# taz.de -- Debatte Finanzkasino: Das Privileg des Dollars | |
> Seit 1980 ist der US-Außenhandel ständig im Defizit. Das ist nicht | |
> schlimm – denn die USA sind nicht Griechenland. Trump hat das nicht | |
> verstanden. | |
Bild: Gibt es sogar als 1.000er: den US-Dollar | |
Sind Defizite schlimm? Diese Frage beschäftigt wieder mal die Welt, denn | |
US-Präsident Donald Trump will an diesem Freitag [1][Strafzölle für Stahl | |
und Aluminium einführen]. Sein Ziel: die Defizite im amerikanischen | |
Außenhandel zu senken, die sich allein im Jahr 2017 auf 566 Milliarden | |
Dollar beliefen. | |
Das ist ohne Frage eine stolze Summe. Sie entspricht etwa der jährlichen | |
Wirtschaftsleistung von Argentinien – oder dem Volkseinkommen der 86 | |
ärmsten und kleinsten Länder dieser Welt. | |
Trotzdem überrascht Trumps Hektik, denn dass die USA enorme Schulden im | |
Ausland aufhäufen, ist nicht neu. Seit 1980 ist der Außenhandel permanent | |
im Defizit. Trotzdem ging es den Vereinigten Staaten bisher bestens damit, | |
munter zu importieren und „über die eigene Verhältnisse“ zu leben. | |
Schulden sind eben nicht gleich Schulden. Wichtig ist, wer sie macht: Die | |
USA sind nicht Griechenland. Die USA genießen ein „exorbitantes Privileg“, | |
wie sich schon 1960 der spätere französische Präsident Giscard d’Estaing | |
beschwerte: Der Dollar ist die globale Leitwährung. Jeder will ihn haben – | |
aber nur die USA können ihn „drucken“. Die Amerikaner werden dadurch | |
automatisch reicher, weil sie auf Kosten der restlichen Welt konsumieren | |
können. | |
Der Drang zum Dollar hat mehrere Gesichter. In vielen Ländern Südamerikas | |
und Afrikas dient er als faktische Zweitwährung, weil sich die Bürger gegen | |
die heimische Inflation absichern wollen. Wie die US-Notenbank Fed schätzt, | |
sind 1,3 Billionen Dollar außer Landes unterwegs, um vor Ort als | |
Zahlungsmittel zu dienen: Drei Viertel aller 100-Dollar-Scheine zirkulieren | |
nicht in den USA. | |
## Die ganze Welt will Dollar besitzen | |
Zudem dient der Dollar als globale Recheneinheit. Weltweit stellen | |
Exporteure ihre Rechnungen in Dollar aus, auch wenn sie ihre Waren nicht in | |
die USA verkaufen, sondern in ein anderes Land. Südkorea und Thailand | |
rechnen über 80 Prozent ihrer Ausfuhren in Dollar ab, obwohl nur etwa 20 | |
Prozent in die Vereinigten Staaten gehen. Australische Exporte lauten zu 70 | |
Prozent auf Dollar, obwohl weniger als 6 Prozent für die USA bestimmt sind. | |
Öl wird ebenfalls generell in Dollar verkauft, egal an wen. | |
Nur wer Dollar hat, fühlt sich sicher: Viele Zentralbanken decken sich mit | |
US-Staatsanleihen ein, damit sie ihre Währung verteidigen können, falls die | |
internationalen Finanzanleger Panik schieben. Selbst eher arme | |
Schwellenländer wie Thailand versuchen, einen Exportüberschuss zu erzielen, | |
damit sie Dollar horten können. | |
Die Konsequenz ist trivial: Solange der Dollar die weltweite Leitwährung | |
ist, müssen die USA ein Defizit im Außenhandel aufweisen. Die ganze Welt | |
will Dollar besitzen – aber die lassen sich nur verdienen, indem man Waren | |
an die USA verkauft. | |
Die USA machen also ständig Schulden beim Rest der Welt, doch dies ist kein | |
Problem – jedenfalls nicht für die USA. Denn niemand denkt an Rückzahlung. | |
Solange die Weltwirtschaft wächst, werden neue Dollars gebraucht und die | |
Amerikaner können weiter Schulden machen. Faktisch bekommen die USA | |
permanent Waren geschenkt. | |
Trump verwechselt daher seine Rolle: Er ist Präsident der USA, verhält sich | |
aber, als wäre er das Oberhaupt von Griechenland. Für die Griechen war es | |
tatsächlich schädlich, dass sie jahrelang riesige Defizite im Außenhandel | |
aufgehäuft haben. | |
Im Frühjahr 2010 begann die Eurokrise, weil endgültig auffiel, dass | |
Griechenland überschuldet ist. Bis heute wird der Eindruck erzeugt, als | |
hätte es sich vor allem um eine „Staatsschuldenkrise“ gehandelt. Doch | |
tatsächlich lag das Problem woanders: Griechenland hatte zu viele Schulden | |
im Ausland. | |
Die griechischen Staatsschulden waren eher harmlos: Im Frühjahr 2010 | |
betrugen sie rund 95 Prozent der Wirtschaftsleistung. Das ist hoch, aber | |
keinesfalls sensationell. Die deutschen Schulden lagen damals bei etwa 80 | |
Prozent der Wirtschaftsleistung – und Japan kam auf rasante 210 Prozent. | |
Trotzdem ist Japan bis heute nicht pleite. | |
## Europa denkt zu wenig über Defizite nach | |
Der wesentliche Unterschied: Japan ist vor allem bei seinen eigenen Bürgern | |
verschuldet, aber nicht im Ausland. Japan wirtschaftet von einer Tasche in | |
die andere. Statt die Einwohner höher zu besteuern, nimmt der Staat Kredite | |
auf, für die die Bürger geradestehen. Dieser Kreisverkehr ist endlos | |
möglich. | |
Ganz anders lief es in Griechenland, das selbst existenzielle Güter | |
importieren muss. Nicht nur Öl, auch Medikamente und Lebensmittel werden | |
aus dem Ausland eingeführt. Hinzu kommen viele Konsumgüter – vom Auto bis | |
zum Smartphone. Das griechische Defizit im Außenhandel erreichte 2008 | |
dramatische 15 Prozent der Wirtschaftsleistung. | |
Deutsche und französische Banken erkannten verspätet, dass die Griechen | |
ihre Auslandsschulden niemals abbauen oder zurückzahlen würden. Im Frühjahr | |
2010 gewährten die ausländischen Gläubiger daher keine weiteren Kredite | |
mehr. Griechenland rutschte in die Pleite, die Eurokrise begann. | |
Acht Jahre später befinden sich die Griechen noch immer unter dem | |
europäischen Rettungsschirm, doch ab August sollen sie sich wieder | |
selbstständig finanzieren. Zweifel sind angebracht, ob dies funktionieren | |
wird. Denn bis heute wurde kein Konzept erarbeitet, um die zentrale Frage | |
zu beantworten: Wovon soll Griechenland leben? Die Einnahmen aus dem | |
Tourismus reichen auf Dauer nicht, um die nötigen Importe zu finanzieren. | |
Es wäre für die Griechen beispielsweise wichtig, Ölimporte durch heimische | |
Wind- und Sonnenenergie zu ersetzen. Aber für großflächige Initiativen | |
fehlt das Geld, und die Eurozone stellt kaum Mittel zur Verfügung. | |
Die Lage ist also verworren: US-Präsident Trump startet einen Handelskrieg, | |
der sein Land ärmer, nicht reicher machen dürfte. Umgekehrt denkt die | |
Eurozone viel zu wenig über die Defizite und Überschüsse nach, die zwischen | |
ihren Mitgliedsländern entstehen. | |
25 Mar 2018 | |
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## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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