# taz.de -- Nachruf auf „Panel“-Herausgeber: Der Mann, der die Comics liebte | |
> Bert Dahlmann ist tot: Der Bremer war die Seele und das Herz des | |
> Comic-Magazins „Panel“, Verleger sensationeller Alben und Entdecker | |
> großer Erzähler*innen. | |
Bild: Abschied von einem, der Freund war und Verleger | |
Manches lässt sich mit Bildern einfach besser sagen als mit Text. Vor allem | |
traurige Sachen. Rautie, einer der produktivsten und bekanntesten Künstler | |
der Independent-Comicszene hat Bert Dahlmann gezeichnet, und zwar mit | |
Heiligenschein und auf einer Wolke, und statt einer Harfe oder einer Lyra, | |
die ein Putto zwangsläufig hielte, hat er ihm ein mehrfach kadriertes Blatt | |
in die Hand gedrückt: vier kleinen Quadrate oben, plus – splash! – ein | |
doppelt so großes Panel im Seitenkeller, also richtig mit eigenen Rhythmus | |
und Dramaturgie, so, wie ein guter Strip funktioniert. | |
Und damit ist auch das Wesentliche mitgeteilt, mit einem Lächeln – obwohl | |
es an Tristesse kaum zu überbieten ist, dass es immer die Falschen erwischt | |
und die besten zuerst: Bert Dahlmann ist tot. Und auch, wer gar nichts | |
weiß, ahnt dank des Bildes: Der am 18. November 1963 geborene Bremer hatte | |
viel mit Comics zu tun. Und er hatte ein engelsgleiches Händchen für dieses | |
faszinierende Bi-Medium, dessen Textbildalchemie alles – Zeit, Raum, Welt | |
und Logik – neu zu ordnen vermag. | |
## In der Szene kennen ihn nicht alle | |
Dahlmann ist sogar in der Szene nicht allen bekannt. Er ist weder Zeichner | |
noch Autor gewesen. Und trotzdem war er seit Ende der 1980er-Jahre eine | |
wichtige Figur für die Entwicklung des Comics in Deutschland. Damals wurde | |
der Comic hier noch mehr verachtet als heute – obwohl die „Neunte Kunst“ | |
noch immer sehr weit davon entfernt ist, als kulturelles Erbe hochgehalten, | |
gepflegt und verehrt zu werden wie in den USA, Frankreich, Benelux oder | |
Japan. Das Rätsel, woran das liegt, mochte Dahlmann nicht lösen. Ihm ging | |
es eher darum, das Ärgernis, dass es so ist, zu beseitigen. Mit der Edition | |
Panel und dem Bremer Indie-Comic Fanzine Panel. | |
„Der Auslöser für mich war, als ich 1988 erstmals beim Comic-Salon in | |
Erlangen war“, hat Dahlmann [1][der taz die Anfänge mal geschildert]. „Die | |
großen Verlage erzählten da: Deutsche Zeichner gibt’s ja nicht, sie würden | |
diese ja drucken, es müsste bloß ein Forum geben und was nicht alles. Und | |
ich dachte: Klasse, die suchen uns. Wir müssen bloß anfangen, in zwei | |
Jahren ist das Heft etabliert, die übernehmen unsere Zeichner, und wir | |
können uns zurückziehen.“ | |
Zusammen mit Stefan Ernsting und Andreas Keiser, der damals einer der | |
jungen Zeichner war, die es nicht gab, rief er das Panel ins Leben, | |
Untertitel in bester Punk-Schreibung: ambixious comix. Außerdem aber, | |
völliges Novum, gründete er mit seinen Mitstreiter*innen in Bremen einen | |
Comic-Kunstverein und ließen ihn im Register eingetragen – gegen erhebliche | |
Widerstände: Dahlmann musste dem Amtmann lang und breit, in großen Zügen | |
und in kleinen Details darlegen, warum der Comic eine eigene Kunstform und | |
seine Förderung von gesellschaftlichem Nutzen ist. Er habe einfach geredet, | |
bis die Zuständigen nicht mehr zuhören konnten, hat er mal erzählt. Und es | |
gibt keinen Grund, daran zu zweifeln, dass sich das genau so zugetragen | |
hat. | |
## Europaweit bekanntes Heft | |
Binnen weniger als zehn Jahren war das Heft in der Szene europaweit ein | |
Begriff: Als erstes nicht-frankophones Fachblatt überhaupt bekam Panel 1999 | |
den großen Preis des Festival d’Angoulême, der bedeutendsten Comicmesse des | |
Kontinents. Und auch beim Salon in Erlangen holten die Hefte sich ihre | |
Preise ab, der Interessensverband Comic (Icom) belobigte, wenn nicht gleich | |
die ganze Ausgabe, dann doch wenigstens Einzelbeiträge. | |
Bloß mit dem Zurückziehen, hat es nicht geklappt. Im Gegenteil: Es entstand | |
die Edition Panel, der eigene Verlag, reserviert für besondere Alben, wie | |
Christian Mosers verrückte Kurzgeschichten-Sammlung „Was bisher geschah“ | |
oder Elke Steiners Graphic Novel „Rendsburg, Prinzessinnenstraße“, die die | |
Geschichte der jüdischen Gemeinde Holsteins packend, einfühlsam und | |
historisch präzise erzählt. Die Gründung des Verlags sei, so Dahlmann | |
vergangenen Herbst im Interview mit Tinnitussi, „so was wie Notwehr“ | |
gewesen. | |
Hintergrund: Entgegen ihrer Ankündigung hatten die etablierten | |
Comic-Verlage dann doch nicht den Mut gehabt, die Autor*innen | |
herauszubringen, die in Panel ihre erzählerisch-grafische Klasse längst | |
bewiesen hatten. Also wurde kurzerhand das Icom-Preisgeld von 1998 völlig | |
unpunkig investiert, statt es zu versaufen – um die Druckkosten von Ulf K.s | |
Erstling „Der Mondgucker“ zu bestreiten. Es wurde ein Riesenerfolg: Dass | |
der Autor 2004, fünf Jahre später, den Max-und-Moritz-Preis als bester | |
deutscher Comicautor erhielt, verdankt er vor allem diesem Debüt. | |
Ulf K. würde man auf Anhieb eher nicht ins Underground-Umfeld sortieren. | |
Aber genau das war das Prinzip: Dahlmann – und mit ihm Panel – | |
interessierte sich für die ganze Bandbreite grafischen Erzählens, vom Funny | |
bis zur Grafic Novel – sofern es ambixious genug war, Kunstwollen zu | |
spüren. Und die Autor*innen konnten sicher sein, dass ihre Arbeiten hier | |
unabhängig vom Genre akribisch bearbeitet wurden – im Wesentlichen von | |
Bert Dahlmann, der selbst nie zeichnete: eine gute Voraussetzung, um mit | |
Zeichner*innen sorgsam umzugehen. Und erst recht mit Zeichnungen. | |
Mit Panel sorgte er für Einblicke in neue Wege grafischen Erzählens: Die | |
Hefte brachten Strips und Vorab-Auszüge von den Autor*innen des eigenen | |
Umfelds – und jedes Heft stellte mindestens ein Talent vor. Manche, nein, | |
unglaublich viele von ihnen sind heute gefeierte Comic-Größen. Bloß blieb – | |
nachvollziehbarerweise – bei vielen dabei der Elan fürs gute alte Fanzine | |
auf der Strecke. Ab der Jahrhundertwende erschien Panel eher sporadisch, | |
wenn es gerade reichte: Es sei „immer noch ein Hobby, welches von unserem | |
Engagement lebt und an unseren Kräften zehrt“, hat Dahlmann in der letzten | |
gedruckten Ausgabe geschrieben, „sich finanziell aber allenfalls für den | |
Drucker rechnet.“ Das war 2007. | |
Er war schon lange krank gewesen. Anfang des Jahres aber hatte er begonnen, | |
endlich wieder eine neue Panel-Ausgabe in Angriff zu nehmen, hatte viele | |
Comic-Künstler*innen kontaktiert, Zeichnungen akquiriert. „Was bereits da | |
ist“, sagt Rautie, der in die Planungen am weitesten involviert war, | |
„wissen wir nicht: Das ist alles in Berts Postfach – und an das kommt noch | |
keiner ran.“ | |
## Manchmal gab es nur die Arbeit | |
Gestorben ist Dahlmann Anfang April. Wann genau, das ist unklar. Am 2. | |
April war er zuletzt gesehen worden. Fünf Tage später hat man ihn in seiner | |
Wohnung tot aufgefunden. Oberflächlich besehen hört sich das an wie ein | |
Fall kompletter Vereinsamung. Aber ich glaube nicht, dass Bert Dahlmann | |
einsam war, denn er war zusammen mit den Zeichnungen, die er liebte: In dem | |
Leben dieses Comic-Nerds – „Ich kenne niemanden, der so sehr für Comic | |
gelebt hat, wie Bert“, sagt sein Freund und Weggefährte seit Panel 1, der | |
Bremer Christian Vähling alias Der Jähling – gab es Phasen, in denen er | |
sich einfach in die Arbeit vertiefte. Dann spürte er in Zeichnungen, die | |
ihm zur Publikation anvertraut waren, Ungenauigkeiten im Ein-Pixel-Bereich | |
auf und merzte Fehler aus, die fürs menschliche Auge ohne Hilfsmittel | |
unsichtbar waren. | |
„Wenn sie da sind“, hat er mal erklärt, „spürt man sie, auch wenn man s… | |
nicht erkennt.“ Wenn sie nicht mehr da sind, spüren die Leser*innen | |
stattdessen vielleicht die Hand eines Redakteurs, der an die Kunst der | |
Autor*innen mehr geglaubt hat, als diese selbst. Und sie zum Strahlen | |
gebracht hat. | |
17 Apr 2018 | |
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## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
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