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# taz.de -- Schlafforscher über GroKo-Verhandlung: Lieber 'ne Nacht drüber sc…
> Schlaflos durch die Koalitionsverhandlungen: Thomas Penzel erklärt, wie
> die Entscheidungsfähigkeit durch Schlafmangel beeinträchtigt wird.
Bild: 24 Stunden lang trotz Müdigkeit verhandeln? Ein echter Fuchs hätte sich…
taz: Herr Penzel, über 24 Stunden haben CDU, CSU und SPD über den
Koalitionsvertrag diskutiert. Ist man mit so einem Schlafdefizit noch
entscheidungsfähig?
Thomas Penzel: Entscheidungen kann man immer treffen, auch nach so wenig
Schlaf. Die Frage für mich ist eher, ob sie zu einem tragfähigen Ergebnis
kommen. Was man weiß ist, dass die Reaktionsfähigkeit schlechter wird, die
Konzentrationsfähigkeit nimmt ab und die Emotionen ändern sich. Menschen,
die zu Aggression neigen, werden aggressiver. Menschen, die zu Lethargie
neigen, werden lethargischer. Entscheidungen sind deshalb stärker emotional
geprägt und nicht mehr so rational wie sonst. Solche emotional gefällten
Entscheidungen sind eigentlich nicht das, was wir uns wünschen.
Das heißt, wenn die Parteien morgen ausgeschlafen auf den Vertrag schauen,
kann es sein, dass er kein Ergebnis mehr ist, mit dem sie zufrieden sind?
Das kann sehr gut sein. Man sagt ja bei schweren Entscheidungen, dass man
noch mal eine Nacht über sie schläft und sich erst am nächsten Tag
festlegt. Das Sprichwort ist nicht ohne Grund so beliebt.
Hätten die Beteiligten also kollektiv Power-Naps einlegen sollen?
Power-Naps helfen etwas. Eine gute Analogie ist der Schlafentzug oder
Teilschlafentzug beim Autofahren. Zu wenig Schlaf führt zu Unfällen und die
will man vermeiden. Weil Unfälle Menschenleben und viel Geld kosten,
forscht man viel über das Autofahren bei Schlafentzug. Man hat
herausgefunden, dass Power-Naps helfen, für zwei bis drei Stunden wieder
fit zu sein. Mehr aber auch nicht! Nickerchen sind kein Ersatz für einen
Nachtschlaf. Schlafentzug macht auch Druck. Ich fände es besser, wenn sie
einen Entwurf aufschreiben würden und morgen noch mal draufgucken. Dann
sind sie fitter und das Ergebnis wird viel besser, als wenn man jetzt nach
einem Power-Nap zu einem Ergebnis kommt.
Und wenn man mehrere Power-Naps macht?
Das hilft dabei, die Zeit zu überbrücken, aber es ist nicht so effektiv.
Unser Schlaf hat mehrere Phasen: Wir brauchen eine Weile zum Einschlafen,
also zum Runterkommen. Je älter man ist, desto länger dauert das. Dann
kommen wir in den Tiefschlaf, der normalerweise eine halbe Stunde lang
dauert. Schließlich kommt der Traumschlaf, der ist etwa zehn Minuten lang,
und das ganze ist ein vollständiger Schlafzyklus. Davon hat man pro Nacht
vier bis sechs Stück. Beim Power-Nap, der nur eine halbe Stunde dauert,
kommt man gar nicht in den Tief- oder Traumschlaf. Diese wichtigen
Schlafkomponenten bleiben also aus. Wenn man in den Tiefschlaf kommt und
währenddessen aufwacht würde, ist man ganz neben der Spur. Das bringt es
gar nicht, deshalb darf ein Power-Nap maximal eine halbe Stunde gehen. Die
Erholungsfunktion, die der normale Schlaf hat, bekommt man mit einem
Nickerchen einfach nicht.
Wie lang darf ein Nickerchen höchstens sein, wenn man mehr als eine halbe
Stunde, aber weniger als eine ganze Nacht schlafen will?
Es gilt: Entweder Power-Nap oder eine ganze Nacht. Wenn man den Schlaf
abkürzen will, braucht man einen ganzen Zyklus. Das lässt sich aber sehr
schwer abpassen. Durchschnittlich geht der Zyklus 90 bis 100 Minuten lang.
Wenn man vorher schon zu lange zu wenig geschlafen hat, zum Beispiel schon
die ganze Woche lang, dann passt es auch nicht. Man häuft ein Schlafdefizit
an, das machen die meisten von uns. Dieses Phänomen nennt sich soziales
Schlafdefizit, das holt man am Wochenende nach. Doch die Schlafzyklik
verändert sich, der Tiefschlaf dauert dann vielleicht 50-60 Minuten statt
nur einer halben Stunde. Den Wecker auf 90 Minuten Schlafzeit zu stellen
könnte dann bedeuten, aus dem Traumschlaf gerissen zu werden. Da wacht man
total gerädert auf. (lacht)
Wenn man sich für solche Verhandlungen komplett nach der
Konzentrationsspanne und dem Schlafzyklus richten dürfte, wann wäre dann
das perfekte Zeitfenster?
Da sind die Menschen sehr unterschiedlich. Es gibt die Lerchen, die
Frühaufsteher sozusagen, und die Eulen, die Nachtmenschen. Die
Frühaufsteher sind schon eine Stunde nach dem Aufstehen leistungsfähig. Ein
zweites Hoch gibt es am Abend gegen 17, 18 Uhr. Für die Eulen ist das
entsprechend später, etwa gegen 20 Uhr. Durchschnittlich ist man zwischen 9
und 18 Uhr fit.
7 Feb 2018
## AUTOREN
Hengameh Yaghoobifarah
## TAGS
Schlaf
Schwarz-rote Koalition
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