# taz.de -- Öffentlich-Rechtliche in Skandinavien: Schweden schafft Rundfunkge… | |
> Bisher zahlt nur, wer ein TV-Gerät besitzt. Jetzt soll es eine Steuer | |
> geben. Die Öffentlich-Rechtlichen fürchten um ihre Unabhängigkeit. | |
Bild: Kommt n schwedischen Haushalten immer seltener vor: ein Fernseher | |
STOCKHOLM taz | „Wir haben das so beschlossen, darum wird es jetzt auch so | |
gemacht.“ Schwedens grüne Kultusministerin Alice Bah Kuhnke lässt keinen | |
Zweifel daran, dass das Gesetz zum Ende der Rundfunkgebühr kommen wird – | |
auch wenn es noch nicht vom Parlament verabschiedet wurde. In vorletzter | |
Minute laut gewordene juristische Bedenken wischt die Ministerin vom Tisch: | |
Sie teile diese nicht und sehe deshalb auch keine Veranlassung, noch | |
irgendetwas zu ändern oder zu stoppen. | |
Und so werden die SchwedInnen in diesem Jahr wohl zum letzten Mal eine | |
Fernsehgebühr zahlen. Diese „TV-avgift“, die sich 2018 auf umgerechnet 235 | |
Euro beläuft, soll ab dem 1. Januar 2019 durch eine Public-Service-Steuer | |
ersetzt werden. Die wird ein Prozent des individuellen Einkommens betragen, | |
höchstens aber 1.300 Kronen (ca. 125 Euro). Die Steuer wird fällig, egal, | |
ob man das Public-Service-Angebot persönlich nutzt oder nicht. | |
Die bisherige TV-Abgabe ist in Schweden wirklich allein eine TV-Abgabe: Für | |
Rundfunkempfang gibt es keine Gebühr, auch der Empfang des | |
öffentlich-rechtlichen TV-Angebots über das Internet ist abgabefrei. | |
Die Zahl der Haushalte, die keine „TV-afgift“ zahlen, ist aber gestiegen – | |
weil immer weniger Menschen ein Fernsehgerät besitzen. Dasselbe gilt | |
vermutlich für die Zahl der „Schwarzseher“; deren Anteil wird auf 13 bis 15 | |
Prozent geschätzt. Selbst bei jährlich steigender Gebühr würde das | |
Public-Service-Angebot allein über die Fernsehgeräte-Abgabe künftig immer | |
weniger finanziert werden können. Zudem untergrabe es die Legitimität des | |
Systems, wenn ein immer kleinerer Teil der Bevölkerung immer höhere Abgaben | |
zahlen müsse, argumentiert die Regierung. | |
## Langfristige Planung | |
In seltsamer Einmütigkeit haben sich alle acht Reichstags-Parteien von den | |
Linken bis zu den Schwedendemokraten für die Einführung einer | |
Public-Service-Steuer entschieden. Das bringe nicht nur eine langfristig | |
stabile Finanzierungsgrundlage, sondern soll angeblich zu größerer | |
politischer Unabhängigkeit der Öffentlich-Rechtlichen führen. Denn: Die | |
Höhe der Steuer sei ebenso wie deren jährliche Steigerungsrate langfristig | |
festgeschrieben. | |
Wie genau die Mittel verteilt werden sollen, werde ebenfalls langfristig, | |
nämlich in acht- bis zehnjährigen Lizenzperioden festgelegt. So könne die | |
während einer vierjährigen Legislaturperiode herrschende jeweilige | |
politische Mehrheit im Parlament kurzfristig keinen Einfluss auf die | |
Public-Service-Finanzen nehmen. | |
Ausgerechnet dieses Argument stellen VerfassungsjuristInnen in Frage. In | |
Schweden gibt es kein Verfassungsgericht. Stattdessen prüft der | |
„Lagrådet“, eine Art vorgeschaltete Prüfungsinstanz, die Gesetzesvorhaben | |
schon vor ihrer Behandlung im Parlament. Das Votum dieses aus RichterInnen | |
der höchsten Gerichte zusammengesetzten „Lagrådet“ ist nicht bindend, wird | |
aber in der Regel von Regierung und Parlament berücksichtigt. | |
## Juristische Bedenken | |
Dieses Gremium warnte nun, dass das Public-Service-Steuermodell in seiner | |
vorliegenden Fassung die Unabhängigkeit der Öffentlich-Rechtlichen | |
einschränken könne. Angesichts seiner Budgethoheit stehe es dem Parlament | |
nämlich frei, jährlich zu entscheiden, welcher Teil des Steueraufkommens | |
den Sendern tatsächlich zugute kommen solle. An vorangegangene Beschlüsse | |
könne es nicht zwingend gebunden werden. | |
„Das einfache Fazit: Unsere Finanzierung kann nicht gesichert werden“, sagt | |
Jan Petersson, Strategiedirektor beim Schwedischen Rundfunk (SR). | |
Journalistenorganisationen hatten von vornherein gewarnt, der Übergang von | |
der Rundfunkgebühr zu einer Steuer werde die Kontrolle der Politik über die | |
Öffentlich-Rechtlichen stärken. | |
Eine entsprechende Risikoeinschätzung hätten die Parteien bei der | |
Behandlung des Gesetzes „überhaupt nicht vorgenommen“, sagt die | |
Gewerkschaft Journalistförbundet. Und SR-Intendantin Cilla Benkö fordert, | |
bevor man zu einem Steuermodell übergehe, müsse die Unabhängigkeit des | |
Public-Service verfassungsrechtlich besser abgesichert werden. Jetzt stelle | |
man eine solche nur für die Zukunft in Aussicht: „Das ist die falsche | |
Reihenfolge“, sagt Benkö. | |
5 Jun 2018 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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