| # taz.de -- Kolumne Im Augenblick: Meinungsfreiheit nach Kassenlage | |
| > Ich dachte, Deutschland wäre das Land, wo Mensch seine Meinung frei | |
| > äußern könnte. Mensch kann das tun. Aber nur, wenn es zu den Interessen | |
| > der Bundesrepublik passt. | |
| Bild: Solidarität mit der YPG zu zeigen, ist hierzulande schwierig. Das könnt… | |
| Eine kurdische Redewendung lautet: Wer nicht im Hause ist, weiß nicht, was | |
| drin passiert. Ich war eben nicht im Haus und dachte, Deutschland wäre das | |
| Land, wo Mensch seine Meinung frei äußern könnte. Mensch kann das tun. Aber | |
| nur, wenn es zu den Interessen der Bundesrepublik passt. Zum Beispiel die | |
| Fahnen der AKP. Die dürfen problemlos in Deutschland gezeigt werden, und | |
| ebenso die Fahnen und Symbole der nationalistischen [1][Grauen Wölfe]. | |
| Es mag absurd klingen, doch die Nationalisten treiben genau das, was der | |
| verbotenen kurdischen Partei PKK seit über 20 Jahren vorgeworfen wird und | |
| wodurch diese auf die Terrorliste gesetzt wurde. Unter der Regierung der | |
| AKP sind Dutzende kurdischer Städte in der Türkei dem Boden gleichgemacht | |
| worden, viele Zivilist*innen wurden ermordet. Graue Wölfe haben sich dem IS | |
| angeschlossen und kämpfen jetzt Schulter an Schulter mit den türkischen | |
| Truppen in dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen Afrîn. | |
| Aber da beginnen die Probleme mit der Meinungsfreiheit: Eine Veranstaltung | |
| über Afrîn und die aktuelle Situation in der Türkei war an der Hochschule | |
| Bremen unter dem Namen „Quo vadis, Türkei?“ vom Asta geplant. Die gleiche | |
| Veranstaltung war kurz vorher an der Uni Hamburg erlaubt gewesen. In Bremen | |
| verweigerte die Hochschule den Veranstalter*innen die Nutzung der | |
| Räumlichkeiten, weil es sich um eine „allgemeinpolitische Veranstaltung“ | |
| handele, ohne hochschulpolitischen Bezug, so hieß es. | |
| Mal ist es dies, mal das: Ende November 2017 löste die Leibniz-Universität | |
| den Raumnutzungsvertrag für ein Podium des YXK e. V., des als gemeinnützig | |
| anerkannten Verbandes kurdischer Studierender, auf. Bei der Veranstaltung | |
| hätte es um demokratischen Föderalismus und die Situation des in der Türkei | |
| inhaftierten PKK-Führers Abdullah Öcalan gehen sollen. Aufgrund des Bezuges | |
| zu Öcalan handele es sich um eine verfassungswidrige Veranstaltung, | |
| argumentierte die Hochschule laut YXK. Auch das Logo des | |
| Studierendenverbandes ist seit März 2017 in Deutschland verboten. | |
| In Meuchefitz im Wendland, Kreis Lüchow-Dannenberg, wurde diese Woche der | |
| „Gasthof des Widerstands“ [2][durchsucht]. Die Polizei erschien | |
| schwerbewaffnet als Hundertschaft, um ein Transparent mit der Aufschrift | |
| „Afrîn halte durch! Türkische Truppen & Deutsche Waffen morden in Rojava! | |
| Es lebe die YPJ/YPG!“ zu beschlagnahmen. | |
| Die kurdischen Milizen YPJ und YPG niederzumetzeln ist Ziel des Kriegs | |
| gegen Afrîn, oder wie Erdoğan ihn nennt, die „Ölzweig-Operation“, damit … | |
| Kurd*innen dort keinen eigenen Staat gründen, der die innere Sicherheit der | |
| Türkei gefährden könnte. | |
| Vor einiger Zeit hatte Erdoğan noch ein anderes Bild von den Milizen. Als | |
| der IS jahrelang das Gebiet an Syriens Grenze zur Türkei kontrollierte – | |
| damals galten die YPJ und YPG, trotz [3][Kritik] von [4][Human Rights | |
| Watch] in Deutschland als Held*innen, die für die Menschheit kämpften. | |
| Sie sind immer noch die gleichen Held*innen, die in Afrîn unter anderem | |
| gegen IS-Barbaren kämpfen, die diesmal vermutlich deutsche Waffen und statt | |
| schwarzer Fahnen rote türkische Fahnen tragen. Letztere sind in Deutschland | |
| erlaubt, während die von YPJ und YPG verboten bleiben. | |
| Jegliche Erwartung, dass Deutschland zum türkischen Angriff Stellung nehmen | |
| könnte, ist verpufft. Im Gegenteil: Der Angriff wurde legitimiert. Die | |
| Türkei hätte ja das Recht, für ihre Sicherheit zu sorgen. Ob sie die besser | |
| durch das Töten von Zivilist*innen, das Ruinieren tausendjähriger Tempel | |
| oder den Einsatz von Giftgas gewährleistet, müssen Merkel und Yildirim | |
| vergangene Woche besprochen haben. Oder im Januar Gabriel und sein | |
| Amtskollege Çavuşoğlu. | |
| Wie kann ich mich mit vielen meiner Freund*innen, die Mitglieder der YPG | |
| sind, und an der Front zum Schutz meiner und anderer Familien kämpfen, | |
| solidarisch zeigen? Wie kann ich der YPJ, die für Frauenrechte und | |
| Gleichberichtigung kämpft, den Rücken stärken? Darf ich Fotos von Barîn | |
| Kobane zeigen, der YPJ-Kämpferin, deren Leichnam von mit Erdoğan | |
| verbündeten Dschihadisten verstümmelt wurde? Was hat sich bloß an YPG und | |
| YPJ seit 2014 geändert? Nichts. Was hat sich also in Deutschland seitdem | |
| geändert? Die deutsch-türkischen Beziehungen. Die haben sich verbessert. | |
| 23 Feb 2018 | |
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| [1] http://(http://webstory.zdf.de/graue-woelfe/ | |
| [2] /Fragwuerdiger-Polizeieinsatz-im-Wendland/!5483886/ | |
| [3] https://www.crisisgroup.org/middle-east-north-africa/eastern-mediterranean/… | |
| [4] https://www.hrw.org/news/2015/07/10/syria-kurdish-forces-violating-child-so… | |
| ## AUTOREN | |
| Ismail Ismail | |
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