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# taz.de -- Klagen gegen Rundfunkbeitrag: Es geht ums Geld
> In Karlsruhe wird über den Rundfunkbeitrag verhandelt. Die Richter haben
> vier Kläger aus einer Vielzahl von Verfassungsbeschwerden ausgewählt.
Bild: In jedem Heim ein Fernseher? So träumen sich die Öffentlich-Rechtlichen…
Karlsruhe taz | Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk geht es um die
Existenz. Wenn der Rundfunkbeitrag von 17,50 Euro pro Haushalt entfällt,
muss über die Finanzierung von ARD, ZDF und Deutschlandradio ganz neu
entschieden werden. 2013 wurde der neue Rundfunkbeitrag eingeführt, der
sich an der Wohnung festmacht und nicht mehr am Besitz eines
Empfangsgeräts. An diesem Mittwoch und Donnerstag verhandelt darüber das
Bundesverfassungsgericht.
Aus einer Vielzahl von Verfassungsbeschwerden haben die Richter vier Kläger
ausgewählt: einen Informatiker aus NRW, einen Jazzmusiker aus
Baden-Württemberg, einen Softwareberater aus Frankfurt sowie die
Mietwagenfirma Sixt.
Interessant war zunächst, dass kein Kläger den öffentlich-rechtlichen
Rundfunk generell infrage stellte. Keiner argumentierte, dass er zu teuer
oder zu einseitig sei; Argumente, die bei politischen Initiativen gegen den
Rundfunkbeitrag durchaus eine zentrale Rolle spielen.
ZDF-Intendant Thomas Bellut verteidigte den öffentlich-rechtlichen Rundfunk
dennoch ganz grundsätzlich: „Während die Echokammern des Internets zur
Unversöhnlichkeit der Gesellschaft beitragen, stehen wir für
gesellschaftlichen Dialog und Zusammenhalt.“ Der ARD-Vorsitzende Ulrich
Wilhelm (Bayerischer Rundfunk) betonte die große Akzeptanz: „Wöchentlich
nutzen 94 Prozent der Bürger ein Fernseh- oder Hörfunkangebot der ARD.“
Die Tagesschau werde täglich von rund 10 Millionen Menschen angesehen.
## Kritiker sehen Beitrag als „Demokratieabgabe“
Im Kern geht es in Karlsruhe um Finanzfragen. Der Rundfunkbeitrag wurde
2013 in Reaktion auf die Digitalisierung eingeführt. Es drohten gewaltige
Einnahmeausfälle, weil immer mehr Menschen die Fernseh- und Radiosender via
Internet nutzten, was aber nur schwer nachzuweisen war. Deshalb sollte der
Rundfunkbeitrag ab nun an der Wohnung festgemacht werden. Die Nutzung einer
Wohnung sei schließlich leichter zu belegen als die Existenz eines
Smartphones oder Laptops.
Die Kläger kritisierten in Karlsruhe, dass mit diesem Systemwechsel die
ganze Bevölkerung erfasst werde und es keine Gegenleistung mehr gebe. „Mit
einer Wohnung kann ich weder Radio hören noch fernsehen“, sagte der Anwalt
Thorsten Bölck. Der Rundfunkbeitrag sei zu einer Art „Demokratieabgabe“
geworden. Die Kosten der Demokratie müssten allerdings aus dem allgemeinen
Steuertopf bezahlt werden. Jedenfalls hätten die Länder keine Kompetenz,
eine allgemeine Demokratiesteuer einzuführen. Der Staatsvertrag über den
Rundfunkbeitrag sei deshalb nichtig.
Für die ARD hielt Rechtsprofessor Hanno Kube dagegen, dass es durchaus eine
Gegenleistung für den Rundfunkbeitrag gebe: die Möglichkeit,
öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu empfangen. Bei einem „Beitrag“ komme es
– anders als bei einer Gebühr – nicht auf die tatsächliche Nutzung an, es
genüge die Möglichkeit dazu. „So gesehen war auch die alte ‚Rundfunkgebü…
schon ein ‚Rundfunkbeitrag‘ “, ergänzte Rechtsprofessor Dieter Dörr fü…
Bundesländer, „denn auch bisher kam es nicht darauf an, ob mit dem
Fernseher wirklich ARD oder ZDF geschaut wurde.“ Überhaupt habe sich mit
Einführung des Rundfunkbeitrags fast gar nichts geändert. „Schließlich gibt
es in mehr als 99 Prozent aller Wohnungen mindestens ein Empfangsgerät“, so
Dörr. „Wir ersparen den Bürgern nur Grundrechtseingriffe beim Nachweis.“
Der Senatsvorsitzende Ferdinand Kirchhof deutete an, dass der
Rundfunkbeitrag an diesem Punkt wohl nicht scheitern wird. Es handle sich
hier um eine „Grauzone“. „Wenn sowohl eine Steuer als auch ein Beitrag
möglich wäre, darf der Gesetzgeber dann nicht wählen?“, fragte er
rhetorisch.
## Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes?
Erfolg könnten eher vier Einwände gegen die konkrete Ausgestaltung des
Rundfunkbeitrags haben. So kritisierte der Softwareberater Bernhard
Wietschorke, dass er als Alleinlebender genauso viel Rundfunkbeitrag
zahlen müsse wie eine Familie oder eine Wohngemeinschaft. Das verstoße
gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes. Er sei sogar doppelt
diskriminiert. Denn neben seiner Wohnung in Frankfurt habe er noch eine
Zweitwohnung in Stuttgart, für die er einen weiteren Rundfunkbeitag zahlen
müsse. „Dabei kann ich zeitgleich nur einmal Radio hören, hier oder dort“,
so Wietschorke.
Zudem monierten die Vertreter der Firma Sixt, dass sie für ihre Mietwagen
Rundfunkbeiträge zahlen müssen, während Privat-Pkws freigestellt sind. Es
sei auch nicht gerechtfertigt, für die „Betriebsstätten“ von Unternehmen
Rundfunkbeitrag zu verlangen. Schließlich hätten sowohl Kunden als auch
Beschäftigte schon privat ihren Beitrag bezahlt.
Die Rundfunkvertreter verwiesen auf die Möglichkeit der „Typisierung“. Es
vereinfache den Rundfunkbeitrag, wenn strikt auf die Wohnung statt auf die
Bewohner abgestellt werde. Unternehmer hätten beim Rundfunkempfang in ihren
Betriebsstätten und Fahrzeugen außerdem einen eigenen Vorteil, jenseits von
Kunden und Beschäftigten. „Das Auto ist sogar der ideale Ort zum
Radiohören“, sagte Dieter Dörr, „ein Mietauto ohne Radio wäre nicht sehr
attraktiv.“
Das Urteil wird in einigen Monaten verkündet.
16 May 2018
## AUTOREN
Christian Rath
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