| # taz.de -- Iran und der Nahe Osten: Leicht entflammbar | |
| > In Syrien, im Irak, im Libanon und in Saudi-Arabien: Ein in die Ecke | |
| > gedrängter Iran hätte viele Orte, um die Lage in der Region zu | |
| > destabilisieren. | |
| Bild: Als Protest gegen das Vorgehen der USA verbrennen Abgeordnete in Irans Pa… | |
| Kairo taz | Die Hauptfront im von US-Präsidenten Donald Trump | |
| [1][aufgekündigten Iran-Deal] verläuft zweifelsohne zwischen den USA und | |
| [2][Europa]. Das Entscheidende wird dabei die Frage sein, wie ernst | |
| Washington mit der Sanktionierung europäischer Firmen macht, die Geschäfte | |
| mit dem Iran machen. Da dürfte der Iran jetzt einfach erst einmal abwarten. | |
| Wenn der Iran dann allerdings das Gefühl bekommt, stranguliert zu werden, | |
| wird sich die Hauptfront ganz schnell in die Region Nahost verlagern. | |
| Möglichkeiten, die Schrauben dort anzuziehen, hat der Iran mehr als genug. | |
| Der erste Austragungsort wird dann Syrien sein, der zweite der Irak und der | |
| dritte der Libanon. Die wichtigsten Akteure neben dem Iran: Israel und | |
| Saudi Arabien. | |
| In Syrien deutet alles darauf hin, dass Israel, wie in den letzten Wochen | |
| sichtbar, immer enthemmter militärisch dort tätig werden wird. Auch kurz | |
| nach der Ankündigung Trumps am Dienstag war dort, laut syrischen Angaben, | |
| von israelischer Seite ein syrisches Armee-Depot aus der Luft angegriffen | |
| worden. Dabei sollen auch iranische Revolutionsgardisten ums Leben gekommen | |
| sein. | |
| ## Gefahr für Israel aus Syrien | |
| Wie der Iran auf die wachsende militärische Aktivität Israels in Syrien | |
| reagieren wird, ist unklar. Die Iraner wissen, dass jedes Vorgehen gegen | |
| Israel zur Folge hätte, dass die Europäer, die im Moment der | |
| Anti-Iran-Linie der USA und Israels skeptisch gegenüberstehen, sofort | |
| beidrehen würden, wenn sich nur andeutet, dass Israel in Gefahr sein | |
| könnte. | |
| Ein schwer einzuschätzender Faktor sind hier die iranischen Hardliner, die | |
| zuvor durch den Iran-Atom-Deal marginalisiert worden waren. Aber auch in | |
| Israel besteht vor allem zwischen Premier Benjamin Netanjahu und einigen | |
| seiner Militärs in Sachen Iran-Atom-Deal keine Einigkeit. | |
| Zudem befindet sich in Syrien die verwundbarste Stelle der USA: die im | |
| Nordosten des Landes neben kurdischen Milizen stationierten amerikanischen | |
| Truppen an der IS-Front. Deren Abzug hatte Trump zunächst in Aussicht | |
| gestellt, hatte das aber dann wieder zurückgenommen, als er in die Kritik | |
| geriet, die Anti-IS-Allianz damit zu schwächen. Versuche seines | |
| Sicherheitsberaters John Bolton, eine arabische Streitmacht aufzustellen, | |
| die die USA dort ersetzen könnte, vor allem in Richtung Ägypten, sind | |
| bisher wenig erfolgreich. | |
| Eine direkte Konfrontation zwischen Truppen des syrischen Regimes und | |
| iranischen Milizen auf der einen und den US-Truppen auf der anderen Seite, | |
| wäre ein möglicher Konfrontationskurs der Iraner. Die US-Truppen müssten | |
| dann extrem vorsichtig vorgehen, um keine russischen Truppen zu treffen, | |
| die ebenfalls vor Ort sind. | |
| ## Heikle Lage im Irak | |
| Der zweite Austragungsort könnte der Irak werden. Auch dort befinden sich | |
| US-Truppen, die in den letzten Jahren de facto mit den iranisch-gesteuerten | |
| schiitischen Milizen gegen den IS zusammengearbeitet haben. | |
| Der IS hält dort zwar kein Territorium mehr, ist aber im Untergrund immer | |
| noch aktiv. Er könnte also im „de facto Ende“ der gemeinsamen Anti-IS-Front | |
| zum lachenden Dritten werden. | |
| Außerdem finden im Irak am Wochenende Parlamentswahlen statt. Dort hat man | |
| verzweifelt versucht, das trennende schiitisch-sunnitische Element aus dem | |
| Wahlkampf herauszuhalten. Der irakische Premier Haider Al-Abadi streckt den | |
| Sunniten die Hand aus, und hofft, dass sie erstmals seit Jahren wieder zu | |
| einem ernsthaften Teil des politischen Systems in Bagdad zu werden. | |
| Die Lehre, die man in Bagdad aus dem Kampf gegen den IS gezogen hatte: je | |
| mehr die Sunniten des Landes vom politischen System entfremdet sind, desto | |
| einfacher ist es für die Rattenfänger des IS und andere militante | |
| Islamisten, sie zu rekrutieren. | |
| An dieser Front könnte er Iran jederzeit wieder Öl in Feuer gießen und die | |
| konfessionellen Konflikte des Iraks auf Seiten der Schiiten anheizen. Die | |
| Saudis würden dann ihresgleichen bei den Sunniten tun. Hardliner auf beiden | |
| Seiten würden sich freuen. | |
| ## Hisbollahs neue Macht im Libanon | |
| Schließlich ist da noch der Libanon. Dort hat sich die vom Iran | |
| unterstützte schiitische Hisbollah zumindest innenpolitisch bisher relativ | |
| zurückgehalten. Sie war ein Teil der Regierung der Nationalen Einheit mit | |
| dem Premier Saad Hariri. | |
| Nun hat die Hisbollah aber erst in dieser Woche mit ihren Verbündeten die | |
| Mehrheit der Parlamentssitze gewonnen. Auch hier kann der Iran einiges | |
| anrichten – erneut in direkter Nachbarschaft zu Israel. | |
| Und nicht zuletzt im Jemen kann der Iran via der schiitischen | |
| Houthi-Milizen immer wieder gegen die Saudis sticheln. Raketen, die vom | |
| Jemen kommend in das tiefste Innere Saudi Arabien zielen, sind zur | |
| Normalität geworden. Die Saudis befinden sich im Jemen in einem Krieg, der | |
| von keiner Seite militärisch gewinnbar ist und sie haben derzeit keinerlei | |
| Exit-Plan. | |
| Auch an der Ölfront könnte der Iran einiges Durcheinanderbringen, mit | |
| weitreichenden Konsequenzen für den internationalen Ölmarkt. Von einem | |
| erhöhten Ölpreis infolge der Krise mit dem Iran profitieren die Saudis am | |
| meisten. Aber fast das gesamte saudische Öl befindet sich im Osten des | |
| Landes. | |
| ## Unzufriedene Schiiten in Saudi-Arabien | |
| Die Schiiten bilden zwar in Saudi Arabien eine Minderheit, aber | |
| ausgerechnet im Osten des Landes, im Ölgebiet, sind sie die Mehrheit. Da | |
| sie als Bürger zweiter Klasse behandelt werden, herrscht dort | |
| Unzufriedenheit. Immer wieder gab es dort in den letzten Jahren kleinere | |
| Aufstände. Auch hier könnte der Iran versuchen, eine größere | |
| Aufstandsbewegung anzuzetteln. | |
| Alles wird davon abhängen, wie sehr sich der Iran in die Ecke gedrängt | |
| fühlt. Kann die USA die Europäer auf Sanktionslinie zwingen oder nicht? Und | |
| wenn das der Fall ist: Wie verhalten sich Russland und China? Gemeinsam | |
| haben diese beiden viele Möglichkeiten Iran-Sanktionen zu unterwandern und | |
| den Iran über Wasser zu halten. Waffen gibt es in Russland, | |
| Spitzentechnologien für die iranische Wirtschaft inzwischen auch aus China. | |
| Aber in dem Moment, an dem die iranische Führung das Gefühl hat, nichts | |
| mehr zu verlieren, hat sie vielfache Möglichkeiten überall in der Region | |
| Lunte anzulegen. Welcher der Akteure, der Iran, Israel, die USA, Saudi | |
| Arabien, Europa, Russland oder China als Gewinner oder Verlierer vom Platz | |
| gehen, ist noch nicht ausgemacht. Nur ein Verlierer steht schon jetzt ganz | |
| sicher fest: die Menschen in der Region, die das alles ausbaden müssen. | |
| 9 May 2018 | |
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| Karim El-Gawhary | |
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