# taz.de -- Report über Homophobie in Berlin: Auf offener Straße | |
> 291 homo- oder trans*phobe Übergriffe dokumentierte das schwule | |
> Anti-Gewalt-Projekt Maneo im Jahr 2016. Die Dunkelziffer liegt wohl | |
> deutlich höher. | |
Bild: Die meisten Übergriffe finden im öffentlichen Raum statt, auf der Stra�… | |
Zwei junge Frauen küssen sich an einem Freitagnachmittag im Außenbereich | |
eines Cafés in Prenzlauer Berg – und werden von einem Radfahrer homophob | |
und volksverhetzend beschimpft. Drei Männer werden in der U-Bahn von einer | |
Gruppe gefragt, warum sie schwul sind, verfolgt und ins Gesicht geschlagen. | |
Eine Trans*person wird im Kleinen Tiergarten erst trans*phob beleidigt und | |
dann brutal ausgeraubt. | |
Fast jeden Tag eine homo- oder trans*phobe Tat in Berlin: Das ist die | |
[1][Bilanz des Reports für das Jahr 2016], den das Berliner [2][schwule | |
Anti-Gewalt-Projekt Maneo] am Dienstag veröffentlichte. Einen Tag vor dem | |
Internationalen Tag gegen Homophobie überreichte das Projekt die Ergebnisse | |
dem Präsidenten des Berliner Abgeordnetenhauses, Ralf Wieland, sowie | |
Vertreter*innen der Fraktionen. | |
291 Übergriffe dokumentierte Maneo in Berlin im Jahr 2016: Eine Zahl, die | |
mit ziemlicher Sicherheit weit unter der Anzahl der tatsächlichen Fälle | |
liegt. Denn sie beschreibt nur jene Fälle, die Maneo entgegengenommen und | |
auch tatsächlich ausgewertet hat. Gemeldet wurden ihnen ganze 659 Fälle – | |
„aber wir haben nicht genügend Ressourcen, um allen nachzugehen, geschweige | |
denn, selbst zu recherchieren“, sagt Bastian Franke, Leiter von Maneo. | |
Berlin gilt als eine der Szenestädte schlechthin. Trotzdem: „Homophobe und | |
trans*phobe Angriffe gehören zu einer traurigen Realität in Berlin“, sagt | |
Finke. „Schwule, Lesben, Bi- und Trans*personen (LSBT*) werden deshalb | |
beleidigt, bedroht oder körperlich angegriffen, weil sie sind, wie sie sind | |
– weil sie sichtbar oder erkannt werden.“ Entsprechend finden die meisten | |
Übergriffe im öffentlichen Raum statt, auf der Straße oder in öffentlichen | |
Verkehrsmitteln. | |
## Bessere Zusammenarbeit mit Behörden | |
Das Projekt Maneo richtet sich vor allem an schwule und bisexuelle Männer – | |
arbeitet aber eng mit anderen Projekten zusammen, etwa mit der | |
[3][Initiative L-Support], die seit einem Jahre ein Opferhilfeangebot | |
speziell für gewaltbetroffene lesbische, bisexuelle und queere Frauen | |
aufbaut. „Es ist wichtig, dass wir niedrigschwellige und szenenahe Angebote | |
machen können“, sagt Finke – „das also schwule Männer mit schwulen Män… | |
reden und lesbische Frauen sich an lesbische Frauen wenden können.“ | |
Die Zahl der Fälle, in denen Maneo einen deutlichen homo- oder trans*phoben | |
Hintergrund ausmachen konnte, ist im Vergleich zum Vorjahr gestiegen – von | |
259 auf 291. „Das ist für uns eine traurige Bilanz“, heißt es in dem | |
Report. Daraus könne man aber nicht automatisch ableiten, dass sich die | |
Lage tatsächlich verschlechtert habe, erklärt Finke: „Der Anstieg ist in | |
erster Linie auf einen Zuwachs an Fällen zurückzuführen, die uns von der | |
Polizei übermittelt wurden.“ | |
Das liege vor allem an der wachsenden Sensibilität aufseiten der Behörden, | |
berichtet Maneo. Dort sieht Finke eine positive Entwicklung: „Berlin geht | |
da beispielhaft voran – es gibt keine andere Region, in der wir | |
LSBT*-Ansprechpersonen bei der Polizei, der Staatsanwaltschaft, der | |
Bundespolizei und dem Staatsschutz haben“. Seit Anfang 2017 gibt es auch in | |
allen sechs Berliner Polizeidirektionen Ansprechpersonen im Nebenamt. Maneo | |
führte in den Behörden im vergangenen Jahr mehrere Schulungen und | |
Fortbildungen durch. „In anderen Ländern fehlen auf diesem Gebiet | |
Ressourcen und Zeit und damit auch die Ernsthaftigkeit“, kritisiert der | |
Maneo-Leiter. | |
## Geflüchtete Opfer von Gewalt | |
Zeit ist eine Ressource, die auch bei Maneo fehlt. Mit nicht einmal zwei | |
Vollzeitstellen arbeite das Team „auf Turbo“, wie Finke sagt. „Das kann�… | |
nicht sein.“ Denn die Arbeit werde nicht weniger: „Die zuständige | |
Senatsverwaltung müsste mehr Mittel explizit für die Opferhilfe | |
bereitstellen“, fordert Finke. | |
Zusätzliche Mittel erhält das Projekt immerhin für einen bestimmten | |
Bereich: die Arbeit mit geflüchteten Opfern homophober Gewalt. „Diese | |
zeitintensive Arbeit fordert uns täglich heraus“, sagt Finke. Jede Woche | |
sucht Maneo ein Flüchtlingsheim auf, um dort Gespräche anbieten zu können. | |
Zwei Werkstudenten sind dafür eingebunden, einer von ihnen spricht | |
Arabisch. Auch stehe dank der zusätzlichen Mittel einmal in der Woche ein | |
Sprachmittler für Arabisch in der Sprechstunde bereit, bei Bedarf seien | |
auch Beratungen in anderen Sprachen möglich. | |
„Wir reden hier von Geflüchteten, die nach Berlin kommen und hier abermals | |
Opfer homo- oder trans*phober Gewalt werden“, sagt Finke. Zum Glück gebe es | |
noch andere Initiativen in Berlin, die sich diesem Thema widmeten – „denn | |
zu tun ist da sehr viel“. Die meisten Fälle ereigneten sich in den | |
Unterkünften – „aber wir hatten hier auch Betroffene, die auf offener | |
Straße Opfer wurden“, sagt Finke. | |
16 May 2017 | |
## LINKS | |
[1] http://www.maneo.de/infopool/dokumentationen.html?eID=dam_frontend_push&… | |
[2] http://www.maneo.de/ | |
[3] http://l-support.net/ | |
## AUTOREN | |
Dinah Riese | |
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