel
schon gesprochen hat.
3. Seehofer bleibt aus irgendeinem Grund doch noch Bundesinnenminister, zum
Beispiel, indem die CSU schon längst bestehende Angebote Merkels als
Kompromissangebote umetikettiert. Dann hätten Söder und Dobrindt schon mal
einen, der nach einem schlechten Resultat bei der Landtagswahl gehen
müsste: den Vorsitzenden und Bundesinnenminister.
## Eine neue Radikalisierung
Der Journalist Markus Söder und der Soziologe Alexander Dobrindt: Sie sind
zusammen mit Seehofer die Protagonisten eines Überbietungswettbewerbs im
Überbietungswettbewerb. Mehr und mehr haben sie mit der AfD auf deren
Themenfeldern konkurriert.
Aber sie konkurrieren eben auch untereinander, damit nach einer
Landtagswahlniederlage niemand dem anderen vorwerfen kann, zu wenig getan
zu haben. So hat sich auch [1][die Sprache radikalisiert,] bis hin zu
trumpistischen Tönen. Maßnahmen müssen so einfach und klar klingen wie das
Verb „zurückweisen“.
Was neu in dem Konflikt ist, der seit zwei Wochen tobt: die Radikalisierung
der politischen Mittel. Man ist bereit, viel mehr aufs Spiel zu setzen als
irgendjemand gedacht hat: Die Regierungsbeteiligung. Die
Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU. Grundkoordinaten des
Parteiensystems.
Und selbstverständlich das Vertrauen darin, dass es der Politik nicht nur
um Machtkämpfe geht. Denn genau so funktioniert die Welt von Söder und
Dobrindt. Der Grünen-Chef Robert Habeck hat es kürzlich treffend
[2][formuliert]: „Es geht um Macht in ihrem nacktesten und brutalsten
Sinn.“
## Ist die CSU verloren?
Bleiben CDU und CSU beisammen? Ist Merkel sicher vor einem Sturz? Was kommt
in der Flüchtlingspolitik? Wichtige Fragen. Aber vielleicht ist heute der
Tag für eine andere Frage: Ob die CSU verloren ist, verzockt in Söbrindts
Killerspiel.
Heute Abend in Berlin wird längst nicht mehr über Horst Seehofers Ende
allein verhandelt. Sondern über das Ende der CSU als ernst zu nehmende
politische Partei.
2 Jul 2018
## LINKS
[1] /!5513699/
[2] http://www.robert-habeck.de/texte/blog/wenn-wir-kaempfen-muessen-wir-bereit…
## AUTOREN
Georg Löwisch
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