# taz.de -- Psychiatrie in Bremen: Es hakt bei der Reform | |
> Vor ein paar Jahren war sich die Bürgerschaft einig wie selten: Die | |
> Psychiatrie im Land gehört erneuert. Nun gerät dieser Prozess ins | |
> Stocken. | |
Bild: Neue Wege in der Psychiatrie: Haus 3 am Klinikum Bremen Ost | |
BREMEN taz | 2013 herrschte in Bremen Aufbruchstimmung. Die Bürgerschaft | |
hatte beschlossen, endlich die Psychiatrie im Land Bremen zu reformieren. | |
Dieser Beschluss war einstimmig und damit etwas Besonderes. Von Aufbruch | |
war damals die Rede, von Ambulantisierung, Regionalisierung, weniger Zwang | |
in der Psychiatrie. Davon ist auch heute noch die Rede, nur die | |
Aufbruchstimmung ist irgendwann in den vergangenen Monaten verloren | |
gegangen. | |
Am vergangenen Freitag befasste sich eine Veranstaltung der Deutschen | |
Gesellschaft für Soziale Psychiatrie mit dem Thema Psychiatrie-Reform. In | |
mehreren Vorträgen sollte es um „konkrete Vorschläge zur Umsetzung“ gehen, | |
versprach jedenfalls das Programm. Was dann kam, war eher eine Chronik, | |
gewissermaßen die Genese des Bürgerschaftsbeschlusses von 2013. Diese | |
Chronik zeigt, dass die Diskussion schon Mitte der 1970er um exakt das | |
Gleiche kreiste wie heute: mehr Ambulantisierung und Regionalisierung, | |
weniger Zwang. | |
Der Ist-Zustand sieht aber so aus, dass Bremen bundesweit die meisten | |
Betten in der Psychiatrie hat. Betten aber sind schlecht, man will ja weg | |
von langen stationären Aufenthalten, bei denen das Lebensumfeld der | |
Betroffenen in der Therapie keine Rolle spielt. | |
Dass die Umsetzung der Reform keinesfalls ins Stocken geraten sei, sondern | |
sich im Gegenteil „schon einiges getan hat“, darauf weist die Sprecherin | |
der Gesundheitsbehörde, Christina Selzer, hin. Arbeitsgruppen wurden | |
gegründet, Modellprojekte angestoßen, Kooperationen eingegangen. „Mit der | |
Bereitstellung der Modellmittel werden wesentliche Kernelemente der | |
Psychiatrie-Reform und der Ambulantisierung unterstützt und angeschoben“, | |
sagt Selzer. | |
Gefördert werden unter anderem ein aufsuchender Krisendienst in | |
Bremerhaven, die Nachtcafés in Bremen und Bremerhaven und der bremenweite | |
Kriseninterventionsdienst der Gapsy. „Diese Angebote werden von den | |
Psychiatrie-Erfahrenen und in der Fachöffentlichkeit sehr begrüßt und gut | |
genutzt“, sagt Selzer. Der große Wurf sieht anders aus. | |
Der Klinikverbund Gesundheit Nord hat mit der Medizinstrategie 2020plus | |
einen Plan erarbeitet, wonach bis zum Jahr 2020 zunächst 50 Betten in | |
teilstationäre und ambulante Angebote umgewandelt werden sollen. Die | |
Strukturen, in die jene Patienten, die bislang stationär behandelt werden, | |
entlassen werden sollen, müssen erst noch geschaffen werden. „In drei | |
Bremer Regionen und in Bremerhaven bilden sich konkret | |
Gemeindepsychiatrische Verbünde“, sagt Selzer. „Dies schafft die Grundlage | |
dafür, Menschen schneller aus der Klinik entlassen zu können“ oder auch | |
Klinikaufenthalte ganz zu vermeiden. | |
Dass es an diesen Strukturen immer noch fehlt, führte auch Olaf Kuhnigk, | |
Chefarzt der Psychiatrie am Klinikum Bremen-Ost in seinem Vortrag unter dem | |
Titel „Aus der Klinik raus – aber wohin?“ am Freitag aus. Sein oberstes | |
Ziel sei, Versorgungsangebote für alle Betroffenen in der Stadtgemeinde zu | |
schaffen. Dafür müsse es eine Versorgungsverpflichtung im ambulanten | |
Bereich geben, genau so, wie es die Aufnahmeverpflichtung im stationären | |
Bereich gebe. | |
Ein regelrechtes Feuerwerk der Empathie versprühte der Direktor des | |
Psychiatrischen Behandlungszentrums in Bremen Nord, Martin Bührig, wo neben | |
dem Soteria-Konzept auch das System der persönlichen therapeutischen | |
Begleitung eingesetzt wird. „Wir gehen nicht von Stationen aus, sondern | |
haben Behandlungsteams unter der Leitung eines Oberarztes“, sagte er in | |
seinem Vortrag. Jeder Patient habe immer die gleiche Bezugsperson – selbst | |
bei späterer Wiederaufnahme. Auch die Klinik in Bremen Nord hat stationäre | |
Betten – allerdings liegt der Schwerpunkt in der ambulanten Behandlung. | |
Um eine solche Psychiatrie zu etablieren, sagte zum Schluss der | |
Veranstaltung der Psychiater Klaus Praman, brauche es klinikintern einen | |
„Promoter, eine Lichtgestalt“, der die Mitarbeiter mitnehme. Momentan sieht | |
es zumindest am Klinikum Bremen-Ost nicht danach aus. | |
23 Apr 2018 | |
## AUTOREN | |
Karolina Meyer-Schilf | |
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