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# taz.de -- Kampagne Deutsche Wohnen enteignen: Denn die Häuser gehören uns
> Eine Kampagne fordert, den größten Immobilienkonzern Berlins zu
> enteignen. Öffentlichen Aktionen soll ein Volksentscheid folgen.
Bild: Klare Ansage bereits auf der Mietendemo am 14. April
Berlin taz | „So eine Kampagne kann man nicht überall machen. Aber in
Berlin, zu dieser Zeit und zu diesem Unternehmen geht das“, sagt Rouzbeh
Taheri überzeugt. Soeben hat der erfahrene Mietenaktivist eine Initiative
vorgestellt, die es so in der Bundesrepublik noch nicht gegeben hat.
„Spekulation bekämpfen. Deutsche Wohnen & Co. enteignen“, heißt sie – u…
ist genauso gemeint. Das Ziel der Initiatoren ist es, die etwa 110.000
Wohnungen des größten privaten Immobilienkonzerns der Stadt wieder in die
öffentliche Hand zu bekommen – auch gegen den Willen des Unternehmens.
Der öffentliche Startschuss für die Kampagne fiel am Donnerstagvormittag
auf einer Pressekonferenz im Haus der Demokratie und Menschenrechte in der
Greifswalder Straße. „Wohnraumverknappung, Bauskandale, der geplante Abriss
Kreuzbergs – all das hätten Berlins MieterInnen in den vergangenen
Jahrzehnten „mit Gelassenheit und Humor ertragen, aber jetzt stehen sie mit
dem Rücken zur Wand“, sagt der linke Aktivist Michael Prütz zu Beginn. Es
sei daher an der Zeit, „sich nicht mehr mit Korrekturmaßnahmen zu
begnügen“.
Den großen Angriff auf das Kapital startet ein Bündnis aus
Mieterinitiativen wie Kotti & Co, MieterInnen der Deutsche Wohnen, etwa aus
der Kreuzberger [1][Otto-Suhr-Siedlung], politischen Gruppen wie der
Interventionistischen Linken und Mitgliedern aus Linke und Grünen. Es ist
ein kleiner Kreis im Vergleich zur [2][Mietenwahnsinn-Demo] zwei Wochen
zuvor, doch die Verbindungen in der Szene sind eng. Möglich ist also, dass
die Kampagne in der nächsten Zeit das bestimmende übergeordnete Thema sein
wird, neben all den lokalen Auseinandersetzungen von bedrohten
Hausgemeinschaften und Kiez-Initiativen überall in der Stadt.
Kampagnensprecher Rouzbeh Taheri hat schon einmal die Politik vor sich
hergetrieben: Mit dem [3][Mietenvolksentscheid] 2015 wollte er ein Gesetz
für eine soziale Wohnungspolitik und bezahlbare Mieten erzwingen. Die
Politik übernahm große Teile davon, bevor es zum Entscheid gekommen wäre.
Doch das Problem einer immer teurer werdenden Stadt hat sich seitdem weiter
verschärft.
Jetzt soll das Mittel der Wahl wieder ein Volksentscheid sein. Die
Erarbeitung von Eckpunkten für ein solches Enteignungsgesetz ist im Gang.
Der Senat soll ein Gesetz ausarbeiten, das die Bestände des größten
privaten Vermieters im Sinne des Gemeinwohls enteignet und entsprechende
Entschädigungsregelungen trifft.
Taheri schätzt deren Höhe auf sechs bis sieben Milliarden Euro, die zum
überwiegenden Teil kreditfinanziert sein könnten. Juristen halten diesen
Plan für umsetzbar, sagt Taheri. So schreibe die Berliner Verfassung „das
Recht auf angemessenen Wohnraum“ fest, das Grundgesetz ermögliche
„Enteignungen zum Wohle der Allgemeineinheit“.
## Schimmeplpreis und Aktionärsversammlung
Bevor die Aktivisten aber mit Klemmbrettern und Unterschriftenlisten auf
die Straßen gehen, soll eine klassische Kampagne gefahren werden: Mit
Aktionen wie der Übergabe eines „Schimmel-Preises“ oder der Organisierung
kritischer Aktionäre zur nächsten DeutscheWohnen-Aktionärsversammlung im
Juni. Taheri möchte eine „Debatte mit der Stadtgesellschaft“ führen, die …
für die radikale Forderung gewinnen will. Nele Kahlau, eine Mieterin der
Deutsche Wohnen in Weißensee, sagte auf der Pressekonferenz, die Initiative
ziele auch darauf, dass Betroffene sich noch stärker vernetzen als bisher.
Viel Überzeugungsarbeit muss dabei wohl nicht geleistet werden. „Die
Geschäftsstrategie der Deutsche Wohnen ist auf Spekulation und enorme
Steigerung der Mieteinnahmen begründet. Diese Steigerung kann neben
normalen Mieterhöhungen nur durch Zerschießen des Mietspiegels und
Vertreibungsmodernisierungen zustande kommen“, sagt Taheri.
Schon im vergangenen Jahr kam eine [4][Studie des
Wirtschaftswissenschaftlers Heinz-Josef Bontrup] zu dem Schluss, das
Unternehmen setze auf systematische Mieterhöhungen, oft über dem erlaubten
Niveau des Mietspiegels, auf Desinvestment und teure Modernisierungen. Oder
wie Katrin Schmidberger, wohnungspolitische Sprecherin der Grünen, sagt:
„Das Verhalten der Deutschen Wohnen ist schon seit Jahren ein Affront
gegenüber der Mieterstadt Berlin.“
Über die Kampagne sagt Schmidberger, sie sei ein Vorstoß für eine „dringend
nötige und stadtweite Debatte“, die daran erinnere, „dass Eigentum
verpflichtet und der Allgemeinheit dienen soll“. Nötig seien dafür jedoch
politische Veränderungen auf Bundesebene. Ihre Linksfraktions-Kollegin,
Katalin Gennburg, äußert sich ähnlich: „Gäbe es auf Bundesebene ein
Mietrecht, das MieterInnen schützt, würde heute wohl niemand die Enteignung
von Wohnungskonzernen fordern.“ Weiter sagte sie der taz: „Ich begrüße die
Initiative, denn es gilt die Angst der Mieterinnen und Mieter den
Spekulanten zurückzugeben.“
Die Deutsche Wohnen äußerte sich auf Anfrage der taz nicht zu der Kampagne,
die weiter am Image des Konzerns kratzen wird. Taheri erwähnt die
bilanziellen Tricks des Konzerns, der seine Häuser von Jahr zu Jahr höher
bewertet und nur deshalb Gewinn erwirtschaftet.
Mit ihrer Strategie ist die Deutsche Wohnen allerdings nicht alleine.
Taheri stellt klar, dass Unternehmen wie Vonovia, Ado oder Akelius ebenso
gemeint sind und auch bei ihnen „eine Änderung der Eigentumsverhältnisse“
angestrebt wird. Er fordert eine „Vergrämungsstrategie gegenüber den
Finanzinvestoren“ und hofft auf einen Dominoeffekt, der auch auf den
Plakaten der Kampagne angedeutet wird: „Wenn die Deutsche Wohnen kippt,
kippen auch andere.“
26 Apr 2018
## LINKS
[1] /Bewohnerin-der-Otto-Suhr-Siedlung/!5492924/
[2] /Bewohnerin-der-Otto-Suhr-Siedlung/!5492924/
[3] /Kommentar-zum-Mietenvolksbegehren/!5273912/
[4] /!5396343/
## AUTOREN
Erik Peter
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