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# taz.de -- Kommentar Koalitionsvertrag: Erstaunlich progressiv
> Die Große Koalition hat keinen großen Plan. Aber bei allen Mängeln setzt
> sie ein paar Prioritäten goldrichtig: Europa, Mittelschicht, Kinder.
Bild: Die Regierung in spe wirkt ja auf viele so aufregend wie lauwarmer Kamill…
Wagen wir mal etwas Verrücktes, nämlich ein Lob der Großen Koalition. Die
Regierung in spe wirkt ja auf viele so aufregend wie lauwarmer Kamillentee.
Puh, schon wieder eine Groko, wie langweilig und unambitioniert ist das
denn, mit solchen Thesen lässt sich jedes Partygespräch bestreiten. Doch
[1][das Bündnis, das CDU, CSU und SPD eingehen wollen], ist erstaunlich
progressiv. Diese Koalition setzt ein paar Prioritäten goldrichtig.
Da wäre zuallererst das viel versprechende Europa-Kapitel. Die Koalition
gibt endlich eine Antwort auf die Reformvorschläge des französischen
Präsidenten Emmanuel Macron. Und es ist nicht die schlechteste. Sie bekennt
sich zur deutsch-französischen Partnerschaft, zu mehr sozialen
Investitionen und zur Aufstockung der deutschen Beiträge für den
EU-Haushalt. Das Bündnis stünde also für das Versprechen, den deutschen
Egoismus zu stoppen, für Stabilität und für Zuverlässigkeit. Allein das
sind starke Argumente.
Die SPD hat bei der Verteilung der Ministerien einen großen Erfolg
eingefahren. Sie wird – neben ihrem Stammressort Arbeit und Soziales – das
Finanzministerium und das Auswärtige Amt besetzen. Die Sozialdemokraten
haben damit eine echte Chance, eine neue Europapolitik durchzusetzen.
Dringend nötig wäre es, nun sind sie in der Pflicht zu liefern. Wie
solidarisch sich Deutschland in der EU verhält, ist eine der wichtigsten
Zukunftsfragen. Jamaika mit der EU-skeptischen FDP an Bord wäre ein schwer
kalkulierbares Risiko gewesen.
## Kühlende Brandsalbe
Die zweite Priorität, die die Koalition richtig setzt, sind die sogenannten
kleinen Leute. Viele Menschen kommen beim rasanten Wandel der Gesellschaft
nicht mit, sie empfinden ihn als Bedrohung. Zu Recht spricht der Soziologe
Heinz Bude von einer „Grundstimmung der Gereiztheit“, die den
Rechtspopulisten nutzt. Die Große Koalition verteilt nun kühlende
Brandsalbe.
Überall im Koalitionsvertrag finden sich Ideen, die der unteren
Mittelschicht das Leben erleichtern. Ob es die Senkung der
Sozialversicherungsbeiträge, die Parität bei den Krankenkassenbeiträgen ist
– oder die Tatsache, dass der Soli erstmal nur für Normalverdiener
wegfällt, aber nicht für Spitzenverdiener. Ein Busfahrer, ledig, 2.400 Euro
brutto im Monat, hätte dadurch laut SPD 370 Euro im Jahr mehr in der
Tasche. Keine Unsumme, aber auch kein Kleckerbetrag.
## Bildung finanzieren
Eine dritte Priorität der Koalition wären die Kinder. Auch sie würden von
der angeblichen Langeweile profitieren. Dass Bildungserfolg unabhängig vom
Einkommen der Eltern möglich sein muss, ist seit Jahren eine der
wichtigsten progressiven Forderungen. Ausgerechnet die Groko könnte hier
einen großen Schritt gehen, indem sie dem Bund die Finanzierung von Schulen
erlaubt. Der Fall des Kooperationsverbotes wäre eine kleine Revolution.
Ja, die Große Koalition hat keinen großen Plan, ihre Protagonisten wirken
erschöpft und ihre kalte Ignoranz gegenüber Flüchtlingen und der Klimakrise
ist fürchterlich. Aber klar ist auch: Diese Regierung würde die Republik an
vielen Stellen ein bisschen gerechter machen. Und eine Bessere ist leider
nicht in Sicht.
7 Feb 2018
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## AUTOREN
Ulrich Schulte
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