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# taz.de -- Mahnwache gegen Zustände in der Psychiatrie: Die Station ist Trüb…
> Ein Jahr nach dem Tod eines Patienten in der geschlossenen Psychiatrie
> des Klinikum Ost prägen nach Patientenaussagen immer noch Schikanen den
> Alltag.
Bild: Ein Jahr vergangen, wenig passiert: Aufruf zum Protest.
BREMEN taz | Auf Deutsch und Türkisch rufen die Plakate in der ganzen Stadt
zur Mahnwache auf. „Ahmet’in ölümünden 1 yil sonra Forensik Bremen-Ost�…
steht da: „1 Jahr nach Ahmets Tod in der Forensik Bremen-Ost“. Am
Haupteingang des Klinikums in der Zürcherstraße wollen Aktivist*innen am
Sonntag gegen körperliche und seelische Gewalt in der Forensik des
städtischen Krankenhauses demonstrieren. Die gibt es nach ihrer Beobachtung
nämlich trotz politischen Protests im vergangenen Jahr noch immer.
Zugleich erinnern sie an den Tod des 31-jährigen Ahmet am 12. Mai 2017:
Ahmet war Patient – vielleicht wäre Insasse das ehrlichere Wort – in der
geschlossenen Abteilung. Gestorben ist er infolge eines Herzstillstands,
den er bei einer Zwangsmaßnahme am 9. Mai erlitten hatte. Aus dem Koma ist
er nicht mehr erwacht. Laut Klinikum ein Unglücksfall. Der Mann hatte in
seinem Zimmer einen Weg gefunden, Alkohol herzustellen, habe das
Pflegepersonal angegriffen, mit Glasaschenbechern beworfen und dann bei der
Fixierung eine Herzattacke erlitten, Stichwort: unbehandelte Vorerkrankung,
möglicherweise.
Patient*innen haben den Vorgang bestenfalls als Totschlag erlebt: „Die
eilig herbeigeeilten Wärter*innen, die ihn zu Boden gebracht und ihn am
Atmen gehindert haben – ‚Ich krieg keine Luft mehr, ich krieg keine Luft‘
–, hatten kein Erbarmen“, so die anonyme Schilderung eines Insassen. Man
habe wohl geglaubt, Ahmet simuliere, so die Annahme. Und während die Klinik
betont, dass ihr Personal für solche Notsituationen geschult sei, wirkte
dessen Verhalten nach Eintritt des Herzstillstandes aus Patient*innensicht
regelrecht kopflos:
Zunächst habe sich eine Pflegerin 20 Minuten in Reanimation versucht, dann
erst sei der interne Code für einen medizinischen Notfall ausgelöst worden.
Bis zum Einsatz der Sanitäter habe es fast 20 weitere Minuten gedauert, die
hatten dann den Defibrilator vergessen, und „weitere 20 Minuten bis der
Notarzt eintraf“. Zur Erinnerung: Das geschieht auf dem Gelände des
Krankenhauses.
Die Staatsanwalt ermittelt, ein rechtsmedizinisches Gutachten war nach dem
Tod in Auftrag gegeben worden. Auf Anfrage der taz kann die Sprecherin der
Staatsanwaltschaft „zu dem Fall momentan keine Auskunft geben“. Die
Patient*innen fühlen sich übergangen, die Psychiatriekritiker*innen
zweifeln am Aufklärungswillen: „Dass bis heute nicht einmal Zeugenaussagen
von Mitinhaftierten aufgenommen wurden, mahnt, dass kein Interesse für eine
gerechte Aufarbeitung vorhanden ist“, heißt es in ihrem Demo-Aufruf.
Ein Todesfall lässt sich nicht ohne Weiteres bagatellisieren. Zudem war er
auf eine sensibilisierte Öffentlichkeit getroffen: Das ganze Frühjahr über
waren die Zustände in der Psychiatrie am Klinikum Ost Gegenstand der
politischen Debatte gewesen, Abgeordnete quer durch die
Bürgerschaftsfraktionen und selbst die Gesundheitssenatorin hatten die
Klinik wegen der systematischen Fixierungen und einer auf bloße
Medikamentenvergabe beschränkten Behandlung scharf kritisiert. Die Klinik
hatte sich reuig gezeigt und die Chefetage war kurz vor dem Unfall mit dem
Patienten Ahmet ausgetauscht worden. Sein Tod konnte gleichsam noch dem
alten Regime angelastet werden. Alles würde ja nun besser werden.
## Nichts ist besser geworden
Ist es aber nicht, folgt man der Darstellung von Insassen und
Aktivist*innen. Das beteiligte Personal sei völlig unangetastet in Amt und
Würden, weiterhin werde „ungerechtfertigt und brutal gegen Inhaftierte
vorgegangen“. Und Schikane sei an der Tagesordnung. So war am 1. Mai der
Aufenthaltsraum der forensischen Aufnahmestation 15 A abgeschlossen: „Die
haben gesagt, es ist mal wieder so weit, und behauptet, es rieche nach
Rauch und die Steckdose sei manipuliert worden – und haben abgesperrt.“
Klingt unspektakulär, ist es aber nicht. Denn diese Station ist die Trübsal
pur. „Die U-Haft in Oslebshausen ist besser“, so ein Patient. Nicht einmal
ein Tee lässt sich hier aufbrühen, solange der Aufenthaltsraum versperrt
ist. Es gibt keine Beschäftigungsmöglichkeiten, keine Ablenkung, keinen
Medienzugang – außer dem Fernseher im Aufenthaltsraum. Manchmal kommt die
Zeitung, aber sicher nicht am 1. Mai. „Radios sind bestellt, aber noch
nicht geliefert“, bedauert ein Kliniksprecher. Auch seien „alle anderen
Räume geöffnet“ gewesen, beteuert er. Das heißt: Die Klos waren zugänglic…
Und es gab stündlich Hofgang.
„Es war an einer Steckdose zu Manipulationen gekommen“, so die Darstellung
der Klinik-PR. Sowas komme vor, weil sich per Kurzschluss eine Zigarette
anzünden lasse. „Dafür musste ein Techniker kommen und die Steckdose
tauschen.“ Am 1. Mai sei das aber „feiertagsbedingt“ nicht erfolgt. „An
einem normalen Werktag wäre das kein Ereignis gewesen.“
Das klingt fast glaubwürdig – aber eben nur fast: Selbstverständlich hat
das Klinikum Ost Haustechniker in Rufbereitschaft, das bestätigt auch der
Kliniksprecher. Warum einer von denen die Steckdose nicht repariert hat,
lässt sich nicht klären. War der Defekt überhaupt gemeldet? Nach
Patient*innenaussage ist der Aufenthaltsraum dann am 2. Mai gleich morgens
aufgesperrt worden: „Es ist kein Elektriker gekommen“, so die Aussage. Es
habe ja auch keine manipulierte Steckdose gegeben. „Es ging nur um
Schikane.“
11 May 2018
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
## TAGS
Psychiatrie
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