# taz.de -- Denk mal nach am Hauptbahnhof: Freiheit, die ich meine | |
> 15 Künstler dürfen den Schriftzug #FreiheitBerlin gestalten, Michael | |
> Müller findet die richtigen Worte. Aber braucht Berlin diesen Markenkern? | |
Bild: Lustig! Michael Müller freut sich über den freiheitlichen Markenkern se… | |
So, jetzt ist es also so weit. 15 Jahre nachdem Klaus Wowereit seinen viel | |
zitierten Satz fallen ließ, Berlin sei arm, aber sexy, hat die Stadt einen | |
neuen Markenkern. Am Freitagvormittag steht Berlins heutiger Regierender | |
Michael Müller (SPD) auf dem Washingtonplatz und sagt: „Es lohnt sich, | |
jeden Tag dafür zu kämpfen.“ | |
Hinter ihm stehen 14 bunt bemalte und etwa zwei Meter hohe Buchstaben plus | |
Hashtag: #FreiheitBerlin. Etwa 100 Journalisten und Schaulustige haben sich | |
davor versammelt und auch ein paar der Künstler, die unter 800 Bewerbern | |
dazu auserkoren wurden, die Buchstaben zu gestalten. | |
Hinter dem Denkmal, das bis zum 18. Juni vorm Hauptbahnhof zu bewundern | |
sein wird, steckt eine Kampagne der Hauptstadt-Marketing GmbH, die im | |
Auftrag des Landes handelt. „Die Stadt hat sich als Marke etabliert – sei | |
es als wachsender Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort, als | |
Kreativmetropole oder eben als ‚Stadt der Freiheit‘“, heißt es in der | |
Pressemitteilung. | |
Es sind renommierte Künstler, welche die Buchstaben auf wirklich | |
ansprechende Weise dekoriert haben: Die Künstlergruppe Klebebande etwa hat | |
in Schwarz-Weiß nachgestellt, wie unterschiedliche Lebensarten sich in | |
dieser Stadt „in jede erdenkliche Richtung ihren Weg bahnen“, heißt es auf | |
dem Täfelchen unterm Buchstaben. Die Dixons zeigen ein riesiges Stück rohes | |
Fleisch, die Maserung stellt die Berliner Bezirke nach. Und die | |
Graffitimaler AKTEone und Cren haben ein Loch gemalt, um daran zu erinnern, | |
dass in diesem Jahr die Berliner Mauer genau so lang weg ist, wie sie | |
stand. | |
## Er hat ja so recht | |
Ein Journalist mit Kamera summt grinsend die erste Strophe des berühmten | |
Volkslieds: „Freiheit, die ich meine, die mein Herz erfüllt.“ Er hat ja so | |
recht. Denn die Frage, welche Freiheit gemeint ist, stellt sich tatsächlich | |
recht vehement bei dieser Veranstaltung. Einfach ist es, wenn es um die | |
Freiheit nach dem Mauerfall geht – eine Freiheit, die, wie Müller ganz | |
richtig sagt, besonders in Zeiten von Abschottung und Abgrenzung „nicht so | |
selbstverständlich ist“. | |
Etwas verzwackter wird es, wenn man den Freiheitsbegriff auch nur minimal | |
weiter fasst. Es geht schon los bei Graffitikünstlern wie AKTEone, die um | |
Anerkennung kämpfen. Berlin fährt seit Jahrzehnten eine | |
Null-Toleranz-Strategie gegenüber Writern, im bundesweiten Vergleich ist | |
Berlin auch beim Thema legale Wände Schlusslicht. | |
Noch komplexer wird es, wenn man den Begriff ganz aufreißt und als | |
Möglichkeit versteht, ohne Zwang zwischen unterschiedlichen Möglichkeiten | |
auswählen zu können. Denn die Möglichkeiten in dieser Stadt werden bei | |
wachsendem ökonomischem Druck und Mietenwahnsinn gelinde gesagt | |
überschaubar. Insofern ist es wirklich wumpe, ob sich die Berliner mit | |
„Arm, aber sexy“ abspeisen lassen müssen – oder mit „#FreiheitBerlin�… | |
11 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Susanne Messmer | |
## TAGS | |
Michael Müller | |
Wowereit | |
Kreativwirtschaft | |
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin | |
Graffiti | |
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