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# taz.de -- „Middle East Security Alliance“: Trumps Traum-Armee
> Im Nahen Osten könnte bald eine Art arabische Nato entstehen. Das Bündnis
> würde vor allem US-Interessen bedienen – und gegen den Iran rüsten.
Bild: Und den, und den, und den: Mohammed bin Salman (l.) und Donald Trump prä…
Die ägyptische Presse griff zu mächtigen Worten. Vom „größten arabischen
Manöver“ schrieb etwa die regierungsnahe Zeitung al-Ahram über die
Truppenübung, die während der vergangenen zwei Wochen in Ägypten stattfand.
Angereist waren Boden-, Luft- und Seestreitkräfte aus Saudi-Arabien, den
Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), Bahrain, Kuwait und Jordanien, wie
das ägyptische Militär mitteilte. Das Manöver ist eng mit einem Vorhaben
verknüpft: der Gründung einer „Middle East Security Alliance“ (MESA), von
einigen Beobachtern als „arabische Nato“ bezeichnet.
Eine Idee, die seit einem Treffen zwischen US-Außenminister Mike Pompeo und
seinen arabischen Amtskollegen im September Gestalt annimmt. Denn die
Gründung einer arabischen Nato ist keine originär arabische, sondern eine
amerikanische Idee. Und so ist es auch kein Zufall, dass alle an dem
Manöver beteiligten Nationen enge Partner der USA im Nahen Osten sind.
Allzu beflügelt sein dürfte etwa Saudi-Arabien. Der Golfmonarchie unter
Kronprinz Mohammed bin Salman, kurz MbS, ist mehr als jedem anderen Land
der Region daran gelegen, ein sunnitisches Bollwerk gegen den schiitischen
Iran auf der anderen Seite des Golfs aufzuschütten. Noch dringlicher will
das nur Donald Trump.
Das Feindbild Iran öffnet viele Portemonnaies. Bei Trumps erstem
Auslandsbesuch als US-Präsident im Mai 2017 reiste er nach Riad – und
verkaufte den Machthabern Waffen im Wert von 110 Milliarden US-Dollar.
Trump sprach von beautiful weapons, davon, wie sehr er die Saudis mag: Sie
kaufen den USA mehr Waffen ab als jedes andere Land der Welt, investieren
Milliarden in US-Unternehmen. Antiiranische Lobbygruppen finanzierten
zudem Teile von Trumps Wahlkampf – und erhielten im Gegenzug schärfste
antiiranische Rhetorik und ein aufgekündigtes Atomabkommen.
Mit dem 1949 von westlichen Staaten gegründeten Nordatlantikpakt kann Trump
ohnehin nur wenig anfangen. Partner wie Saudi-Arabien, die Vereinigten
Arabischen Emirate und Ägypten, wo mit Abd al-Fattah as-Sisi ein
proamerikanischer Diktator an der Macht ist, sagen ihm schlichtweg mehr zu.
Eine MESA nach Trumps Geschmack könnte vor allem ein Absatzmarkt für
amerikanische Kampfflugzeuge, Panzer und Raketen werden.
## Druck nach Außen
Welche Bedrohung soll diese „arabische Nato“ eigentlich abwehren, und wen
soll sie schützen? Trump möchte vor allem jeglichen iranischen Einfluss
zurückdrängen. Auch dürfte ihm daran gelegen sein, die Türkei wirksam
abzuschrecken. Die unterstützt den kleinen Wüstenstaat Katar. Dieser
wiederum wird von Saudi-Arabien, den VAE, Ägypten und Bahrain seit Juni
2017 wirtschaftlich und politisch boykottiert, weil er Terrorgruppen
finanziere.
Katar ist, am Pro-Kopf-Einkommen gemessen, das reichste Land der Welt. Es
verfügt durchaus über die Möglichkeit, sich vom Einfluss der anderen
Golfstaaten zu lösen, und es treibt engen Handel mit dem Iran. In seiner
Hauptstadt Doha sitzt mit al-Dschasira der populärste arabische Sender, der
aus saudischer Sicht das Sprachrohr des Arabischen Frühlings war. Und Katar
unterstützt die Muslimbrüder als Gegengewicht zum saudischen Wahhabismus.
Letztlich ist Katar den anderen Golfstaaten schlichtweg zu eigensinnig
geworden. Ob es Teil der MESA wäre, ist äußerst fraglich. An dem Manöver
beteiligt war Katar jedenfalls nicht.
Eine arabische Nato würde versuchen, die politischen Ziele einiger –
weniger – Mitgliedstaaten durchzusetzen. Länder wie Katar, die sich
emanzipieren möchten, würden noch stärker unter Druck gesetzt. Die großen
mächtigen Staaten, die mit den USA besonders eng verbündet sind, würden die
MESA irgendwann dominieren. Es gäbe gemeinsame Ausbildungsprogramme,
einheitliche Standards und ein Kommando für Auslandseinsätze oder den
Bündnisfall. Dass die USA, wie einige Experten mutmaßen, mehr Staaten der
Region die Möglichkeit verschaffen wollen, die Politik im Nahen Osten
mitzugestalten, ist illusorisch.
## Der Feind im Innern
Nun ist die Idee einer arabischen Allianz nicht gänzlich neu. 1948 kämpften
arabische Truppen gemeinsam gegen Israel, 2007 formierten sich 40 vor allem
sunnitische, islamische Länder zu einer Anti-Terror-Allianz. Auch ohne MESA
hilft man einander, wenn es ernst wird. Wie etwa 2011, als die Mitglieder
des Golfkooperationsrats (GCC), unterstützt von jordanischen Söldnern, den
schiitischen Aufstand in Bahrain blutig niederschlugen.
Es wären also wohl vor allem die Feinde aus dem Inland, die eine MESA zu
spüren bekämen: nichtstaatliche Akteure, Oppositionelle, Aufstände, die
niedergeschlagen würden, um bestehende Machtverhältnisse zu zementieren,
zum Beispiel in Ägypten, Bahrain, irgendwann vielleicht sogar einmal in
Jordanien. Nichts dürften restriktive arabische Herrscher mehr fürchten.
Gut möglich, dass MbS seine dann sogar vertraglich verbrieften Verbündeten
um Hilfe bittet, wenn die schiitische Minderheit in den ölreichen Provinzen
im Osten des Landes gegen ihre Unterdrückung aufbegehrt.
Nach innen wäre eine MESA also eine tatsächliche Bedrohung, nach außen
zumindest ein gefährliches Signal. Die Konfrontation mit dem Iran erreicht
nahezu täglich einen neuen Höhepunkt. Vor allem Saudi-Arabien und die VAE
versuchen, den historischen Glücksfall Trump für sich zu nutzen – und die
arabische Welt, so weit es geht, zu dominieren. Um dieses Ziel zu
erreichen, wurde der einstige Erzfeind Israel bereitwillig gegen den Iran
ausgetauscht. Ob sich Israel allerdings eine MESA in nächster Nachbarschaft
wünschen sollte, ist angesichts der chronisch instabilen Lage in der Region
und im eigenen Land zweifelhaft.
Aber auch die betreffenden Länder der arabischen Welt sollten sich
überlegen, ob es nicht an der Zeit ist, mehr zu sein als ein amerikanischer
Waffenstützpunkt. Dafür braucht es Öffnung – auch gegenüber dem Iran.
17 Nov 2018
## AUTOREN
Hanna Voß
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