# taz.de -- Kommentar Urteil zur Fixierung: Fesseln verliert an Attraktivität | |
> Die Fixierung von Psychiatrie-Patienten ist demütigend. Genutzt wird sie | |
> bislang oft bei Personalmangel. Dem beugt Karlsruhe jetzt indirekt vor. | |
Bild: Mit dem Patienten eine rauchen gehen, ist weitaus effektiver – und erfo… | |
Die zwangsweise Unterbringung von psychisch Kranken in einer Klinik muss | |
heute schon von einem Richter angeordnet werden. Das heißt aber nicht, dass | |
die Kliniken mit den Patienten anschließend machen können, was sie wollen. | |
Das Bundesverfassungsgericht hat [1][jetzt zu Recht festgestellt], dass das | |
Fixieren und Festbinden von Patienten eine neue richterliche Zustimmung | |
benötigt. | |
Die Fixierung geht noch einmal weit über den Einschluss in einem Gelände | |
oder einem Gebäude hinaus. Denn natürlich wird diese Situation von vielen | |
Betroffenen als demütigend und traumatisch erlebt, wenn man sich kaum noch | |
bewegen kann, wenn man ohne rechtzeitige Hilfe der Pfleger in die | |
Unterwäsche pinkeln muss. | |
Der Richtervorbehalt kann nun sicherstellen, dass die Fixierung nicht | |
missbraucht wird, um unliebsame Patienten zu bestrafen oder um | |
Personalengpässe zu kompensieren. Bei der mündlichen Verhandlung im Januar | |
zeigte sich, dass fehlendes Personal durchaus zu mehr Fixierungen führen | |
kann. Wenn der Aufnahmearzt genug Zeit hat, kann er mit dem Eingelieferten | |
erst mal eine rauchen gehen, das helfe oft schon zur Beruhigung, erklärte | |
ein Sachverständiger. Wenn aber noch sieben weitere Patienten warten, sei | |
das schwierig. Die Amtsrichter müssen künftig also nicht nur die Situation | |
des Betroffenen bewerten, sondern auch die der Klinik – wenn der | |
Richtervorbehalt etwas bringen soll. | |
Wichtiger als der Richtervorbehalt könnte deshalb die von Karlsruhe auch | |
geforderte „1-zu-1-Betreuung“ während der Fixierung sein. Hierfür müssen | |
die Kliniken künftig also deutlich mehr Personal aufwenden – damit die | |
Fixierung Teil der Therapie sein kann und nicht zur bloßen Stilllegung | |
verkommt. So ausgestaltet verliert die Fixierung aber automatisch an | |
Attraktivität für die Kliniken. Wenn mehr Personal benötigt wird, taugt die | |
Fixierung nicht mehr als Notnagel bei personellen Engpässen. Das haben die | |
Richter zwar so nicht formuliert, aber sicher so gedacht. | |
24 Jul 2018 | |
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[1] /Verfassungsgerichtsurteil-zu-Psychiatrie/!5523349 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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