# taz.de -- Innenministerium wird ausgeweitet: Regierung entdeckt die Heimat | |
> Erstmals auf Bundesebene soll es ein Heimatministerium geben. Was soll | |
> das? Vorläufer gibt es in Bayern und in Nordrhein-Westfalen. | |
Bild: Ist das Oktoberfest gemeint? | |
Berlin taz | Kürzlich reiste Markus Söder nach Kempten. Dort trat der | |
CSU-Mann vor Trachtler und Narren, ehrte den Erkheimer Klausenverein, den | |
Dillinger Nachtumzug und die Pferdeprozession von Schwangau. Es war die | |
Verleihung des „Heimatpreises Schwaben“, einer von Söders angenehmen | |
Terminen. Denn der ist in Bayern als Minister nicht nur zuständig für | |
Finanzen – sondern auch für die Heimat. | |
Und nun ein solches Amt auch auf Bundesebene? Union und SPD jedenfalls | |
haben sich in ihren Koalitionsverhandlungen auf ein Novum geeinigt: ein | |
Heimatministerium, angesiedelt im Bundesinnenministerium, geführt von der | |
CSU. Übernehmen könnte es Söders Parteikollege Horst Seehofer. Die Frage | |
ist: Was soll das werden? | |
Über ein neues „Superinnenministerium“ jubelte am Mittwoch | |
CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. Denn neben Heimat wird dort in Zukunft | |
auch noch Bauen angekoppelt sein. | |
Gänzlich unerwartet kommt der Heimat-Vorstoß nicht. Schon im Frühjahr 2017 | |
hatte die Union ein Heimatministerium auf Bundesebene gefordert, dies nach | |
der Bundestagswahl noch einmal bekräftigt. Der ländliche Raum könne so | |
gestärkt und attraktiver werden, so Unions-Fraktionschef Volker Kauder. Mit | |
Stipendien für Landlehrer oder Ärztenachwuchs, schnelleres Internet oder | |
Führerscheinen für 16-Jährige, die nur mit Auto zur Ausbildung kämen. Es | |
dürfe nicht nur in den Ballungsräumen aufwärts gehen, so Kauder. „Das Land | |
muss Heimat bleiben.“ | |
Das Ministerium aber dürfte mehr sein: auch ein Besänftigungsversuch der | |
sich in diesem Land vergessen Fühlenden, eine Abwehr der davon | |
profitierenden AfD. Ein Heimatministerium wäre „eine gute Antwort auf die | |
Sorgen der Bürger in Ost und West, die sich abgehängt fühlen“, bekräftigte | |
zuletzt der Thüringer CDU-Fraktionschef Mike Mohring. Im jetzigen | |
Koalitionsvertrag heißt das Ziel: „Heimat mit Zukunft“. Man wolle | |
„gleichwertige Lebensverhältnisse“ in Städten wie auf dem Land schaffen, … | |
Ost wie West. | |
## Welche Heimat? | |
Dass das Heimatressort beim Innenministerium landet, ist indes | |
überraschend. Bisherige Überlegungen gingen eher in Richtung | |
Landwirtschaftsministerium. Offen bleibt auch, was das Ressort für | |
Neubürger bietet, für Migranten und Flüchtlinge. Welche Art Heimat soll | |
ihnen nahegebracht werden? | |
Im Bundesinnenministerium wollte man sich am Mittwoch noch nicht zu dem | |
neuen Ressort äußern. Dort musste vorerst der Abgang von Amtsinhaber Thomas | |
de Maizière (CDU) verdaut werden. Der hatte dem Vernehmen nach eigentlich | |
bleiben wollen. Nun verlässt er das Kabinett, ist der große Verlierer des | |
Personalroulettes. | |
Vorbilder für das Heimatministerium indes gibt es. Schon seit 2014 | |
existiert in Bayern Söders Heimatministerium. Das kümmert sich um | |
Brauchtumspflege, lobte etwa je tausend Euro für die hundert besten | |
„Heimatwirtschaften“ aus. Daneben verlegte Söder aber auch Behörden und | |
Verwaltungsjobs aufs Land, sicherte den Erhalt von Krankenhäusern, baut | |
Breitband und WLAN aus. | |
## Kein Wundermittel gegen die AfD | |
Im vergangenen Sommer schuf auch Schwarz-Gelb in NRW ein Heimatministerium | |
– im Verbund mit Kommunales, Bau und Gleichstellung. Eine bunte Mischung – | |
aber mit elf Millionen Euro für die Heimat mit kleinem Etat. Ministerin Ina | |
Scharrenbach (CDU) fuhr mit einer „Heimattour“ sechs Tage durchs Land, | |
förderte Begegnungszentren, ermöglichte Zusätze auf Ortsschildern, etwa in | |
Plattdeutsch, oder gewann den Schlagersänger Heino als „Heimatbotschafter“. | |
Als Wundermittel gegen die AfD indes taugten beide Ministerien nicht: Die | |
Rechtspopulisten stiegen in NRW zuletzt in Umfragen, in Bayern auf bis zu | |
14 Prozent. Trotz Heimat-Offensive. | |
7 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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