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# taz.de -- Türkische Armee in kurdischen Gebieten: Spiel mit syrischem Feuer
> Gegen den türkischen Vormarsch im nordsyrischen Afrin schickt Syriens
> Diktator Assad verbündete kurdische Milizen an die Seite der YPG.
Bild: Milizionäre der Free Syrian Army, die von der Türkei unterstützt wird,…
Athen taz | „Wir wissen nichts über ein Abkommen zwischen der syrischen
Regierung von Baschir al-Assad und den Terroristen der YPG. Doch selbst
wenn es so wäre, würde unser Feldzug in Afrin wie geplant weitergehen.“ Mit
diesem Statement versuchte der Sprecher des türkischen Präsidenten Erdoğan,
İbrahim Kalın, am Mittwoch alle Spekulationen um eine neue Lage in Afrin zu
beenden.
Offiziell bestreitet die türkische Regierung, dass es ein förmlichen
Abkommen Assads mit der syrisch-kurdischen YPG gibt, die seit Ende Januar
Ziel eines türkischen Vormarsches auf syrischem Territorium ist. Am
Wochenende hatte die syrische Staatsagentur Sana am Wochenende von einem
Abkommen zwischen Assad und der YPG berichtet, in den vergangenen Tagen
meldeten die syrischen Staatsmedien, es seien regierungstreue Kämpfer nach
Afrin unterwegs, um die YPG zu unterstützen.
Tatsächlich schickt Assad bislang keine regulären Truppen nach Afrin,
sondern lässt kurdische Milizen aus Aleppo, die mit dem Regime verbündet
sind, vormarschieren. Die Türkei beschoss sie bei der Ankunft in Afrin am
Dienstag mit Artillerie, bombardierte sie aber nicht aus der Luft. Nach
Angaben von Erdoğans Sprecher Kalın musste ein Konvoi mit rund 50
Fahrzeugen noch am Dienstag wieder nach Aleppo zurückkehren. „Es scheint,
dass ihr Ziel ein bisschen Show und ein bisschen Propaganda war“, spielte
Kalın die Unterstützung für die YPG herunter.
Trotzdem ist man in Ankara höchst alarmiert. Recep Tayyip Erdoğan
persönlich griff am Montag zum Telefon, um zuerst mit dem russischen
Präsidenten Wladimir Putin und danach mit dem iranischen Präsidenten Hassan
Rohani zu sprechen – Russland und Iran sind die wichtigsten militärischen
Verbündeten Assads. Über den Inhalt der Gespräche wurde nichts bekannt,
allerdings sagte der russische Außenminister Sergei Lawrow einen Tag
später, die Türkei solle solche Fragen wie jetzt in Afrin doch direkt mit
der syrischen Führung klären, statt in Moskau anzurufen. Bislang weigert
sich Erdoğan kategorisch, mit Assad direkt zu sprechen. Kalın sagte am
Mittwoch, die türkische Regierung habe keinen direkten Kontakt zu Assad.
Offensichtlich herrscht in Ankara nun eine große Unsicherheit, ob die
Türkei für ihren Vormarsch in Afrin noch die notwendige Deckung aus Moskau
hat. Die russische Armee kontrolliert den gesamten Luftraum in Nordsyrien.
Ohne Zustimmung Moskaus können türkische Kampfflugzeuge und Hubschrauber in
Afrin nicht gegen die YPG vorgehen. Am Mittwoch waren keine türkischen
Flieger am Himmel über Afrin zu sehen, es ist aber noch nicht klar, ob das
aufgrund eines russischen Vetos so war oder andere, technische oder
witterungsbedingte Gründe hatte.
Als Reaktion auf das veränderte Verhalten des Assad-Regimes gegenüber der
YPG kündigte Erdoğan am Dienstag vor der AKP-Fraktion in Ankara an, man
werde in den kommenden Tagen den Belagerungsring um die Stadt Afrin
schließen, so dass von Süden keine Verstärkung mehr in die Stadt kommen
könne und die „Terroristen“ auch nicht nach Süden fliehen könnten. Sollte
diese Ankündigung mehr als Propaganda sein, könnte damit ein neues blutiges
Kapitel im Krieg in Syrien beginnen.
In Afrin-Stadt sollen sich nach kurdischen Angaben rund 500.000 Menschen
aufhalten, darunter viele Flüchtlinge aus anderen Teilen des Landes. Welche
verheerenden Auswirkungen eine Belagerung mit Dauerbeschuss durch
Artillerie und Bomben aus der Luft hätte, sieht man derzeit in der
Ost-Ghouta, dem von Rebellen gehaltenen östlichen Umland von Damaskus, wo
Assad-Truppen derzeit massiv angreifen. Man hat es auch zuvor in Aleppo und
Mossul gesehen.
Gegen eine solche Perspektive in Afrin gibt es Proteste nicht nur im
Ausland. Auch in der Türkei rief der Vorsitzende der oppositionellen CHP,
Kemal Kılıçdaroğlu, Präsident Erdoğan dazu auf, nicht die Stadt Afrin
anzugreifen. Die türkische Armee solle sich nicht in einem blutigen
Häuserkampf in Afrin die Hände schmutzig machen, sagte Kılıçdaroğlu. Auch
die Bundesregierung und die designierte Vorsitzende der SPD, Andrea Nahles,
warnten Erdoğan vor diesem Schritt.
21 Feb 2018
## AUTOREN
Wolf Wittenfeld
## TAGS
Türkei
Schwerpunkt Syrien
Afrin
Kurden
Baschar al-Assad
Afrin
Polizei
Türkei
Ghouta
Syrien Bürgerkrieg
Afrin
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