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# taz.de -- Kommentar Gerangel um SPD-Führung: Nach der Achterbahnfahrt
> Andrea Nahles und Olaf Scholz sind das neue Machtzentrum der SPD. Ihre
> erste Woche war suboptimal. Aber es gibt Hoffnung.
Bild: Willy Brandt steht hinter der neuen Spitze
Dass Machtkämpfe in Parteien rüde ausgetragen werden, ist ja nicht
unbedingt neu. Helmut Kohl räumte Gegner mit einer Rücksichtslosigkeit
beiseite, gegen die sich der SPD-Vorstand wie eine
Amnesty-International-Basisgruppe ausnimmt. Und trotzdem – man ist noch
immer wie betäubt von der Explosion, mit der sich Schulz und Gabriel ins
Aus katapultiert haben.
Das hat zwei Gründe. Bei Union oder FDP nimmt man Intrigen eher mit einem
Achselzucken hin. Bei der SPD, die auf Parteitagen „Wann wir schreiten Seit
an Seit“ anstimmt, ist die Fallhöhe größer. Wer beseelt Solidarität
verspricht, aber nur auf die eigene Karriere schaut, schlägt hart auf. Und:
Auch unverschämte Karrieremanöver werden irgendwann verziehen. Schulz’
kläglicher Versuch, den Job des SPD-Chefs gegen den des Außenministers zu
tauschen, fügt sich nun in die düstere Stimmung der SPD. Noch nicht mal das
klappt.
Jetzt soll alles anders werden. Der wankelmütige Schulz, der erratische
Gabriel: Geschichte. Jetzt regieren mit Andrea Nahles und Olaf Scholz
professionelle Handwerker der Macht. So sehen sie sich selbst.
## Hoffnung auf künftige Schwäche der CDU
Skeptisch stimmt allerdings, dass Nahles den politischen Amoklauf von
Schulz nicht stoppte, sondern willig den ihr darin zugedachten Part als
neue SPD-Chefin übernahm. Dass Nahles den Job auch sofort kommissarisch
übernommen hätte, obwohl dies der Satzung widerspricht, flößt auch nicht
eben Vertrauen ein. Ist es altmodisch zu erwarten, dass sich Chefs an die
eigenen Regeln halten?
Auch die politischen Markierungen des neuen SPD-Machtzentrums klingen
ernüchternd. Scholz will als Finanzminister eisern an Schäubles Schwarzer
Null festhalten. Das nährt Zweifel, ob das Finanzministerium wirklich an
die SPD gegangen ist. Nahles signalisiert, dass sie die Partei nicht nach
links rücken wird. Es soll bleiben, wie es ist. Die Strategie der
Nahles-SPD ist es, den Mittekurs beizubehalten und weiter frühere Fehler,
vom Kooperationsverbot bis zu prekären Jobs, zu reparieren. Außerdem hofft
man, irgendwann von Machtkämpfen der Post-Merkel-Union zu profitieren. Das
ist aber keine Strategie – es ist der feuchte Traum der SPD seit zehn
Jahren.
Maximal irritierend ist Scholz’ Bemerkung, dass die SPD wieder stärkste
Partei werden will. Die SPD, die in Umfragen jäh abstürzt, sich widerwillig
in die Regierung zwingt, deren Führung sich selbst abgeschossen hat?
Autosuggestion kann politisch wirksam sein. Oskar Lafontaine stampfte 2004
die Linkspartei aus dem Boden – einfach, weil er daran glaubte. Wünsche
durch Willen in Wirklichkeit zu verwandeln, das kann ein mächtiges Schwert
sein. Oder albernes Plastikspielzeug. Bei Scholz fragt man sich jedenfalls
eher, in welcher Filterblase er so unterwegs ist. Für die SPD wäre es nach
den emotionalen Ecstasy-Trips mit Martin Schulz heilsam, nüchtern zu
bleiben. Keine Sprüche, keine haltlosen Versprechen. Das wäre
professionell.
Danach hängt fast alles von Nahles ab. Falls die Basis die Groko
durchwinkt, wird sich am 4. März lautlos die Macht verschieben. Sie wandert
von der Partei in die Ministerien. Dort spielt fortan die Musik, die
Fraktion gibt den Chor, die Partei das Publikum. So war es immer. Dass die
SPD in der Großen Koalition sang- und klanglos unterging, dass sie so
technokratisch verholzt wirkt, liegt auch daran, dass die Partei nur
Anhängsel der Regierung ist.
Das könnte anders werden. Gewöhnlich ist der SPD-Chef als Minister in die
Kabinettsdisziplin eingewoben. Nun wird Nahles Fraktions- und Parteichefin.
Das Modell ist nicht neu – auch Müntefering war schon mal beides. Und doch
kann dies eine Chance sein. Sofern Nahles nicht im Hauptberuf
Fraktionschefin sein will, die die Partei an die Kandare nimmt – sondern
Parteichefin. Die Antwort, wofür eine Exarbeiterpartei im digitalen
Kapitalismus nötig ist, wird nicht die Ministerialbürokratie geben,
sondern, wenn überhaupt, die SPD.
16 Feb 2018
## AUTOREN
Stefan Reinecke
## TAGS
SPD
Andrea Nahles
Olaf Scholz
Schwarz-rote Koalition
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Andrea Nahles
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