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# taz.de -- Merkel und die Grünen: Sag niemals nie
> Könnten die Grünen die CSU in der Regierung ersetzen? „Wir werden uns
> Gesprächen nicht verschließen“, sagt ihr Chef Robert Habeck.
Bild: Grad besonders gut gelaunt: die Grünen-ChefInnen Robert Habeck und Annal…
Berlin taz | Für Ralf Fücks ist die Sache klar. „Wer nicht mehr regieren
will, soll in die Opposition gehen“, schreibt der liberalgrüne Vordenker
und ehemalige Chef der Böll-Stiftung [1][auf Facebook über die wütende
CSU]. Mit Blick auf eine Kenia-Koalition fügt er hinzu: „Es gibt
alternative Mehrheiten.“ Fücks spricht offen aus, womit mancher Grüne nur
heimlich liebäugelt.
Kann die Ökopartei zum lachenden Dritten beim Streit zwischen CDU und CSU
werden? Führende Grüne spielen das Szenario seit Tagen gedanklich durch:
Falls die CSU aus Frust die Regierung sprengt, könnte Merkel anrufen – und
den Grünen den Platz an ihrer Seite anbieten. Ein Bündnis aus CDU, SPD und
Grünen, kurz: Kenia, käme mit 420 Abgeordneten auf eine komfortable
Mehrheit im Parlament.
Dafür spräche einiges. Eine passende Erzählung wäre schnell gefunden. Die
drei Parteien vertreten einen eher proeuropäischen Kurs und stünden gegen
eine EU-skeptische Opposition aus CSU, FDP, AfD und Linkspartei.
Und das Menschliche? Sollte funktionieren. Nach den geplatzten
Jamaika-Sondierungen lobten Merkel und viele CDUler die Grünen über den
Klee, die geschlossen und bestens vorbereitet aufgetreten waren. Auch
Andrea Nahles' SPD hätte mit den Grünen kein Problem.
## Skepsis und Verantwortung
Fragt man Grünen-Chef Robert Habeck nach den Chancen für ein solches
Bündnis, bleibt er vorsichtig. „Für den eher unwahrscheinlichen Fall, dass
die Regierung auseinanderbricht, gilt: Wir werden uns Gesprächen nicht
verschließen“, sagte Habeck am Montag der taz. „Aber es fehlt mir echt die
Phantasie, wie mit CDU und SPD in der jetzigen Lage ein kraftvoller
Neustart gelingen könnte. Es sei in jedem Fall der Job der Grünen, „dafür
zu sorgen, dass Vertrauen in Politik und die liberale Demokratie in diesem
Land wieder wächst.“
In Habecks Sätzen steckt eine doppelte Botschaft: Viel Skepsis. Aber auch
die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Klar ist: Stellte die
Kanzlerin im Parlament die Vertrauensfrage, um herauszufinden, ob sie in
der Flüchtlingspolitik noch gestützt wird, würden die Grünen mit Nein
stimmen. Merkel richtete die Vertrauensfrage ja an ihre eigenen
Abgeordneten, betonte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. „Wir sind nicht
teil der Regierung.“
Die Grünen kämen nur dann ins Spiel, wenn die CSU die Fraktionsgemeinschaft
aufkündigte und Merkel einfach bliebe. Sie ist ja gewählte Kanzlerin und
müsste nicht durch eine gescheiterte Vertrauensfrage ihren Abgang
einläuten.
Bei den Grünen wird für diesen Fall eine Bedingung genannt: ein neuer
Koalitionsvertrag. Die Grünen würden nicht die Agenda der Großen Koalition
übernehmen, sie bräuchten vorzeigbare Erfolge beim Klimaschutz, in der
Sozial- und Flüchtlingspolitik. Schließlich gingen sie selbstbewusst in so
ein Bündnis: Sie liegen in Umfragen bei komfortablen 12 Prozent, die
Erwartungen ihrer Basis wären riesig.
## „Die CDU ist zutiefst gespalten“
Die Hürden für ein Kenia-Bündnis schätzen Spitzengrüne als hoch ein.
Mehrere Faktoren lassen sie zweifeln. Da wäre zum einen die CDU, die die
Trennung von ihrer bayerischen Schwester in eine tiefe Krise stürzte. Wäre
die CDU sortiert genug, um weiter zu regieren? Viele CDU-Abgeordnete sehen
Merkels Flüchtlings- oder EU-Politik ja ähnlich kritisch wie CSUler. „Auch
die CDU ist zutiefst gespalten“, sagte Hofreiter. Außerdem stünde für die
CDU ein Linksschwenk an. Könnte die geschwächte Merkel ihrer Partei noch
ein Bündnis mit Rot-Grün verkaufen?
Inhaltlich wären die Unterschiede groß. Die Flüchtlingspolitik der Großen
Koalition ist für die Grünen untragbar. Sie haben in den
Jamaika-Sondierungen darauf bestanden, den Familiennachzug für syrische
Kriegsflüchtlinge voll zu gewähren. Die Koalition hat dieses Recht hart
beschnitten. Auch viele Punkte aus Horst Seehofers so genanntem Masterplan,
die Merkels CDU gut findet, sind für die Grünen inakzeptabel. Hofreiter
zählte auch die Klimaschutz- und die Europapolitik als heikle Baustellen
auf.
Doch hier gilt im Zweifel: Differenzen zu betonen gehört zum Spiel. So
treibt man die Preise hoch. Ließen sich alle drei Parteien ernsthaft auf
das Bündnis ein, wären Kompromisse denkbar, so wie in den
Jamaika-Sondierungen. Und wenn sich aus dem wirren Unionsstreit eine Lehre
ziehen lässt, dann diese: Sag niemals nie.
2 Jul 2018
## LINKS
[1] https://www.facebook.com/photo.php?fbid=10216678539336939&set=a.2865101…
## AUTOREN
Ulrich Schulte
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