| # taz.de -- Nahles wird neue Parteichefin: Jetzt kriegt die SPD auf die Fresse | |
| > Personalrochade bei der SPD: Fraktionschefin Andrea Nahles folgt Martin | |
| > Schulz als Parteichefin, Olaf Scholz wird Vizekanzler. | |
| Bild: Gruppenselfie mit neuer Parteichefin und neuem Vizekanzler | |
| Berlin taz | „Müde, aber zufrieden“ – diese Nachricht hat die SPD-Führu… | |
| am Mittwoch kurz [1][nach dem Ende der Koalitionsverhandlungen] per | |
| Whatsapp versandt. Auf dem dazugehörigen Foto konnte man im Grunde schon | |
| gut erkennen, was nur wenig später öffentlich werden sollte: Martin Schulz | |
| gibt sein Amt als Parteivorsitzender an Andrea Nahles ab. | |
| Man konnte es etwa daran erkennen, dass sich auf dem Selfie der sieben | |
| SpitzengenossInnen der Einst-100-Prozent-Vorsitzende ganz hinten links | |
| gerade noch ins Bild drückte – und im Zentrum des Fotos eine glückliche | |
| Andrea Nahles strahlte. | |
| Mit seinem Rückzug vom Vorsitz tut Martin Schulz seiner Partei gleich | |
| mehrere Gefallen. Sein Unvermögen, die SPD tatsächlich zu führen – | |
| verbunden mit dem damit einhergehenden persönlichen Scheitern – kommt nun | |
| wohl zu einem gnädigen Ende. Und jenen Mitgliedern, die sozialdemokratische | |
| Politik als Handlungs-, nicht als Oppositionsoption begreifen, bietet er | |
| sechs wichtige Ministerien an im Tausch gegen ihre Zustimmung zum | |
| Koalitionsvertrag. | |
| Auch die Händel mit seinem einstigen Freund und zuletzt trickreichen Gegner | |
| Sigmar Gabriel beendet er mit einem Sieg – als dessen einstiger direkter | |
| Nachfolger als Vorsitzender und nun im Auswärtigen Amt. Vizekanzler soll | |
| wohl aber Olaf Scholz, Bundesfinanzminister in spe, werden. | |
| ## Endlich: Eine Frau an der Spitze | |
| Und letztlich: Mit Andrea Nahles bietet Schulz jenen in der Partei eine | |
| Vorsitzende an, die sich nach der Bundestagswahl unter dem Schlagwort | |
| #SPDerneuern zutiefst unzufrieden gezeigt hatten. Auch die Forderung vieler | |
| SPD-Mitglieder nach einer Frau an der Spitze würde mit Nahles erstmals in | |
| der Parteigeschichte erfüllt. | |
| Selbstverständlich bedeutet die Rochade lediglich eine Teillösung jener | |
| massiven Probleme, die die SPD hat. Die Glaubwürdigkeitsfrage der | |
| Parteiführung bliebe nur teilweise gelöst: Andrea Nahles ist – bei allem | |
| Furor – sowas von alte SPD, mehr geht kaum. Die 47-Jährige trat vor knapp | |
| 30 Jahren in die SPD ein. Mit 25 wurde die laute Frau mit der Lockenmähne | |
| Juso-Vorsitzende. | |
| 1998, mit dem Beginn der rot-grünen Regierungskoalition unter Kanzler | |
| Gerhard Schröder, wurde sie nicht nur Bundestagsabgeordnete, sondern auch | |
| eine von Schröders heftigsten Kritikerinnen. 2005 wagte Nahles, gegen | |
| Parteichef Franz Münteferings Wunschkandidaten für das Amt des | |
| SPD-Generalsekretärs anzutreten. Müntefering war dermaßen erbost, dass er | |
| nicht erneut als Vorsitzender kandidierte. Nahles hatte nicht brav | |
| gewartet, bis man ihr einen Frauenplatz anbot. | |
| Ab 2009 wurde sie SPD-Generalsekretärin unter Gabriel – keine gute Zeit, da | |
| war zuviel geballtes Ego unter dem Dach des Willy-Brandt-Hauses. Erst als | |
| Andrea Nahles ab 2013 Arbeitsministerin in der Großen Koalition wurde, | |
| schwamm sie sich wirklich frei. Mindestlohn, Rente mit 63, Mütterrente – | |
| sie arbeitete hart daran, die SPD-Versprechen einzulösen. Im [2][Gespräch | |
| mit der taz sagte sie] damals, es zeichne sie „eine ganz solide Sturheit“ | |
| aus. | |
| ## Eine, die den Eklat nicht scheut | |
| Für sie spricht, dass sie als künftige Parteivorsitzende und dennoch | |
| Nicht-Regierungsmitglied eine starke und eigenständige Fraktionsvorsitzende | |
| abgeben würde. Das lässt für die parlamentarische Auseinandersetzung | |
| hoffen, aber auch einiges befürchten. Denn Nahles scheut den Eklat nicht. | |
| 2013 sang sie im Bundestagsplenum das Pippi-Langstrumpf-Lied. Gleich nach | |
| ihrer Wahl zur Fraktionschefin am 27. September erklärte sie, die nächste | |
| Bundesregierung bekäme ab jetzt „auf die Fresse“. Und beim jüngsten | |
| SPD-Parteitag Mitte Januar hielt, ja brüllte sie eine kämpferische wie | |
| wütende Rede, dass einem Hören und Sehen verging. Erst danach gab es das | |
| Okay der Delegierten, überhaupt mit der Union zu reden. | |
| Es ist nicht ausgemacht, dass Andrea Nahles das jetzt noch einmal | |
| hinkriegt. Denn nun hat die Basis das Wort: 463.000 Mitglieder werden in | |
| den nächsten Wochen bis Anfang März über den 177 Seiten langen | |
| Koalitionsvertrag abstimmen. Juso-Chef Kevin Kühnert, Posterboy der | |
| parteiinternen #NoGroko-Bewegung, hat schon angefasst reagiert angesichts | |
| des kaum verhohlenen Stolzes der Führungsmannschaft. [3][Er twitterte]: | |
| „#NoGroko bedeutet nicht nur die Ablehnung eines Koalitionsvertrags (über | |
| den plötzlich niemand mehr spricht). #NoGroko bedeutet auch die Absage an | |
| den politischen Stil, der heute aufgeführt wird. #SPDerneuern | |
| #fassungslos“. | |
| Tatsächlich hatte die Führung ihrer Partei versprochen, erst einmal | |
| ausschließlich über die Inhalte des Papiers zu diskutieren. Dass nicht | |
| einmal eine Stunde nach dem Ende der Verhandlungen öffentlich über Posten | |
| geschwätzt wurde, lässt nichts Gutes ahnen. | |
| 7 Feb 2018 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Einigung-auf-Grosse-Koalition/!5483198 | |
| [2] /!333082SuchRahmen=Print/ | |
| [3] https://twitter.com/KuehniKev/status/961198918381002752 | |
| ## AUTOREN | |
| Anja Maier | |
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