# taz.de -- Schwules Anti-Gewalt-Projekt in Berlin: „Ja, wie hält man das au… | |
> Die Wahrscheinlichkeit, als schwuler Mann grob beleidigt oder angegriffen | |
> zu werden, ist extrem hoch, sagt Maneo-Leiter Bastian Finke. Sogar in | |
> Berlin. | |
Bild: Rat geben, helfen: der Leiter des schwulen Anti-Gewalt-Projekts Maneo, Ba… | |
taz: Herr Finke, ich habe bisher erst einmal so richtige Todesangst | |
verspürt, das war vor 15 Jahren beim Cruising im Friedrichshainer | |
Volkspark. Im Dunkeln waren Stimmen von Männern zu hören, die riefen: „Wo | |
sind die Schwulen? Schwulenklatschen!“ Nicht nur ich habe die Flucht | |
ergriffen. Passiert ist mir nichts, aber ich hatte rasende Angst. Haben Sie | |
so etwas selbst einmal erlebt? Mit anderen Worten: Was treibt Sie an? | |
Bastian Finke: Ich selber habe homophobe Gewalt mit massiver | |
Gewaltandrohung und dergleichen glücklicherweise bisher noch nicht erlebt. | |
In meine Arbeit für Maneo habe ich jedoch Kenntnisse aus früheren sozialen | |
Tätigkeiten mitgebracht. | |
Von welchen Erfahrungen sprechen Sie? | |
Bevor ich bei Maneo angefangen habe, war ich bereits zehn Jahre lang in der | |
nordirischen Friedens- und Versöhnungsarbeit aktiv, habe 1982/83 dort | |
inmitten der Unruhen gelebt. Mit 17 Jahren war ich ehrenamtlicher Leiter | |
eines Projektes, das sich mit Jugendaustausch beschäftigte. Wir luden | |
betroffene Jugendliche aus Belfast nach Deutschland zu Ferien und Erholung | |
ein. So habe ich mich früh mit den Folgen traumatischer Ereignisse | |
auseinandergesetzt. Während meines Studiums habe ich gut sechs Jahre lang | |
in der Bahnhofsmission am Bahnhof Zoo und im Übernachtungsheim gejobbt und | |
viel mit Obdachlosen, Drogengebrauchern, psychisch Erkrankten, Sexarbeitern | |
und mit Krisenbetroffenen zu tun gehabt. In diesen Jahren habe ich Dinge | |
miterlebt, die nicht angenehm waren. | |
Dadurch haben Sie … | |
… ja, auch Erfahrungen gewonnen, wie man zum Beispiel Projektarbeit mit | |
ehrenamtlichen Mitarbeitern organisiert. | |
Wie war das zu Beginn von Maneo vor über 27 Jahren? | |
Das ging am Anfang hoppladihopp. Mir wurde der zweiseitige Projektantrag | |
unseres Trägervereins in die Hand gedrückt und dann hieß es: „Mach mal!“ | |
Eine große fachliche Hilfe war damals, dass wir uns 1992 dem Arbeitskreis | |
der Opferhilfen in Deutschland angeschlossen haben, einem Fachverband | |
professioneller Opferberatungsstellen. | |
Gab es dort Berührungsängste, als mit Maneo ein schwules Beratungsangebot | |
an die Tür klopfte? | |
Nein, ganz im Gegenteil. Wir sind dort voll auf- und angenommen worden. | |
Wie schwierig oder leicht war es, in den Anfangsjahren Fördergelder zu | |
bekommen? | |
Das war ganz schwierig. Angefangen habe ich 1990 mit einer halben Stelle, | |
ohne Büromiete. 1992 wurde die Stelle auf eine ganze aufgestockt. Ein | |
kleines Zimmer musste ich mir mehrere Jahre lang mit Mitarbeitern von | |
Mann-O-Meter teilen. Bis 2010 gab es kaum mehr Geld. Wir haben 2005 | |
erstmalig Lottogelder für ein Projekt beantragt, was uns ab 2006 für drei | |
Jahre extra Geld bescherte – aber natürlich für extra Aufgaben, also nicht | |
für unsere eigentliche Arbeit. Das bedeutete, dass wir im Kernbereich nicht | |
mehr machen konnten. Viel Arbeit mit wenig Personal, so lässt sich das gut | |
zusammenfassen. | |
Wie sieht es denn heute aus? | |
Nach 20 Jahren hat sich das geändert. Uns wurden mehr Mittel bewilligt. | |
War das unter dem rot-roten Senat? | |
Ja, ab 2010 ging es mit einer zusätzlichen halben Stelle weiter. Diese auf | |
eine Dreiviertelstelle aufzustocken hat kontinuierliche Kämpfe bis etwa | |
2013 gefordert. Aktuell haben wir jetzt zweieinviertel Stellen, weil die | |
Flüchtlingsarbeit dazugekommen ist. | |
Was bedeutet das konkret, wenn Sie mit Flüchtlingen zu tun haben? | |
Wir kümmern uns um Flüchtlinge, die in Berlin erneut Opfer von homophoben | |
Übergriffen geworden sind, im Flüchtlingsheim oder auf der Straße. Das | |
passiert leider öfter, als es bekannt wird. Die Aufarbeitung ihrer | |
Erlebnisse aus ihrer Heimat oder auf der Flucht können wir allerdings nicht | |
leisten, dafür haben wir nicht die Ressourcen. Da arbeiten wir mit anderen | |
Organisationen zusammen. | |
Unter einer rot-rot-grünen Koalition wie jetzt könnte man ja annehmen, dass | |
Projekte wie Maneo wohlgelittener als früher und besser ausgestattet sind. | |
Ist das so? | |
Die Frage bleibt, wie viel Interesse Politik und – ich betone das immer | |
wieder – auch Verwaltung daran haben, homophobe Gewalt aus dem Dunkelfeld | |
herauszuholen. Oder ob man sich damit begnügt, dass Maneo jedes Jahr 300 | |
Fälle vorlegt. Damit verbindet sich auch die Frage, ob ein Interesse daran | |
besteht, dass diese Arbeit professionell fortgeführt wird, zumal hier in | |
den letzten mehr als 27 Jahren eine Menge Fachwissen zusammengetragen | |
wurde. | |
Das Interesse an der Expertise ist nicht ganz so groß? | |
Ich weiß es nicht. Manchmal habe ich den Eindruck, wir werden als | |
Fachpersonen nicht ernst genommen, weil wir schwul sind und | |
zielgruppenspezifisch mit schwulen und männlichen Bisexuellen arbeiten. | |
Manchmal höre ich: „Die Betroffenen wieder!“ Oder: „Die Schwulen wieder!… | |
Oder: „Die Lesben wieder!“ Als qualifizierte Fachperson gesehen zu werden, | |
das ist noch mal was anderes. Und das spielt sich manchmal auch selbst in | |
unseren eigenen Communities so ab. „Jaja, wieder diese Homo-Lobby!“ Wir | |
wollen als das anerkannt werden, was wir sind: qualifizierte Fachpersonen. | |
Fehlt so eine Figur wie Klaus Wowereit in der Landespolitik, der | |
vermeintlich vieles beförderte? | |
Ja, Wowereit hat sich eingesetzt und hilft noch immer. Ihm haben wir als | |
LSBT* überhaupt viel zu verdanken. Die Senatskanzlei unter Herrn Müller hat | |
weiter ein offenes Ohr für uns. Und wir sehen, dass Justizsenator Dirk | |
Behrendt ein wirkliches Interesse an unserer Arbeit hat. | |
Wie entmutigend ist das, Jahr für Jahr eine weitere halbe oder ganze Stelle | |
zu fordern? | |
Man muss sich einmal vorstellen, was mit dem Personal unter diesen | |
Bedingungen in über 27 Jahren geleistet worden ist. Wir sind nicht nur mit | |
dem Thema professionelle Opferhilfearbeit beschäftigt, sondern auch mit | |
Themen der Gewalt- und Kriminalprävention. Wir dokumentieren Fälle und | |
erstellen daraus den jährlichen Maneo-Report. Und dann sind wir noch im | |
Bereich des Empowerments tätig und, und, und … | |
Vielleicht dröseln wir das auf. Wie viele Ehrenamtliche arbeiten hier? | |
Wir haben ehrenamtliche Mitarbeiter, die uns wöchentlich ein Zeitkontingent | |
zur Verfügung stellen. In der Opferhilfearbeit stellen sie den Erstkontakt | |
her, führen ein erstes Gespräch. Und in der Gewaltpräventionsarbeit gehen | |
sie mit uns regelmäßig vor Ort. Momentan sind das neun Personen. Dann haben | |
wir ehrenamtliche Helfer, die uns in Aufgaben punktuell unterstützen, zum | |
Beispiel in der Vor-Ort-Arbeit, bei Übersetzungen, in der | |
Öffentlichkeitsarbeit … Wir haben außerdem einen ehrenamtlichen Fachbeirat, | |
der aus 20 Personen besteht. So haben wir einen Pool von Menschen, die uns | |
punktuell, mittels Zeitkontingent oder fachlich unterstützen. Es sind 70 | |
bis 80 Personen, Schwule, Lesben, Trans*personen, Heteros und Heteras. | |
Was bedeutet „fachlich“? | |
Wir können auf Fachpersonen aus der Kriminologie, aus der Opferhilfe und | |
-forschung, der Medizin, Recht und Politik und so weiter zurückgreifen, | |
wenn es um konkrete Fragen geht. Einmal im Jahr laden wir alle zu einer | |
Ehrenamtlerwürdigungsfeier ein. Da kommen immer rund 100 Personen | |
zusammen. Traditionell findet die Feierstunde am Donnerstag vor dem | |
lesbisch-schwulen Straßenfest im Rathaus Schöneberg statt. | |
Warum ausgerechnet dann? | |
Das lesbisch-schwule Straßenfest ist von uns initiiert und auf den Weg | |
gebracht worden. Wir haben das Fest sechs Jahre lang koordiniert. | |
Was war der Gedanke damals für die Gründung des Straßenfestes? | |
Der war komplex und viele verstehen das heute nicht mehr. Anfang der 90er | |
fanden viele homophobe Übergriffe statt, der Paragraf 175 existierte noch, | |
die Polizei erschien vielen aus den Szenen als ein Gegner, alles andere als | |
Freund und Helfer. Wir als Maneo standen ziemlich alleine auf weiter Flur, | |
als es darum ging, aus den Szenen einen kritischen Dialog mit der Polizei | |
zu beginnen. Kritisiert wurde ja, dass wir überhaupt in einen Dialog mit | |
der Polizei eingetreten waren. Dafür wurden wir teils heftig angefeindet. | |
Was für Anfeindungen? | |
Alles Mögliche! Es gab Situationen, wo der ein oder andere gesagt hat, „ich | |
schmeiß hin“, weil es nicht mehr auszuhalten war. Da brauchte es einen | |
langen Atem. | |
Den hatten Sie offensichtlich. | |
Da mussten wir durch. Ende 1991 kam hinzu, das hier Dinge passiert sind, wo | |
sich Polizisten bei Einsätzen wie Elefanten im Porzellanladen verhalten | |
hatten. Wir hatten seit Ende 1990 zwar schon Heinz Uth als Kontaktperson | |
der Polizei im Nebenamt, aber noch nicht in der gewünschten Funktion, also | |
mit Kompetenzen, die auch innerhalb des Polizeiapparates ernst genommen | |
wurden. Es gab Einsätze, wo er nicht einbezogen wurde und Dinge | |
schiefliefen. | |
Ein Beispiel? | |
Bei einem Einsatz in einem Stricherlokal wurde ein Gast verletzt. Wir | |
mussten 1991 unseren Dialog, also regelmäßige Gespräche, mit dem | |
Ansprechpartner und anderen Dienststellen der Polizei, für beendet | |
erklären. Der Druck, der aus verschiedenen Szenen auf uns einwirkte, war | |
groß. Und wir sahen selbst, dass unser Dialog diskreditiert wurde. | |
Aber es wurde wieder besser. | |
Die Senatsinnenverwaltung bestätigte einige Monate später Heinz Uth als | |
offiziellen hauptamtlichen Ansprechpartner mit einer Jobbeschreibung, mit | |
konkreten Aufgaben und Kompetenzen. Damals hieß er „Ansprechpartner für | |
gleichgeschlechtliche Lebensweisen“. Heute sagen wir LSBTI-Ansprechperson. | |
Wie ging ’s weiter? | |
Nach diesem Crash hatten wir das Problem, das Vertrauen in den Dialog mit | |
der Polizei wiederherzustellen. Als Bestandteil dieser Gesellschaft hat die | |
Polizei auch uns gegenüber Verpflichtungen und Aufgaben. Diese forderten | |
wir ein. Weil uns Partner fehlten, haben wir Wirte und Gastronomen als | |
wichtige Multiplikatoren zusammengeführt, die uns geholfen haben, | |
gewaltpräventive Ideen in die Szene hinein zu kommunizieren. Das Internet, | |
so wie wir es heute kennen, gab es ja damals noch nicht. | |
Vor-Ort-gehen lautete die Devise. | |
Richtig. Und zwar ständig. Maneo hat erste Wirte-Arbeitskreise eingerichtet | |
und die Polizei mit ins Boot geholt, um die Kommunikation wieder in Gang zu | |
bringen. Das war 1992. Und es ging um die Frage, wie wir nach außen hin | |
entschlossen zeigen, dass wir diesen kritischen Dialog mit der Polizei | |
wollen, ebenso wie wir die Öffnung gegenüber der Gesellschaft weiter | |
voranbringen und sichtbar machen. | |
Deshalb die Idee zum Straßenfest. | |
Ein Markt der Möglichkeiten! Stände auf der Straße, offene Gesprächskreise, | |
kleine Bühnen, die Nachbarschaft war eingeladen, ein Austausch, die | |
Vielfalt der Szenen zeigen, eben auch lesbische Sichtbarkeit. Ein Motto, | |
das wir ausgewählt hatten, lautete: „Farben und Vielfalt machen uns stark.“ | |
Wir haben nie von der Community gesprochen, immer von den Communities oder | |
von den Szenen. | |
Wie ist das Verhältnis zur Polizei heute? | |
Es ist erstaunlich und interessant, dass Berlin bis Anfang 2017 das einzige | |
Bundesland in Deutschland war, das sich zwei professionelle hauptamtliche | |
Ansprechpersonen für LSBTI leistete. Nirgendwo sonst. | |
Nicht mal Köln, München? | |
Nichts. Hamburg hat als zweites Bundesland Anfang 2017 nachgezogen, mit | |
zwei hauptamtlichen Ansprechpersonen. Seit 2012 ist Berlin die einzige | |
Stadt in Europa mit zwei offiziellen LSBT*-Ansprechpersonen bei der | |
Staatsanwaltschaft. Außerdem gilt in Berlin, dass bei homophober Gewalt | |
erst einmal ein öffentliches Interesse angenommen wird. Deshalb landen | |
diese Fälle zunächst bei der Staatsanwaltschaft – eine langjährige | |
Forderung von uns. Das wurde 2012 unter Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) | |
durchgesetzt. Seit 2017 gibt es LSBT*-Ansprechpersonen im Nebenamt in allen | |
sechs Berliner Polizeidirektionen, beim Staatsschutz und bei der | |
Bundespolizeidirektion Berlin, ein Transmann. Nirgendwo in Deutschland gibt | |
es vergleichbare Ansätze und vergleichbare Aufmerksamkeit gegenüber | |
homophober und trans*phober Gewalt. | |
Restdeutschland ist Wüste, was das anbelangt. | |
Es ist vor allem eine Irreführung der Öffentlichkeit, wenn erklärt wird, in | |
Deutschland würden die Behörden homo- und transphobe Gewalt ernst nehmen. | |
Das kann einen nur wütend machen. Für Berlin können wir wenigstens sagen, | |
hier haben wir gemeinsam etwas erreicht. Durch Kontinuität, durch viele | |
Gespräche, die wir auf Augenhöhe führen konnten, und nicht auf | |
Kaffeerundenniveau. | |
Augenhöhe heißt? | |
Dass sich hier Fachpersonen gegenübersitzen. Deshalb kommen wir in Berlin | |
weiter, deshalb haben sich hier die Dinge – anders als im Rest Deutschlands | |
– auch so weit entwickelt. Sie sind uns nicht vom Himmel gefallen. Das ist | |
das Ergebnis von knochenharter Arbeit. Von Überstunden ohne Ende. Von | |
Sitzungen, von Papieren, vom Kopfzerbrechen … | |
Wird man da auch mal müde? | |
… (schweigt) | |
Sorgen Sie für einen Ausgleich? | |
Ich bringe viel aus meinem Studium, meinen Fortbildungen mit, aus | |
Gesprächen mit Freunden, Familie und meinem Partner. Außerdem jogge ich. | |
Das sorgt für Ausgleich. Ich habe in den letzten 27 Jahren hier rund 12.000 | |
Gewaltopfer beraten. Ja, wie hält man das aus? Das geht eben nur, indem du | |
Rhythmen und Mechanismen entwickelst, die für Ausgleich sorgen. Aber | |
ehrlich gesagt, man weiß nie, wie lange man das weiter machen kann. Unsere | |
Ressourcen sind labil und noch immer nicht gefestigt. Für eine Festigkeit | |
bedarf es mehr Unterstützung und Anerkennung aus Verwaltung und Politik. | |
Wie haben sich die Fallzahlen verändert? | |
Wir könnten mehr Fälle dokumentieren, wenn wir mehr Ressourcen hätten, also | |
Stellen. In Anbetracht begrenzter Ressourcen ist das, was wir hier jedes | |
Jahr an Zahlen liefern, enorm. Es ist eine Frage an Politik und Verwaltung, | |
ob sie mehr Aufhellung wollen. Das heißt, dass wir eine wachsende Zahl an | |
Hinweisen haben, das können wir ganz klar an unseren Zahlen erkennen, aber | |
die Zahl der Fälle, die wir dann tatsächlich auswerten können, stagniert. | |
Wie viele Fälle werden bearbeitet? | |
Wir schaffen im Jahr rund 300. Gesehen werden muss aber auch, dass dahinter | |
viel Opferhilfearbeit steht. | |
Wie sieht die Opferhilfearbeit aus? | |
Einfach gesprochen: Jemand wurde homophob beleidigt und angegriffen, etwa | |
geschlagen, und kommt zu uns. Er hat es vielleicht geschafft, Anzeige zu | |
erstatten. Wenn nicht, kann es ein bisschen aufwendiger werden. Er erzählt | |
erst mal, was passiert ist. | |
Erzählen ist doch schon mal ganz wichtig, oder? | |
Die Mehrheit der Personen, die sich bei uns melden, betrachten es als | |
Entlastung, wenn sie mit jemandem sprechen können, der sich auskennt, der | |
sie ernst nimmt und Zeit hat zuzuhören. Der nächste Schritt ist, zu gucken, | |
was schon gemacht wurde und was eventuell noch zu tun wäre … | |
Ein Beispiel? | |
Waren sie wegen einer Verletzung noch nicht beim Arzt oder im Krankenhaus? | |
Wir klären auf, stellen bei Bedarf Kontakt zu medizinischen Angeboten her. | |
Für die Beweismittelsicherung ist es oft wichtig, auch den Genesungsverlauf | |
zu dokumentieren. Fragen bezüglich des Opferentschädigungsgesetzes werden | |
besprochen. Es stellen sich rechtliche Fragen. Manche haben keine Freunde | |
hier, weil sie gerade hergezogen sind. Mit wem können sie reden? Kommen | |
sprachliche Barrieren hinzu, sind Übersetzungen nötig? Weitere | |
Unterstützung wird thematisiert. Das alles kann in einem einzigen Gespräch | |
gar nicht geklärt werden. Aus einem Gespräch werden drei, vier, fünf. Die | |
Begleitung zur Polizei bieten wir an. Wird ein Täter ermittelt, steht | |
mitunter eine Verhandlung vor der Tür. Wir schauen, ob es parallele Fälle | |
gibt. Wir haben intern Besprechungen, helfen beim Brückenbau – welchen | |
Beamten kriege ich denn da? –, im Nu sind zehn Stunden zusammen. Deswegen | |
rede ich von suboptimalen Ressourcen. | |
Bei diesem Thema muss ich nach der Dunkelzifferzahl fragen. | |
Wir haben zwei große Maneo-Studien, große Umfragen, durchgeführt, die nicht | |
repräsentativ waren. Schauen wir uns dazu alleine einmal die reinen Zahlen | |
an. In der ersten Umfrage von 2006/2007 haben sich in der zwei Monate | |
dauernden Befragung über 24.000 in Deutschland beteiligt, allein aus Berlin | |
waren es rund 3.000 schwule und bisexuelle Jugendliche und erwachsene | |
Männer. Wir haben gefragt: Ist euch etwas in den letzten zwölf Monaten | |
passiert? Von diesen 3.000 haben das gut 1.100 bejaht. Wir haben unsere | |
Zahlen gecheckt, in diesem Jahr haben sich bei uns nur 200 Personen | |
gemeldet, bei der Polizei nicht einmal 100 angezeigt. | |
Was sagen uns diese Zahlen? | |
Sie führen uns vor Augen, dass die Wahrscheinlichkeit, als schwuler Mann im | |
Leben irgendwann einmal grob beleidigt oder angegriffen zu werden, extrem | |
hoch ist. Wir reden hier in Berlin von einem Dunkelfeld von 80 bis 90 | |
Prozent. Und das müssen und wollen wir ändern. | |
10 Mar 2018 | |
## AUTOREN | |
Andreas Hergeth | |
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