Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Berlins Parlamentspräsident zur AfD: „Schärfere Auseinandersetz…
> Der Ton im Haus hat sich mit dem Einzug der AfD verändert, sagt Ralf
> Wieland (SPD). Er fordert statt eines Teilzeit- ein Vollzeitparlament.
Bild: „Die hiesige AfD-Fraktion unterscheidet sich deutlich von den AfD-Frakt…
taz: Herr Wieland, Sie sind in der zweiten Wahlperiode Parlamentspräsident.
Was ist anders geworden, seit 2016 die AfD ins Abgeordnetenhaus einzog –
außer dass es erstmals sechs Fraktionen gibt?
Ralf Wieland: Grundsätzlich hat uns das ja erst mal Probleme mit den Räumen
beschert – alle Fraktionen mussten zusammenrücken. Und wegen zusätzlicher
Redezeit fangen die Plenarsitzungen seither eine Stunde früher an. Aber das
sind ja bloß Formalien. Natürlich ist zu merken, dass bestimmte Themen von
der AfD hochgezogen werden, die dafür sorgen, dass es schärfere
Auseinandersetzungen im Parlament gibt, als das vorher der Fall war.
Müssen Sie öfter rügen oder zur Ordnung rufen als in Ihrer ersten Amtszeit?
Statistisch kann man das noch nicht sagen, aber ich glaube schon, dass es
mehr Ordnungsrufe gibt. Allerdings ist in der ersten Zeit einer
Legislaturperiode die Aufregung vielleicht auf allen Seiten noch größer,
und auch die übrigen Fraktionen, wenn ich das mal so sagen darf, müssen
lernen, wie sie mit der AfD umgehen. Muss ich über jedes Stöckchen
springen? Muss ich nicht auch aufpassen, dass ich in der Art und Weise, wie
ich reagiere, nicht selbst einen Verstoß begehe?
Claudia Roth, die grüne Vizepräsidentin des Bundestags, hat der taz jüngst
berichtet, im Bundestag habe sich das Klima deutlich verändert,
Mitarbeiterinnen des Parlaments und der Fraktionen fühlten sich bedroht
oder behelligt. Kommt so etwas auch auf den Gängen des Berliner
Abgeordnetenhauses vor?
Solche Hinweise habe ich nicht.
Manche sagen, Berlin sei mit der hiesigen AfD-Fraktion noch verhältnismäßig
gut dran im Vergleich zu den Höckes und Poggenburgs in anderen Landtagen.
Sehen Sie das vom Präsidentenstuhl auch so?
Die hiesige AfD-Fraktion unterscheidet sich schon deutlich von den
AfD-Fraktionen in anderen Landtagen, etwa in Thüringen oder Sachsen-Anhalt.
Das hat auch etwas mit der Fraktionsführung zu tun. Herr Pazderski als
Vorsitzender und der parlamentarische Geschäftsführer versuchen, bestimmte
Sachen nicht zuzulassen. Der Ausschluss von Herrn Wild aus der AfD-Fraktion
sagt ja auch etwas aus.
Im Bundestag hat der frühere Präsident Norbert Lammert (CDU) beklagt, die
Regierung beteilige das Parlament nicht in dem vorgeschriebenen Maße, und
mahnte Rechte des Hauses an. Müssen Sie Ähnliches über den Senat sagen?
Im Einzelfall gibt es immer wieder kleinere Konflikte, etwa wie ausführlich
der Senat auf eine Anfrage von Abgeordneten antworten muss. Aber im
Verhältnis zu dem, was wir auf der Bundesebene haben, in deutlich kleinerem
Maße. Wir haben ja auch das Instrument der Ministerbefragung: In jeder
Plenarsitzung können Abgeordnete jedes Senatsmitglied befragen. Dafür haben
wir die Fragestunde.
Was leider Abgeordnete der regierenden Parteien nutzen, ihren Senatoren mit
einer abgesprochenen Frage Gelegenheit zur Eigendarstellung zu geben.
Das gehört mit dazu, da müssen wir uns nichts vormachen. Grundsätzlich ist
es so, dass gar nicht alle Parlamente die Direktbefragung kennen. Bei uns
hat ja auch, das ist alte Berliner Tradition, jede Fraktion dieselbe
Redezeit. Beides stärkt die Rechte der Opposition.
Wie handhaben das denn andere Parlamente?
In anderen Landtagen, aber vor allem im Bundestag, wird die Redezeit nach
Größe der Fraktion zugewiesen. Das hieß im Bundestag in der vergangenen
Wahlperiode mit der damals noch wirklich Großen Koalition, dass die
Opposition viel weniger zu Wort kam.
Was nicht von Respekt gegenüber dem Parlament zeugt, ist, dass die
Regierungsbank zeitweise wie verwaist ist. Als es jüngst mal um den BER und
Tegel ging, waren weder der zuständige Finanzsenator noch der
Regierungschef im Saal und mussten erst herangerufen werden.
Das ist etwas, was wir ja immer kritisieren. Es ist schon so, das
Senatsmitglieder, um deren Zuständigkeit es geht, anwesend sein müssen.
Aber in dem von Ihnen geschilderten Fall kamen beide dann ja schnell
zurück. Es ist auch nicht immer böser Wille oder eine Missachtung des
Parlaments.
Die Ausstattung der Abgeordneten, vor allem mit Mitarbeitern, ist zwar
durch die jüngste Parlamentsreform besser geworden – aber im Vergleich zu
Bundestagsabgeordneten weiterhin kärglich. Kommt da noch mehr?
Ich kenne eine solche Debatte nicht. Ich glaube, dass wir im Vergleich zu
anderen Landtagen – und das ist ja die Bezugsgröße, nicht der Bundestag –
gar nicht so schlecht dastehen.
Die Kontrolle der Regierung passiert in Berlin ja im Nebenjob – das
Abgeordnetenhaus ist offiziell ein Teilzeitparlament, dessen Mitglieder
noch einem anderen Beruf nachgehen. Was aber für viele kaum machbar ist.
Das ist eine echte Lebenslüge. Ein andere Tätigkeit mit dem
Abgeordnetenmandat zu verbinden, das ist doch fast nur Freiberuflern
möglich …
… es gibt ja auch viele Anwälte im Parlament.
Aber andere haben ein Problem, wenn sie beispielsweise neben allen anderen
Sitzungen und Aufgaben pro Monat zwei ganze Frei-Tage für eine
Untersuchungsausschusssitzung nehmen müssen. Der Mitarbeiter in einem
Bundesministerium bekommt das vielleicht in Teilzeit noch hin, nicht aber
die Bankangestellte oder der Stationsarzt.
Und warum ändert sich daran nichts? Es schränkt ja merklich auch die Gruppe
derer ein, die überhaupt daran denken können, ein Parlamentsmandat
anzustreben.
Weil man im Parlament eine Zweidrittelmehrheit bräuchte, um die Verfassung
zu ändern, damit Berlin ein Vollzeitparlament bekommt.
Haben da welche Angst um ihr eigenes Mandat, weil ein Vollzeitparlament
kleiner sein würde?
Darum ist es ja eine gute Idee, dass Wolfgang Schäuble als
Parlamentspräsident im Bundestag, wo man ja auch über eine Verkleinerung
nachdenkt, angeregt hat, dass eine Änderung erst für die übernächste
Wahlperiode gelten soll.
Was wäre denn aus Ihrer Sicht die angemessene Größe eines Berliner
Vollzeitparlaments, das jetzt 160 Mitglieder hat?
Laut Verfassung sind es 130 Sitze, die Differenz zu 160 Mandaten ergibt
sich durch Überhangmandate, um das Wahlergebnis richtig abzubilden. Für
das Vollzeitparlament sollte das Abgeordnetenhaus um die 100 Sitze haben.
Auf diesen Sitzen nehmen fast nur noch Akademiker Platz – auch wenn gerade
die beiden obersten Repräsentanten Berlins, Sie und Regierungschef Müller,
als gelernter Speditionskaufmann und Drucker, da eine Ausnahme bilden.
Sehen Sie darin ein Problem?
Klar waren früher bei der SPD mehr Gewerkschafter und Nicht-akademiker in
der Fraktion. Aber der Fabrik- oder Schichtarbeiter, der war selten im
Parlament – da darf man sich nichts vormachen, das ist Romantik.
9 May 2018
## AUTOREN
Stefan Alberti
## TAGS
Schwerpunkt AfD in Berlin
Abgeordnetenhaus
Abgeordnetenhaus
Diäten
Schwerpunkt AfD in Berlin
Lesestück Interview
Schwerpunkt AfD in Berlin
Schwerpunkt AfD in Berlin
Schwerpunkt Angela Merkel
Lesestück Recherche und Reportage
Deutsche Wohnen
Extremismusklausel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Berliner Landesparlament: Haus der Geschichte
Vor 30 Jahren zog das Abgeordnetenhaus aus dem Rathaus Schöneberg nach
Mitte. Der neue Sitz des Parlaments hat eine sehr wechselvolle
Vergangenheit.
Parlamentsreform: Demokratie hat ihren Preis
Im Abgeordnetenhaus traut sichR2G mit CDU und FDP endlich den überfälligen
Abschied vom Teilzeitparlament inklusive künftig besserer Bezahlung.
Rechtspopulisten vor Gericht: AfD in schlechter Verfassung
Ein Tag, zwei Verhandlungen mit der AfD vor dem Berliner
Verfassungsgerichtshof. Einmal gegen ein Mitglied, einmal gegen den
Justizsenator.
Günter Bannas über Politikjournalismus: „Ich kam mir wie ein Beichtvater vo…
Bannas war vierzig Jahre Parlamentskorrespondent der FAZ. Ein Gespräch über
Freundschaft, Machtkämpfe und Auslandsreisen mit Kanzlern.
Kommentar Umgang mit der AfD: Der Normalisierung widerstehen
Zivilgesellschaftliche Organisationen wehren sich gegen Stigmatisierung
durch die AfD. Dabei dürfen sie nicht alleine bleiben.
Vereine gegen die AfD: Sich nicht mürbe machen lassen
50 Initiativen und Vereine richten sich in einer gemeinsamen Erklärung
gegen Diffamierungsversuche vonseiten der AfD.
Kommentar Befragung der Kanzlerin: So wird das nix, Opposition
Erstmals musste sich Kanzlerin Angela Merkel den Fragen der Abgeordneten
stellen. Die Fragen der Opposition waren allerdings zu unpräzise.
Zwischenbilanz AfD im Bundestag: Was machen die hier?
Seit sechs Monaten ist die AfD im Bundestag. Populisten,
Nationalkonservative und Rechtsradikale verändern das Parlament – und
umgekehrt.
Bewohnerin der Otto-Suhr-Siedlung: „Es ist anonymer geworden“
Manuela Besteck wohnt an einem der ärmsten Orte in Berlin – wegziehen will
sie trotzdem nicht. Gegen die drohende Verdrängung organisieren sich die
Mieter.
Engagement gegen Rechts: Mit der Extremismuskeule
Das Bündnis Neukölln engagiert sich seit Jahren gegen Rechts. Nun wurde ihm
ein Preisgeld gestrichen. Daran gibt es scharfe Kritik – außer von CDU und
AfD.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.