# taz.de -- Umwelthilfe-Chef über Abgasbetrug: „Nur die Gerichte funktionier… | |
> Die Politik hat den Autokonzernen vermittelt, dass diese sich alles | |
> erlauben können, kritisiert Umwelthilfe-Chef Jürgen Resch. Die Justiz | |
> zeige dagegen Mut. | |
Bild: Fehlende Distanz: Merkel und VW | |
taz: Herr Resch, Audi-Chef Rupert Stadler sitzt in Untersuchungshaft, und | |
auch gegen Daimler-Boss Dieter Zetsche und Ex-VW-Vorstand Martin Winterkorn | |
laufen Ermittlungen. Sind die Zeiten vorbei, in denen die Autobranche von | |
niemandem etwas zu befürchten hatte? | |
Jürgen Resch: Die Konzernchefs hatten tatsächlich lange den Eindruck, dass | |
sie sich in Deutschland alles erlauben können. Das hat die Politik ihnen ja | |
so vermittelt. Glücklicherweise sieht die Justiz das anders. Dort hatte man | |
den Mut, Herrn Stadler als normalen Kriminellen zu behandeln und sein | |
Telefon abzuhören. So konnte man sehen, dass er weiterhin versucht hat, | |
Dinge zu vertuschen. | |
Die Unternehmen haben Ihren Verband und Sie selbst wegen angeblicher | |
Falschaussagen verklagt. Empfinden Sie Befriedigung, dass nun nicht Sie ins | |
Gefängnis müssen, sondern die Konzernchefs? | |
Nein. Ich gehe zwar fest davon aus, dass auch Herr Zetsche aufgrund der | |
mannigfachen Betrügereien, die er immer bestritten hat, noch in Haft kommt. | |
Aber von mir hören Sie da keinen Jubel. Wichtig ist jetzt, dass die 11 | |
Millionen Diesel-Pkws technisch nachgerüstet werden. | |
Seit Bekanntwerden des Abgasbetrugs sind fast drei Jahre vergangen. Warum | |
dauern die Verfahren so lange? | |
Die Staatsanwaltschaften wurden zumindest zu Beginn der Ermittlungen | |
ausgebremst. | |
Woher wissen Sie das? | |
Über unsere Kontakte zu Justizbehörden darf ich nicht sprechen. Ich möchte | |
mal so antworten: Offensichtlich hatten die Staatsanwaltschaften, die mit | |
der Aufarbeitung des größten Wirtschaftsskandals der deutschen | |
Nachkriegsgeschichte beauftragt waren, zunächst nicht die finanziellen und | |
personellen Kapazitäten, die für eine Aufarbeitung des komplexen Themas und | |
zur Durchführung eigener Untersuchungen notwendig sind. Und relativ lange | |
haben möglicherweise bestimmte Bundesbehörden so agiert, als wären sie der | |
verlängerte Arm der Unternehmen – und nicht Teil des Staats. Inzwischen | |
höre ich aber, dass sich die Kooperation verbessert hat. | |
Woran liegt diese Veränderung? | |
Offenbar sind auch die Beamten im Verkehrsministerium und im | |
Kraftfahrtbundesamt inzwischen sprachlos über die Dreistigkeit, mit der | |
betrogen wird. Es gibt Diesel-Pkws, bei denen die Behörden nun zum dritten | |
Mal rechtliche Schritte ergreifen müssen. Jedes Mal, wenn eine illegale | |
Abschalteinrichtung gefunden wurde, hieß es: Stimmt, wir beseitigen das. | |
Dann wird eine zweite gefunden, da heißt es dann: Sorry, haben wir | |
übersehen. Dann findet man eine dritte. Die Dieselkonzerne nehmen die | |
Behörden nicht ernst. | |
CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer hat den Daimler-Chef mehrfach | |
vorgeladen und hält jetzt auch die Abschalteinrichtungen bei Mercedes für | |
illegal. Hat auch in der Politik ein Umdenken stattgefunden? | |
Leider nicht aus eigener Einsicht. Bei Daimler konnte er gar nicht anders | |
handeln. Aus den US-Klageakten sind Details über deren | |
Abschalteinrichtungen bekannt geworden. Auch bei Mercedes wird die | |
Abgasreinigung nach einer bestimmten Zeit abgeschaltet oder wenn der | |
Harnstofftank leer ist. Das sind dieselben Abschalteinrichtungen, wie sie | |
bei Audi gefunden wurden. Wir haben das Verkehrsministerium in den letzten | |
Wochen mehrfach öffentlich darauf hingewiesen, dass wir von der | |
stattfindenden Strafvereitelung im Amt wissen. Verkehrsminister Scheuer | |
hatte also die Wahl, ob Herr Zetsche vor Gericht kommt – oder er selbst. | |
Immerhin ist jetzt auch bei Daimler der Rückruf der Autos verpflichtend. | |
Das reicht aber nicht. Das Ministerium ordnet zwar einen Rückruf an, | |
verzichtet aber erneut auf die Beseitigung des Betrugs durch eine | |
technische Nachrüstung. Daimler hat nun ein Jahr Zeit, eine neue Software | |
aufzuspielen. Statt wie in den USA auf die Einhaltung der Grenzwerte auch | |
auf der Straße zu bestehen, verzichtet Scheuer auf Hardware-Nachrüstungen. | |
Glauben Sie, dass es dazu noch kommen wird? | |
Ja, die technische Nachrüstung wird kommen. Aber nicht durch die von BMW, | |
Daimler und VW ferngesteuerten Politiker, sondern über den Wertverlust und | |
Entscheidungen der Gerichte. Von der Politik erwarte ich nichts. Sie ist | |
nicht mehr handlungsfähig, wenn große Industriekonzerne betroffen sind. Nur | |
die Gerichte funktionieren noch. Mit den Diesel-Fahrverboten, die wir in 28 | |
Städten gerichtlich durchsetzen, erleichtern wir den betroffenen | |
Fahrzeugbesitzern, ihre Ansprüche gegen die Hersteller durchzusetzen: | |
entweder Rückabwicklung des Kaufvertrags oder technische Nachrüstung der | |
Fahrzeuge. | |
Die Politik fürchtet, dass die Hersteller finanziell überfordert sind, wenn | |
sie alle alten Diesel nachrüsten müssen. | |
Das Gegenteil ist richtig. Die drei deutschen Autokonzerne allein haben im | |
letzten Jahr 37,5 Milliarden Euro Gewinn vor Steuern gemacht. Die | |
Nachrüstung aller 10 Millionen Betrugsdiesel ist mit einem kleinen Teil | |
davon möglich. | |
Das gilt aber nur für Deutschland. Europaweit wären es weit mehr. | |
Es bliebe aber immer noch ein Gewinn übrig. Aber selbst wenn ein | |
Unternehmen in einem Jahr ein Defizit hätte: Zwanzig Jahre lang hat die | |
Branche prächtig am Betrug von Umwelt und Kunden verdient. | |
Die Deutsche Umwelthilfe wird für ihre Dieselkampagne nicht nur gefeiert, | |
sondern von manchen auch gehasst. Lässt das nach den juristischen Erfolgen | |
jetzt wieder nach? | |
Das sind so Wellen. Da hat wahrscheinlich irgendjemand viel Geld ausgegeben | |
für eine zweieinhalb Jahre anhaltende Diffamierungskampagne. Das lässt im | |
Moment ein bisschen nach. Aber es kann natürlich wieder hochfahren. | |
Vorgeworfen wird der Umwelthilfe, dass sie für die Kampagne gegen den | |
Diesel Geld von Toyota nimmt – einem ausländischen Hersteller, der wenig | |
Diesel anbietet und vom Skandal profitiert. | |
Das gehört zu den von Anfang an vorgetragenen Diffamierungsversuchen. Fakt | |
ist, dass wir seit zwanzig Jahren einen mittleren fünfstelligen Betrag von | |
Toyota bekommen – bei einem Jahresetat von 10 Millionen Euro. Und natürlich | |
haben wir auch einen Toyota-Diesel getestet – und dieselben zu hohen | |
Abgaswerte gemessen und veröffentlicht wie bei anderen Herstellern. | |
Wäre es nicht trotzdem schlauer, auf das Geld zu verzichten, um sich diesem | |
Vorwurf nicht länger auszusetzen? | |
Wir haben darüber lange nachgedacht. Aber damit würden wir doch sagen, dass | |
die Kritik berechtigt ist – und das stimmt einfach nicht. | |
19 Jun 2018 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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