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# taz.de -- Interkultur: Werkstatt im Umbau
> Mit einem Ideenwettbewerb sucht der Kultursenator nach einem neuen
> Konzept für die Werkstatt der Kulturen. Die bisherige Leitung und
> Migrantenorganisationen sind empört.
Bild: Die Organisation des jährlichen Karneval der Kulturen wurde der Werkstat…
„Vielleicht die wichtigste Institution für den interkulturellen Austausch
in Berlin – und die einzige große Kultureinrichtung, die von einer Frau mit
afrikanischen Wurzeln geleitet wird“: Moctar Kamara vom Zentralrat der
afrikanischen Gemeinde in Deutschland ist voll des Lobes für die Werkstatt
der Kulturen – und deren Chefin Philippa Ebéné, die die WdK seit 2008
leitet. Dass die Kulturverwaltung derzeit versucht, Programm und Leitung
der WdK komplett umzukrempeln, deutet Kamara deshalb als „Strafmaßnahme“
gegen Ebéné.
Die hatte sich nicht nur einen Streit mit der bis 2016 für die WdK
zuständigen Integrationsverwaltung über die Sicherheit und am Ende gar die
Zukunft des Karnevals der Kulturen geleistet, der von 1996 bis 2015 von der
WdK organisiert wurde. Ebéné krempelte auch die einst als Haus für
Migrantenkultur gegründete Werkstatt gründlich um: Eigenproduktionen und
von Kurator_innen entwickelte Literatur-, Film- und Konzertreihen setzten
neue Schwerpunkte auf Themen wie Flucht und Globalisierung oder einen
postmigrantischen gesellschaftlichen Dialog.
Damit erntete sie nicht nur Lob: Die Eigenproduktionen ließen zu wenig Raum
für externe Nutzer, Migrantenselbstorganisationen und freie Künstler
fühlten sich verdrängt, sagt etwa Susanne Kahlefeld,
partizipationspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im
Abgeordnetenhaus. Tatsächlich ging die Zahl der Gastveranstaltungen
zwischen 2008 und 2011 von 262 auf 181 zurück, wie eine Kleine Anfrage
Kahlefelds an den Senat 2012 ergab. Im gleichen Zeitraum sank demnach die
Besucherzahl von knapp 40.000 auf 25.000.
Mit einem Programmdialog, an dem auch Migrantenorganisationen beteiligt
waren, hatte die bis 2016 für die WdK zuständige Senatsverwaltung für
Integration ab 2013 deshalb versucht, die Akzeptanz der Einrichtung zu
erkunden und notfalls zu verbessern. Doch 2014 zerrüttete ein Streit um den
von der Werkstatt immer zu Pfingsten organisierten Karneval der Kulturen
das Verhältnis zwischen Werkstattleitung und Verwaltung. Senat und
Veranstalter hatten sich nicht über ein nötig gewordenes Sicherheitskonzept
(und dessen Finanzierung) für das Multikultifest einigen können, das
jährlich zu Pfingsten etwa eine Million BesucherInnen anzieht. Daraufhin
hatte Ebéné Anfang 2015 eine mögliche Absage des Karnevals angekündigt.
Zwar konnte eine Lösung gefunden werden – doch Freunde hatte sich die
WdK-Chefin mit ihrem Vorgehen auf Seiten der Politik nicht gemacht. Ihr
wurde die Verantwortung für den Karneval entzogen, der nun von einem
privaten Veranstalter organisiert wird. 2016 übertrug die neue
rot-rot-grüne Landesregierung die WdK in die Verantwortung des
Kultursenators Klaus Lederer (Linke) – und legte im Koalitionsvertrag fest,
die Trägerschaft für die Kultureinrichtung neu auszuschreiben. Im Juni
vergangenen Jahres bekam der Verein „Brauerei Wissmannstraße“, seit ihrer
Gründung Träger der WdK, die Kündigung.
## Ungewöhnliches Vorgehen
Nun sucht die Kulturverwaltung mit einer ungewöhnlichen Maßnahme nach einem
neuen Konzept: Der „Ideenwettbewerb Werkstatt der Kulturen 2018“ ruft noch
bis zum 27. März dazu auf, „ausgehend von einem künstlerischen Programm
eine Idee für den Ort zu entwickeln“. Die drei besten Ideen sollen Ende
April mit Preisgeldern bis fünfzehntausend Euro prämiert werden. Ein
„Rechtsanspruch auf Förderung oder auf eine konkrete Umsetzung der Ideen“
erwachse daraus nicht, heißt es in der Ausschreibung, die selbst die
Kulturverwaltung für ungewöhnlich hält: „Einen Ideenwettbewerb in dieser
Form gab es bisher noch nicht“, so deren Sprecher.
Um die Suche nach einem neuen Träger geht es bei dem Ideenwettbewerb des
Kultursenators ausdrücklich nicht: Ziel sei ausschließlich „eine
inhaltliche, konzeptionelle und partizipative Auseinandersetzung mit dem
Ort und den damit verbundenen Themen“, so dessen Sprecher Bartsch. Denn die
Bewerbung als Träger sei „nur für wenige Interessenten möglich, da die
rechtlichen, organisatorischen und strukturellen Voraussetzungen und
Bedingungen sehr detailliert sind“. Stattdessen hat die
Senatskulturverwaltung nun selbst zwei Stellen ausgeschrieben – für
Koordinierungsaufgaben „im Bereich der Förderungen zur kulturellen
Vielfalt, insbesondere der Werkstatt der Kulturen und des Karnevals der
Kulturen“.
Werkstattleiterin Ebéné sieht sich vom Senat hintergangen. In Gesprächen
mit der Verwaltung infolge des Programmdialogs sei noch im vergangenen
Sommer „über eine gemeinsame Lösung gesprochen“ worden, von dem
Ideenwettbewerb sei „keine Rede“ gewesen. Pläne zu einer Neugestaltung des
Trägervereins seien vom Integrationsbeauftragten des Senats blockiert
worden, der laut Satzung seine Zustimmung zur Aufnahme neuer Mitglieder in
den 1993 eigens für die WdK-Trägerschaft gegründeten Verein geben muss.
Auch die, um die es eigentlich gehen soll, kritisieren das Vorgehen des
Kultursenators: Der Ideenwettbewerb sei „ohne Not und ohne Einbezug
migrantischer Selbstorganisationen ausgerufen“ worden, hieß es am Dienstag
in einer Pressemitteilung des Migrationsrats, einem Gremium aus 60
Migrantenorganisationen.
Der Trägerverein Brauerei Wissmannstraße will sich am Wettbewerb des
Kultursenators nicht beteiligen, den WdK-Leiterin als Affront sieht:
„Dahinter steckt doch die Haltung, jeder hätte eine bessere Idee als wir.“
28 Feb 2018
## AUTOREN
Alke Wierth
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