# taz.de -- Opfer von Kirche und Staat: Geprügelt, bis der Rücken blutete | |
> Psychiatrie-Geschädigte sprechen im Kieler Landtag über ihre Erfahrungen | |
> in kirchlichen Heimen und den Landeskrankenhäusern. | |
Bild: Nur ein Lichtschacht: Arrestzelle eines Kinderheims. | |
KIEL taz | Schläge, Beschimpfungen, brutale Strafen: Weil sie Bohnerwachs | |
auf dem Herd hatte stehen lassen, kam Barbara Kähler tagelang in den | |
„Bunker“, eine Kammer ohne Bett und Klo. Weil er vor Hunger und | |
Vergewaltigungen fliehen wollte, wurde der zehnjährige Günter Wulf | |
geprügelt, bis sein Rücken blutete. Weil er „frech“ war, bekam Franz Wagle | |
Schläge in den Magen. | |
Die drei waren in den 50er- bis 70er-Jahren als Kinder und Jugendliche in | |
Behinderteneinrichtungen und psychiatrischen Landeskrankenhäusern | |
untergebracht. Zwei Tage lang berichteten sie und andere Betroffene im | |
Kieler Landtag von ihren Erlebnissen. Dazu zählen neben extremer Gewalt und | |
Demütigungen auch Medikamentenversuche. | |
Zum Abschluss der Veranstaltung, zu der der Sozialausschuss eingeladen | |
hatte, versprachen Landtagsabgeordnete und Sozialminister Heiner Garg (FDP) | |
eine weitere Aufarbeitung der Fälle. Doch wie Opfer entschädigt und | |
Menschen in Behinderteneinrichtungen künftig geschützt werden sollen, dafür | |
gibt es keinen klaren Plan. | |
Im Plenarsaal des Landtags zu einem großen Publikum sprechen zu dürfen – | |
für Eckard Kowalke, Künstler aus Eckernförde und Vorsitzender des Vereins | |
ehemaliger Heimkinder, war die Veranstaltung allein deswegen ein Erfolg. | |
„Aber wir werden sehen, ob nun etwas folgt oder ob es bei Worthülsen | |
bleibt“, sagt er. Denn, darauf wiesen weitere RednerInnen hin: Die | |
Geschichten sind lange bekannt, passiert ist aber wenig. | |
## Wiedergutmachtung Fehlanzeige | |
„Die Opfer laufen gegen Wände“, sagt Ursula Schele, Ex-Ombudsfrau der | |
Nordkirche für sexuellen Missbrauch. Auch Kowalke kritisiert, dass die | |
„Täterorganisationen“, zu denen er die Kirchen und das Land als ehemaligen | |
Träger der Kliniken zählt, über Entschädigungen entscheiden. Der Gipfel | |
sei, wenn damalige Opfer der Diakonie heute wieder von diakonischen | |
Beratungsstellen begleitet würden: „Doppelt an den Opfern verdienen, das | |
schafft nicht mal die Mafia.“ | |
Diese Beschuldigungen träfen ihn, sagt Heiko Naß, Landespastor und damit | |
Chef der Diakonie, in einer Pause. Zur Forderung nach mehr Entschädigung | |
verweist Naß auf einen Stiftungsfonds, in den die Kirchen und die | |
öffentliche Hand bundesweit 290 Millionen Euro eingezahlt haben. | |
Allerdings läuft die Antragsfrist 2019 aus – bei der nächsten | |
Sozialministerkonferenz will Garg eine Verlängerung beantragen. Doch wird | |
die Summe wohl nicht ausgeschöpft, weil viele der Ex-Heimkinder nicht die | |
Kraft für den Antrag haben oder verstorben sind. | |
Elsa Nicklas-Beck, die als Betroffene im Beirat der Stiftung sitzt, schlägt | |
vor, übrig bleibende Mittel nicht an die Kirchen zurückzuzahlen, sondern | |
damit anerkannten Opfern zu helfen, damit sie im Alter nicht in ein | |
Pflegeheim müssen. | |
29 Nov 2018 | |
## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
## TAGS | |
Psychiatrie | |
Heimkinder | |
Diakonie | |
Psychiatrie | |
Freiheitsentzug | |
Psychiatrie | |
Psychiatrie | |
psychische Gesundheit | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kommentar Urteil zur Fixierung: Fesseln verliert an Attraktivität | |
Die Fixierung von Psychiatrie-Patienten ist demütigend. Genutzt wird sie | |
bislang oft bei Personalmangel. Dem beugt Karlsruhe jetzt indirekt vor. | |
Verfassungsgerichtsurteil zu Psychiatrie: Fixierung bleibt möglich | |
Karlsruhe stuft die Fixierung von psychisch Kranken nicht als Folter ein. | |
Das Gericht fordert Richtervorbehalt und „Eins-zu-eins-Betreuung“. | |
Psychiatrieopfer scheitert mit Klage: „Nicht zuständig“ | |
Vera Stein ist in den 70er-Jahren in der Bremer Psychiatrie festgehalten | |
worden. Nun forderte sie eine Entschädigung, aber der Gerichtshof für | |
Menschenrechte wies die Klage ab. | |
Mahnwache gegen Zustände in der Psychiatrie: Die Station ist Trübsal pur | |
Ein Jahr nach dem Tod eines Patienten in der geschlossenen Psychiatrie des | |
Klinikum Ost prägen nach Patientenaussagen immer noch Schikanen den Alltag. | |
Psychiatrie in Bremen: Es hakt bei der Reform | |
Vor ein paar Jahren war sich die Bürgerschaft einig wie selten: Die | |
Psychiatrie im Land gehört erneuert. Nun gerät dieser Prozess ins Stocken. |