| # taz.de -- Nach dem US-Abkommensausstieg: Iraner sind enttäuscht von Rohani | |
| > Hat die Stunde der Hardliner geschlagen? Nach Trumps Ausstieg herrscht in | |
| > Teheran aus dem Atomabkommen Frust über Rohanis Politik. | |
| Bild: Die Wut auf die USA ist groß in Teheran | |
| Teheran taz | „Vielleicht hätten wir ja die USA nicht immer so hart | |
| beschimpfen sollen“ meint eine junge Mutter in einem der besser situierten | |
| Stadtteile von West-Teheran. Ihr Mann stimmt nicht zu: „Wir waren viel zu | |
| lasch und haben uns [1][ein Abkommen] aufschwätzen lassen, das uns gar | |
| nichts gebracht hat“. Der Staatsangestellte macht dafür Präsident Rohani | |
| verantwortlich, der den Iranern mit dem Atomabkommen eine dramatische | |
| Verbesserung ihrer Lebensbedingungen in Aussicht gestellt habe, von der | |
| [2][dann aber nichts eingetreten sei]. | |
| Im Gegenteil: Die Vereinigten Staaten hätten mit dem Abkommen nur einen | |
| Teil ihrer Sanktionen gegen den Iran ausgesetzt und andere unverändert | |
| aufrechterhalten. Vor allem die Sperrung des Bankverkehrs mit dem Iran. Und | |
| das, obwohl Washington sich mit dem Abkommen doch auch verpflichtet habe, | |
| die Sanktionen herunterzufahren. „Das wäre uns unter Ahmedinejad nicht | |
| passiert. Der bewies Stärke und das Ausland hätte sich solch repressiven | |
| Maßnahmen nicht getraut“. Nachfolger Rohani sei einfach zu schwach und | |
| unentschlossen und er trage deswegen einen Teil der Verantwortung für die | |
| Entwicklung seit der Unterzeichnung des Atomabkommens. | |
| Es ist fast auf den Tag ein Jahr her, dass Rohani mit großer Mehrheit für | |
| eine zweite Amtszeit gewählt wurde. Seine konservativen Widersacher machten | |
| ihm den Vorwurf, mit dem Atomabkommen von 2015 nichts erreicht zu haben, | |
| beim Wähler konnte das die Hoffnung auf bessere Zeiten nicht maßgeblich | |
| trüben. Zwar gab es bereits bei den Wahlen genug Hinweise darauf, dass der | |
| neue Mann im Weißen Haus ein Gegner des Atomabkommens ist, dass er aber so | |
| weit gehen würde wie jetzt, hatten die meisten [3][Iraner] offenbar nicht | |
| erwartet. Und so sind am Abend der Trump-Rede in Teheran die Lokale gut | |
| besucht und der Verkehr draußen zähflüssig wie fast immer in der iranischen | |
| Hauptstadt. | |
| Die Nervosität hält sich Grenzen, umso größer ist aber die Ernüchterung | |
| nach der Rede des US-Präsidenten: Spontan meinen viele, dies sei nun der | |
| Beweis, dass das Abkommen ein Fehler war und dass es „dem Ausland“ – nicht | |
| nur den USA – ja doch nur darum gehe, den Iran klein zu halten, zu gängeln | |
| und zu isolieren. Hat die Stunde [4][der Hardliner] geschlagen? Das zu | |
| sagen, wäre etwas verfrüht. Wenn aus deren Reihen auch sofort Forderungen | |
| zu hören sind, das Land solle nun den historischen Fehler korrigieren und | |
| selbst aus dem Atomabkommen aussteigen. Vielleicht sogar aus dem | |
| Nichtverbreitungsabkommen (NPT) – dem der Iran einst als einer der ersten | |
| beigetreten war? | |
| ## Rohani trat ein schweres Erbe an | |
| Sogar aus dem Umkreis von Rohani sind solche Überlegungen zu hören. Aber | |
| schnell gibt der nicht auf. Er hat ja erst das erste Jahr seiner zweiten | |
| Amtszeit hinter sich und er wird seinen Gegnern das Feld nicht einfach | |
| überlassen. Wären jetzt Wahlen, stünde das Rohani-Lager vermutlich auf | |
| verlorenen Posten (er selbst darf kein drittes Mal antreten) und es könnte | |
| sich wiederholen, was nach der zweiten Amtszeit des erfolglosen Reformers | |
| Khatami geschah: Die enttäuschten Wähler brachten Ahmedinejad ins Amt. Den | |
| Mann, der mit radikalen Sprüchen, vor allem aber [5][mit zügelloser | |
| Atompolitik], den Iran in die internationale Isolation trieb. Nachfolger | |
| Rohani trat ein schweres Erbe an. | |
| Das Land litt schwer unter den Sanktionen und dem allgemeinen Misstrauen, | |
| das die Außenwelt ihm entgegenbrachte. Erst das mühsam herbeigeführte | |
| Atomabkommen versprach, dem ein Ende zu bereiten und lang erhoffte Reformen | |
| und Liberalisierung umzusetzen. Makaber, dass Trump genau dies torpediert. | |
| Trotz seiner wiederholt beschworenen angeblichen Fürsorge für das iranische | |
| Volk. | |
| So aber versucht Rohani nun zu retten, was zu retten ist: Immerhin ist die | |
| Zahl der Trump-Kritiker in der Frage des Atomabkommens binnen weniger | |
| Stunden überraschend stark angewachsen. Nun gilt es, diese verbale | |
| Solidarität in tatkräftige Unterstützung umzufunktionieren. Besonders auf | |
| Seiten der Europäer. Sie – Deutschland, Frankreich und Großbritannien – | |
| hatten vor Jahren die Initiative zu Atomverhandlungen und -abkommen | |
| ergriffen und sie stellen sich in einer gemeinsamen Erklärung hinter das | |
| Abkommen, solange auch der Iran dazu bereit sei. | |
| ## So tun, als gäbe es Trump nicht | |
| Aber selbst unter den Anhängern Rohanis ist man skeptisch: „Es ist leicht, | |
| Briefe zu schreiben und Erklärungen abzugeben“ sagt einer von ihnen. Ein | |
| anderer gibt zu bedenken, dass auch die Europäer nicht aus Sympathie zu | |
| Iran handelten, sondern aus Eigennutz: Sie wollten Geschäfte machen mit dem | |
| Land. Tatsächlich hat sich der Handel zwischen Deutschland und dem Iran | |
| seit der Unterzeichnung des Atomabkommens vervielfacht, wenngleich er noch | |
| weit hinter den „goldenen Zeiten“ zurückliegt. | |
| Obwohl man im Iran natürlich weiß, daß die neuen US-Sanktionen auch | |
| Drittstaaten treffen, die mit Iran Geschäfte abwickeln, heißt es jetzt, die | |
| Europäer müssten nun „beweisen“, dass sie zum Abkommen stehen. Wie solch | |
| ein Beweis aussehen soll, bleibt ein Geheimnis. Außer eben, dass man | |
| solange wie möglich tut, als gebe es Trump und die Sanktionen nicht. Kaum | |
| eine vielversprechende Methode. | |
| Inzwischen übt sich der Iran in Normalität: Die Ausflugsorte und Parks sind | |
| große Anziehungspunkte, zum Beispiel der große Fadak Park. Pärchen gehen | |
| spazieren, eine Gruppe junger Männer trainiert Kampfsport und junge Frauen | |
| radeln in Gruppen über die sorgfältig angelegten Radwege und einige junge | |
| Frauen flanieren unbehindert ohne das obligatorische Kopftuch, Die | |
| Supermärkte sind voll von Importen – viele davon aus Deutschland. Und in | |
| Elektroläden drängeln sich Kunden, um Fernseher zu kaufen bevor sie wegen | |
| des fast täglichen Währungsverfalls teurer werden. Es sind übrigens Geräte | |
| ohne Satellitenempfang, denn der ist verboten, obwohl überall praktiziert. | |
| Die Tuner werden unter der Hand verkauft. Ein Ladenbesitzer hat seine eigen | |
| Erklärung dafür: „Der Iran ist eben etwas anders als andere Länder.“ | |
| 11 May 2018 | |
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