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# taz.de -- Handelskonflikt von USA, EU und China: Schafe im Wolfspelz
> Erstmal kein „Handelskrieg“ für die EU. Gemeinsam mit China fährt sie n…
> die Strategie, Trump zu besänftigen.
Bild: Ein Handelskrieg, kein Handelskrieg, ein Handelskrieg, kein Handelskrieg,…
Berlin/Brüssel/Peking taz | Europa hat eine Verschnaufpause, wenn auch eine
kurze. Seit einigen Wochen treibt US-Präsident Donald Trump die EU und
China vor sich her mit seiner permanenten Drohung mit einem „Handelskrieg“.
Am Freitag hat er seine stolz angekündigte erste Angriffswelle verschoben,
[1][zumindest für die EU] und einige andere Länder, [2][aber nicht für
China].
Eigentlich geht es um ein paar Zölle in Höhe von 10 und 25 Prozent auf
knapp 200 Arten von Stahl und Aluminium, von denen Millionen von Tonnen
jährlich quer über die Weltmeere verschifft werden. Die sollten für die EU
am Freitag in Kraft treten, doch unter der Woche belatscherte erst
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und dann EU-Handelskommissarin
Cecila Malmström in Washington den US-Handelsminister Wilbur Ross. Der gab
nun einen Aufschub bis zum 1. Mai bekannt. Allerdings nur für die EU und
einige andere Staaten. Es ist ein Pause, mehr nicht.
Das Problem an Trumps Vorgehen sind nicht die Zölle an sich. Die gibt es
zuhauf. Die EU etwa erhebt 22 Prozent auf die Einfuhr von Pick-up-Trucks
aus den USA, die USA erheben 25 Prozent auf die aus Europa. Selbst für die
Stahlindustrie wären die unmittelbaren Auswirkung zunächst minimal; aus
Deutschland etwa geht nur ein Bruchteil der Stahl- und Aluminiumproduktion
in die USA.
Der globale Wettbewerb in der Branche aber ist eisenhart. Die Stahlwerke
der Welt können im Jahr 737 Millionen Tonnen mehr Stahl produzieren, als
benötigt wird. Damit ließe sich rund 480-mal eine Eisenbahn um den Erdball
bauen. Die EU hat allein 45 Verfahren am laufen, meist gegen China, bei
denen es darum geht, dass Stahlkocher ihre Produkte vom Staat unterstützt
billig auf den Mark drücken, um Konkurrenten zur Aufgabe zu zwingen. Bei
solchen Verfahren hält sich die EU an über Jahrzehnte im Rahmen der
Welthandelsorganisation erarbeitete Regeln, beispielsweise muss die
Gegenseite eine Chance haben, Dumpingvorwürfe auszuräumen. Diese Regeln
bricht nun der US-Präsident – was das fein ausbalancierte globale
Handelssystem ins Wanken bringen könnte.
## Gemeinsam fahren sie jetzt die Strategie
Natürlich ist der Welthandel nicht gerecht – gerade Entwicklungsländer
klagen regelmäßig darüber, dass die EU Zölle auf verarbeitete
Nahrungsmittel erhebt. Das führt dazu, dass Kaffee hierzulande geröstet
wird und der Gewinn in Deutschland und nicht im globalen Süden anfällt.
Handelsbestimmungen sind immer auch ein Stück weit das Recht des Stärkeren.
Aber das ist ein anderes Thema. Willkürliche Zölle führen zu plötzlichen
Verzerrungen und unkontrollierbaren Effekten: Sollten etwa die USA einen
Zollkrieg mit China beginnen, könnte China seine Waren verstärkt nach
Europa drücken – und die EU zu einer Reaktion provozieren. Schon jetzt
fordern auch Europas Stahlkocher Zölle, sollten die Chinesen Stahl vermehrt
in Europa anbieten.
Es sind solche Kettenreaktionen, die Berlin, Brüssel und Peking fürchten.
Gemeinsam fahren sie jetzt die Strategie, nicht zu eskalieren und Trump
durch Entgegenkommen zu besänftigen. Die Erleichterung über den Aufschub
der Zölle für Europa hielt in Brüssel nur kurz. Dort trafen sich die
Staats- und Regierungschefs am Donnerstag und Freitag zum Gipfel. Kanzlerin
Angela Merkel und ihre KollegInnen kritisierten, dass Donald Trump die EU
nicht dauerhaft von seinen protektionistischen Maßnahmen ausnehmen will.
Offenbar wolle der US-Präsident mit Brüssel verhandeln, „indem er einen
Revolver an unsere Schläfe setzt“, klagte Belgiens Premier Charles Michel.
Dies sei „keine sehr loyale Art“ gegenüber einem langjährigen Partner.
Im Ergebnispapier des Gipfels reagiert die EU ausgesprochen kühl auf die
Neuigkeiten aus Washington; jede Zeile verrät tiefes Misstrauen. Die EU
„bedauert“ die Verhängung von Strafzöllen auf Stahl und Aluminium, heißt
es. Die Ausnahme für europäische Produkte nehme man „zur Kenntnis“. In der
Diplomaten-Sprache gleicht das fast einer Ohrfeige. Die befristete Ausnahme
müsse auf unbegrenzte Zeit verlängert werden, heißt es weiter in dem
Beschluss. Die EU behalte sich Gegenmaßnahmen vor, falls Washington nicht
dauerhaft auf die Zölle verzichten sollte. Trumps offizielle Begründung, es
gehe um die nationale Sicherheit, sei keine angemessene Antwort auf die
weltweiten Überkapazitäten in dem Wirtschaftszweig, so die EU-Chefs.
Doch wie geht es nun weiter? Darüber sagt der Beschlusstext nichts. Die
europäischen RegierungschefInnen stellen sich zwar demonstrativ hinter die
EU-Kommission, die eine Liste mit Gegenmaßnahmen vorbereitet hat. Doch eine
konkrete Drohung mit EU-Zöllen auf US-Produkte wie Jeans, Bourbon oder
Harley-Motorräder fehlt. Stattdessen bekennen sich die 28 zum „Dialog“ in
Handelsfragen und zur transatlantischen Zusammenarbeit bei Sicherheit und
Verteidigung.
## US-Bürger geben viel Geld für ihre Produkte aus
Das sind eigentlich nichts als die üblichen Floskeln. Die EU-Staaten stehen
vor dem Problem, dass die Zeit bis zum 1. Mai nicht ausreicht, um mit den
Amerikanern einen Deal zu erreichen. In Brüssel ist unklar, was man der
US-Regierung überhaupt anbieten will. Zölle auf amerikanische Fahrzeuge
senken? Wäre schlecht für die Deutschen. Auf Agrarprodukte? Wäre schlecht
für die Franzosen. Theoretisch könnte Trump auch versuchen, die EU zu
spalten und einigen EU-Ländern Zollvorteile anbieten, anderen nicht. Die
Kompetenzen für Zölle liegen in der EU zwar allein in Brüssel, aber das
muss Washington ja nicht anerkennen. Wohl deshalb wird Kanzlerin Merkel
gerade nicht müde, von der Geschlossenheit der EU im Handelsstreit zu
sprechen.
Zumal es eine weitere, große Unbekannte in der Gleichung gibt: China. Im
Prinzip ist in Berlin und Brüssel seit Jahrzehnten bekannt, dass Peking
Technik kopiert und eigene Industrien entgegen internationaler Regeln
subventioniert, um Konkurrenten anderer Länder vom Markt zu drängen. Daran
sind unter anderem deutsche Produzenten von Solarmodulen wie Solarworld
oder Q-Cells zugrunde gegangen. Europäische Konzerne haben in den
vergangenen Jahren mehrfach moniert, dass ihnen bei Investitionen in China
zu viele behördliche Hürden in den Weg gestellt und sie bei öffentlichen
Aufträgen gegenüber heimischen Unternehmen klar benachteiligt würden. Doch
dass Trumps hartes Vorgehen gegen China deshalb sogar in europäischen
Interesse liegen könnte, das weißt man selbst hinter vorgehaltener Hand in
Berlin und Brüssel weit von sich.
Vielmehr reagieren Brüssel und Peking ähnlich, schließlich haben beide ein
gewaltiges Handelsplus gegenüber den USA und ein Interesse daran, dass
US-Bürger weiterhin wie bekloppt ihre Produkte kaufen. China hatte allein
im vergangenen Jahr ein Handelsüberschuss in Höhe von 375 Milliarden Dollar
mit den USA, die EU von rund 150 Milliarden.
Allenfalls im Tonfall ist Peking etwas schärfer. Die angekündigten Zölle
der USA auf chinesische Produkte – seien „einseitig und protektionistisch�…
heißt es in einer Stellungnahme der chinesischen Regierung. Es werde
„Vergeltung“ geben. China werde, so wörtlich, „bis zum Ende kämpfen“,…
seine rechtmäßigen Interessen zu verteidigen. Und doch fällt auf: Auf eine
völlige Eskalation will es Peking im Handelsstreit mit den USA offenbar
nicht ankommen lassen.
Zwar hat das chinesische Handelsministerium als unmittelbare Reaktion auf
die Anordnung des US-Präsidenten am Freitag seinerseits eine Liste von
insgesamt 128 US-Produkten erstellt, auf die Strafzölle erhoben werden
könnten. Aufgeführt ist unter anderem ein Einfuhrzoll von 25 Prozent auf
Schweinefleisch. Stahlrohre, Früchte und Wein sollen mit Zöllen in Höhe von
15 Prozent belegt werden. Der ganz große Gegenschlag ist das aber nicht.
Die Strafzölle betreffen Waren im Umfang von gerade einmal drei Milliarden
Dollar. Das Trump-Paket dagen richtet sich auf ein Warenvolumen im Wert von
etwa 60 Milliarden Dollar.
## Der Gegenangriff sei „zurückhaltend“
Auch Peking scheint auf weitere Verhandlungen zu setzen. So wie die EU in
den letzten Tagen mit den USA verhandelt hat, hofft auch Chinas Führung,
dass sich in Washington noch etwas erreichen lässt. Trump hat in seinem am
Donnerstag unterzeichneten Dekret seinen Handelsbeauftragten Robert
Lighthizer damit beauftragt, binnen 60 Tagen die Strafzölle gegen China
genauer auszuarbeiten. Es bleibt also noch Zeit für Gespräche. Nur die
Strafzölle auf chinesischen Stahl und Aluminium gelten ab sofort.
Das chinesische Handelsministerium rief die USA dazu auf, den Konflikt noch
durch Gespräche zu lösen. Bei den geplanten chinesischen Strafzöllen auf
US-Importe handele es sich ebenfalls lediglich um „Drohungen“. Zudem wolle
China die Welthandelsorganisation um Vermittlung bitten. Noch sei zwischen
den beiden größten Volkswirtschaften kein Handelskrieg ausgebrochen, heißt
es aus chinesischen Regierungskreisen. Der Gegenangriff sei „zurückhaltend
und vernünftig ausgefallen“, urteilt denn auch der Pekinger
Wirtschaftsprofessor Hu Xingdou. Die US-Ratingagentur Fitch ist ebenfalls
optimistisch: Die „maßvolle Reaktion der Regierung in Peking und US-Signale
der Gesprächsbereitschaft“ deuten darauf hin, dass ein Handelskrieg noch
verhindert werden könne.
Ökonom Hu warnt jedoch: Sollten Verhandlungen in den nächsten Wochen
scheitern, befinde sich China im Zugzwang und müsste tatsächlich Vergeltung
üben. Er vermutet dass dann Zölle auf weitere US-Agrarprodukte erhoben
werden, etwa Sojabohnen. Das wäre für die USA sehr viel schmerzhafter.
China importiert mehr als ein Drittel seines Sojabedarfs aus den
Vereinigten Staaten. Betroffen wären vor allem Landwirte, von denen viele
Trump gewählt haben.
Immerhin scheint der US-Präsident auch zu moderaten Tönen fähig. In den
vergangenen Monaten hatte er mehrfach erklärt, er betrachte die Chinesen
als „Freunde“. Ihm missfielen eben nur Chinas „unfaire Handelspraktiken“
und der „Diebstahl geistigen Eigentums“. Hinter den Kulissen wird im
Pekinger Regierungsviertel durchaus an Vorschlägen gearbeitet, wie man
Trump besänftigen könnte.
Ähnlich wird auch die Strategie in Brüssel aussehen: Zähne zeigen und
gleichzeitig besänftigen. „Europa will keinen Handelskrieg. Aber wir sind
auch nicht die abhängige Variable und werden uns, wenn nötig, entschieden
wehren“, sagte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zum Abschluss des
EU-Gipfels in Brüssel.
23 Mar 2018
## LINKS
[1] /Drohender-Handelskrieg-mit-den-USA/!5493493
[2] /Handel-zwischen-USA-und-China/!5493541
## AUTOREN
Ingo Arzt
Eric Bonse
Felix Lee
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