Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Amtsübergabe an der SPD-Spitze: Mal wieder den Neustart verstolpert
> Übergangsparteichef Olaf Scholz gibt sich im Bierzelt selbstbewusst.
> Seine Mission am Aschermittwoch: Die Chaostage der SPD beenden.
Bild: Olaf Scholz konnte sie am Mittwoch nicht überzeugen: Jusos im Vilshofene…
Berlin taz | Normalerweise ist der politische Aschermittwoch ein
willkommener Anlass, um die Konkurrenz zu verdreschen. Doch Olaf Scholz,
neuerdings kommissarischer SPD-Vorsitzender, spricht in dem Bierzelt in
Vilshofen an der Donau gemessen und ruhig. Er lobt den Koalitionsvertrag
und mahnt, dass sich das Zeitfenster für europäische Reformen schnell
schließen könne. Die Bürger, sagt Scholz, würden es der SPD nicht
verzeihen, wenn sie nicht verantwortlich handele.
Ruhe reinbringen, Selbstbewusstsein ausstrahlen, Schluss mit den Chaostagen
– das ist Scholz’Mission. Die SPD-Spitze, beteuert er in Interviews, hat
sich sortiert und gut aufgestellt. Ab jetzt gehe es um die Sache, nämlich
um die Inhalte des Koalitionsvertrags. Bitte keine quälenden
Personaldebatten mehr, diese Hoffnung teilen sie alle in der SPD-Spitze.
Am Dienstagabend, nach stundenlangen Sitzungen von Präsidium und Vorstand,
wurde im Willy-Brandt-Haus in Berlin der Neuanfang verkündet. Martin Schulz
gab den Parteivorsitz ab, Scholz übernahm ihn vorläufig. Andrea Nahles
wurde von den Gremien einstimmig als neue Vorsitzende nominiert. Falls ein
Sonderparteitag am 22. April sie wählt, wird sie die erste Frau in diesem
Amt in der 154-jährigen Geschichte der Partei sein. Seitdem gehen
SPD-Spitzenleute wie die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu
Dreyer an keinem Mikrofon vorbei, ohne Nahles über den grünen Klee zu
loben.
Scholz wird in der SPD als künftiger Finanzminister und Vizekanzler
gehandelt. Natascha Kohnen, SPD-Bundesvize und Landeschefin in Bayern,
spielt in ihrer Rede darauf an. „Ich hätte auch schon eine Idee, wer das
machen könnte. Schau’n wir mal.“ Scholz nimmt solches Lob, sagen wir,
wohlwollend zur Kenntnis. Der 59-Jährige ist davon überzeugt, dass kaum
einer hohe Ämter besser ausfüllt als er selbst. In seine Rede streut er
immer wieder eine ordentliche Prise Selbstlob ein, etwa indem er die
Gratiskitas in der Hansestadt preist.
## Den Widerstand unterschätzt
Nahles und Scholz bilden nun das neue Machtzentrum in der SPD. Doch der
Jubel der SPD-Spitze kann nicht überdecken, dass der Neustart ein paar
Dellen hat. Denn eigentlich war es ja anders geplant. Nahles hätte gerne
den kommissarischen Vorsitz selbst übernommen – und sie wurde in diesem
Anliegen von einigen in der Parteispitze unterstützt. Doch ihre Berater und
sie hatten den Widerstand in den eigenen Reihen unterschätzt. Drei
Landesverbände, Berlin, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt,
protestierten. Ihr juristisch fundiertes Argument: Einer der Stellvertreter
müsse die Amtsgeschäfte weiterführen. Nahles ist zwar Fraktionsvorsitzende,
sitzt aber bisher nicht im Vorstand.
Auch der Chef der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen, Harald
Baumann-Hasske, erklärte, in der Satzung gebe es für Nahles’Inthronisierung
keine Grundlage. Dabei spielte auch eine Rolle, dass Nahles’Wunsch wie eine
von wenigen Führungsleuten ausgeklüngelte Vorentscheidung ausgesehen hätte.
Denn inzwischen haben sich zwei Gegenkandidaten gemeldet. Neben Flensburgs
Oberbürgermeisterin Simone Lange hob gestern der Basismann Dirk Diedrich
den Finger, SPD-Vize-Kreischef in Dithmarschen, Schleswig-Holstein.
Die Gremien änderten deshalb am Dienstag den Plan – und beauftragten Scholz
mit dem kommissarischen Vorsitz. Nahles und Scholz gaben sich danach
demütig. Nahles nannte es „ein Statement für sich“, dass ihre Wahl nun
durch den Parteitag erfolge. Scholz sagte: „Meine Aufgabe ist eine
dienende.“ Die Botschaft: Wir haben verstanden. Dennoch ist
unwahrscheinlich, dass sich die Lage in der SPD beruhigt.
## SPD-Linke fordern Urwahl
Manche SPD-Linke fordern eine Urwahl des Parteivorsitzenden. Ein
transparenter Prozess sei wichtig für die Erneuerung der Partei,
argumentiert da beispielsweise die Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis.
Dann wären da die Namen der künftigen SPD-MinisterInnen im Kabinett. Nahles
und Scholz wollen diese Namen erst nach dem Mitgliedervotum nennen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat angekündigt, die CDU-MinisterInnen bis
zum Parteitag am 26. Februar bekannt zu geben. Und die SPD-Basis soll keine
Namen erfahren? Der nächste Streit ist programmiert.
15 Feb 2018
## AUTOREN
Ulrich Schulte
## TAGS
Andrea Nahles
Olaf Scholz
Politischer Aschermittwoch
Urwahl
Sozialdemokraten
Andrea Nahles
SPD
SPD
SPD-Basis
CSU
SPD
## ARTIKEL ZUM THEMA
In der Heimat von Andrea Nahles: Ode an die Eifelperle
Die Weiblichkeitsperformance von Andrea Nahles fügt sich in die Umgebung
ein – jedenfalls in der Vulkaneifel, wo die SPD-Frau herkommt und wohnt.
Kommentar Gerangel um SPD-Führung: Nach der Achterbahnfahrt
Andrea Nahles und Olaf Scholz sind das neue Machtzentrum der SPD. Ihre
erste Woche war suboptimal. Aber es gibt Hoffnung.
Kampf um den SPD-Parteivorsitz: Dritter Gegenkandidat zu Nahles
Auch Parteimitglied Udo Schmitz aus Niedersachsen tritt gegen die
Fraktionschefin an. Dem Vorstand wirft er vor, „jegliche Form von
Bodenhaftung“ verloren zu haben.
NoGroko-Tour durch Deutschland: Hunderte kommen zu Kühnert
Juso-Chef Kevin Kühnert macht während seiner Tour auch Station in Berlin.
In Kreuzberg argumentiert er energisch, bleibt aber sachlich.
Politischer Aschermittwoch der CSU: Er will sich dahoam fühlen
Markus Söder ist einziger Hauptredner in Passau. Seine Rede ist
durchschnittlich, doch sie verfängt. Denn er weiß: Das Thema Flüchtlinge
zieht.
Parteivorsitz der SPD: Nahles einstimmig nominiert
Scholz macht komissarisch den Schulz – und sagt: „Wir wollen wieder
stärkste Partei werden.“ Im April soll dann Andrea Nahles das Amt der
SPD-Vorsitzenden antreten.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.