# taz.de -- "Panel"-Herausgeber Bert Dahlmann: "Comic muss nicht komisch sein" | |
> Text oder Bild? Bert Dahlmann zeichnet nicht. Aber mit Comics hat der | |
> Bremer lesen gelernt. Mit dem europaweit gefeierten Independent-Magazin | |
> "Panel" kämpft er seit guten 20 Jahren für die Anerkennung der neunten | |
> Kunst. | |
Bild: Der Teufel mit Kaktus ist Teil von "Was bisher geschah..", dem bislang ei… | |
taz: Herr Dahlmann, jetzt mache ich das Band mal an, okay? | |
Bert Dahlmann: Natürlich! | |
Dass Comics nicht mehr so verpönt sind, wie vor 20 Jahren… | |
…würde ich so nicht sagen. | |
Ach?! | |
Nein. Die Ansicht: Comics taugen nichts, außer Asterix, ist noch sehr | |
verbreitet - obwohl längst das Umgekehrte gilt. | |
…das ist echt nicht passé? | |
Das ist auch eine Generationsfrage. Aber die Widerstände halten sich: Als | |
wir unseren Kunstverein angemeldet haben, hat es anderthalb Jahre gedauert, | |
bis wir als gemeinnützig anerkannt wurden. Weil: Wir machen ja Comics. Bei | |
jeder Randsportart ist das in ein paar Wochen erledigt. | |
Wenigstens gilt Comic nicht mehr als reines Kindermedium. Ist das für Panel | |
günstig? | |
Durchaus: Seit etwa zehn Jahren machen wir eigentlich - das klingt ziemlich | |
bescheuert - Comix für Erwachsene, also im Sinne von: Kinder können damit | |
nicht allzu viel anfangen, nicht: irgendwelcher Schweinkram. Wobei immer | |
ein paar Sachen im Heft sind, die sich gut für Kinder eignen. Nur | |
bestreiten wir damit keine ganze Ausgabe. | |
Aber Alben: "Der Mondgucker" von Ulf K. lässt sich doch prima als | |
Kinderbuch lesen? | |
"Heinz und Pifie" von Rautie sogar noch besser. | |
Heinz und Pifie? | |
Die Geschichte ist skurril: Da ist ein Legastheniker, der sucht einen | |
Mitbewohner. Es meldet sich ein elend langer Wurm, beide verstehen sich auf | |
Anhieb und wollen zusammen essen. Was? Pinguin-Ragout natürlich! Wo gibts | |
Pinguine? Nur noch auf dem Mond. Also machen sie sich mit dem Sandmann auf | |
den Weg dorthin. Und das ist erst der Anfang der Geschichte… | |
Sie haben nie selbst gezeichnet. | |
Nie stimmt nicht ganz: Als Kind habe ich häufig gestrichelt. Aber das | |
klassische Bedürfnis, Lehrer zu karikieren, hatte ich nicht… | |
… nur das, ein Comic-Magazin zu gründen: Wie kommts? | |
Ich habe mit Comics lesen gelernt. Erst wurden mir immer Bücher in die Hand | |
gedrückt. Die fand ich völlig reizlos. Meine Großmutter fing dann an, mir | |
jede Woche ein Comic-Heft zu schenken, "Fix & Foxi" und so. Die habe ich | |
mir natürlich angeguckt, das meiste habe ich auch verstanden. Aber eben | |
nicht, was in den Sprechblasen stand. Dadurch kam der Wille, zu lesen. | |
Von "Fix & Foxi" zum Independent-Comic-Verlag? | |
Ein wenig Zeit ist da schon vergangen. | |
Ja? | |
Ein paar Freunde haben mir gezeigt: Es gibt noch mehr als Micky Maus. Gute | |
Unterhaltung ist möglich, das kann sozialkritisch sein, Comics können eine | |
literarische Ebene enthalten. Das waren Augenöffner … | |
Konkret? | |
André Franquin,… | |
…die "Idées Noires"? | |
Natürlich, die "Schwarzen Gedanken" sind gesellschaftspolitisch, sehr böse, | |
sehr bissig - genial! Was Unterhaltung angeht, war es aber "Das Nest im | |
Urwald": Da dachte ich, aha, du kannst so eine Sielmann/Grzimek-Reportage | |
im Comic umsetzen - und dabei gleichzeitig auf die Schippe nehmen. | |
Außerdem: Das Marsupilami ist einfach cool. Ganz wichtig war dann Coseys | |
"Auf der Suche nach Peter Pan": Damit habe ich entdeckt, dass Comics auch | |
poetisch, fantasievoll und anrührend sein können. Das war für mich | |
entscheidend. | |
Dadurch kam es zu Panel? | |
Im Laufe der Zeit wollte sich eine Gruppe von etwa 15 Leuten dem Thema | |
widmen. Daraus entstand die Idee für ein Magazin. | |
Einfach so? | |
Der Auslöser für mich war, als ich 1988 erstmals beim Comic-Salon in | |
Erlangen war. Die großen Verlage erzählten da: Deutsche Zeichner gibts ja | |
nicht, sie würden diese ja drucken, es müsste bloß ein Forum geben und was | |
nicht alles. Und ich dachte: Klasse, die suchen uns. Wir müssen bloß | |
anfangen, in zwei Jahren ist das Heft etabliert, die übernehmen unsere | |
Zeichner, und wir können uns zurückziehen. | |
20 Jahre und 27 Ausgaben später: War denn das inhaltliche Konzept | |
erfolgreicher? | |
Moment mal: Es gibt nicht ein Heft, wo wir nicht auch neue Leute | |
vorgestellt hätten. Und etliche von unseren Zeichnern haben den Durchbruch | |
geschafft. Die Liste ist mittlerweile ziemlich lang und einige sind nicht | |
nur national sehr erfolgreich: Elke Steiner, Christian Moser, Markus | |
Grolik, Nic Klein, Kat Menschik …- selbst die mehrere Dutzend Namen auf | |
unserem letztjährigen Flyer sind ja nur ein kleiner Auszug. Wir konnten sie | |
nur fördern, doch immerhin haben wir sie entdeckt. Das war, wofür wir | |
angefangen haben - und was leider nicht mehr ganz so einfach geht. | |
Warum das denn? | |
Von uns aus: Uns tut das weh. | |
Es gibt keine Talente mehr? | |
Doch. Aber man wird ungerechter: Vieles von dem, was wir heute ablehnen, | |
hätten wir vor zehn Jahren genommen. Auch deshalb haben wir die Strips nach | |
acht Jahren Pause wieder eingeführt und auf unserer Website die | |
"Entenstraße" erfunden. Ein virtueller Comic. Der ist offen für neue | |
Talente, da lässt sich etwas ausprobieren. | |
Verfolgt Panel eine Linie? | |
Vor allem wollten wir es uns nicht leicht machen. | |
Das heißt? | |
Am besten verkauften sich früher die underground-punkigen Ausgaben. Eine, | |
die komplett so aussah, verkaufte sich wie Hölle. Hätten wir so weiter | |
gemacht, wären wir wohl bei ganz anderen Auflagen. Wir haben uns das Heft | |
angeschaut und gesagt: Klasse Ausgabe, würden wir jederzeit wieder machen - | |
aber: nicht jederzeit immer wieder. | |
Ein bewusster Verzicht auf größere Auflagen? | |
Nein, wir haben oft genug zusammen gesessen und uns gefragt: Wie werden wir | |
populärer? | |
Und nie: Hören wir jetzt auf? | |
Von wegen! Wir waren sogar mal ganz kurz davor: Wir hatten einen Riesenberg | |
Schulden - und keine Ahnung, wie den loswerden: Wir wollten ja Comix | |
machen, nicht Buchhaltung. Aber wir haben uns gesagt: Kaum ein deutsches | |
Indie-Comic-Magazin hat so lange durchgehalten und keins ist dabei so weit | |
gekommen - das dürfen wir nicht einfach aufgeben. Wir müssen es noch einmal | |
versuchen. Dann aber nur mit Sachen, die wir mögen und die uns wirklich | |
interessieren. | |
Und? | |
Sofort stiegen die Verkaufszahlen: Die Leser haben kapiert, dass wir mehr | |
dahinter stehen. Nicht dass wir vorher zu glatt gewesen wären. Aber es gab | |
die Tendenz, das Populärere zu nehmen, und nicht das Schrägere. Seither ist | |
es eher umgedreht - nach dem Motto: Kunst darf auch unterhalten. Aber Comic | |
muss nicht komisch sein. | |
Muss er denn gut gezeichnet sein oder toll getextet? | |
Ob der Text wichtiger ist, oder die Bilder - bei der Frage kannst du dich | |
nur erschießen: Die Graphik muss zur Story passen. Und: Was du erzählst, | |
sollte einen Sinn ergeben. Sonst ist in Panel fast alles möglich. | |
Außer Farbe? | |
Anfangs hieß es, entweder, wir drucken nur ein Cover in Farbe - oder ein | |
ganzes Heft, aber schwarz-weiß. Das war schnell zu entscheiden. Aber daraus | |
ist eine Tugend geworden, weil du in Schwarz-Weiß zeigen musst, dass du | |
etwas kannst. Wobei Panel-Prinzip ist: mehr Schwarz, als Weiß. | |
Wieso? | |
Weiß, das sind Leerflächen, die gefüllt werden müssen. Schwarz ersetzt bei | |
Schwarz-Weiß alle Farben, Dabei ist es relativ schnurz, ob du nun | |
strichelst, mit Graustufen oder Rastern arbeitest - alles ist möglich. Es | |
gab sogar mal eine Phase, da haben alle gepunktet - ich weiß auch nicht, | |
was die dabei für ein Kraut geraucht haben: Das war ja alles Handarbeit. | |
Die redaktionelle Arbeit ist heute aber leichter? | |
Eher im Gegenteil. Einmal ist die Redaktion ziemlich ausgedünnt: Bei den | |
letzten Nummern lag die bei ein bis zwei Leuten. Und wir sehen natürlich | |
mehr als früher - du fängst an, im Pixelbereich Sachen zu ändern… | |
Das sieht doch keiner! | |
Selbst wenn sie es nicht sehen: Die Leute merken, wenn da etwas nicht | |
stimmt. Die Alternative wäre, das den Künstlern zum Überarbeiten zurück zu | |
schicken. Aber dann würden wir wohl nur alle 20 Jahre einmal erscheinen. | |
Einmal im Jahr ist schon selten genug. | |
Eigentlich sollte das Heft dreimal jährlich erscheinen, aber dafür fehlt es | |
an allem - außer Ideen: Davon hätten wir genug. Zum Fünfjährigen hatten wir | |
eine Ausstellung in der Kulturkneipe Lagerhaus mit 14 Tage Live-Programm… | |
…und diesmal: Nichts - bis auf die kryptische 20 im News-Thread? | |
Nein, tschuldigung, eine Ausstellung wird es geben. Wir gehen das gezielt | |
an für kommendes Jahr. | |
Wo? | |
Wissen wir noch nicht! Allerdings macht es keinen Sinn monatelang ne | |
Ausstellung vorzubereiten und dann kommen nur 100 Leute zur Vernissage, zum | |
Sekt trinken. Wir wollen auch Leute erreichen, die sich nicht mit dem Thema | |
beschäftigt haben. Die sind oft positiv überrascht: Ach, das geht auch! | |
Dieser Augenöffner-Effekt, um den gehts. | |
20 Sep 2009 | |
## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
Benno Schirrmeister | |
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