# taz.de -- Kritik nach AfD-Skandalrede: „Exzess an Hetze“ | |
> Nach seiner „Gesindel“-Rede kassiert AfD-Rechtsaußen André Poggenburg | |
> eine Anzeige – und Kritik selbst vom Bundespräsidenten. | |
Bild: Mal wieder zu weit gegangen: AfD-Rechtsaußen André Poggenburg | |
BERLIN taz | Nach seiner Rede beim Politischen Aschermittwoch der AfD im | |
sächsischen Nentmannsdorf kassiert der AfD-Rechtsaußen André Poggenburg | |
breite Kritik, bis hoch zu Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier – und | |
eine Strafanzeige wegen Volksverhetzung. Der sachsen-anhaltinische Partei- | |
und Fraktionschef war in deftigem NPD-Slang über Deutschtürken hergezogen, | |
hatte von „Kameltreibern“ gesprochen und „vaterlandslosem Gesindel, das w… | |
hier nicht länger haben wollen“. | |
Steinmeier sagte am Donnerstag mit Blick auf Poggenburg: „Was ich sehe, | |
ist, dass es Politiker gibt, die Maßlosigkeit in der Sprache, | |
Rücksichtslosigkeit und Hass in ihrer Haltung zu einer eigenen Strategie | |
machen.“ Er hoffe, „dass sich die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes | |
nicht vor diesen Karren spannen lassen“. Auch Bundesjustizminister Heiko | |
Maas (SPD) kritisierte den AfD-Politiker scharf. „Wer Menschen aufgrund | |
ihrer Herkunft oder Abstammung diskriminiert, muss sich vorhalten lassen, | |
ein Rassist zu sein.“ | |
Gökay Sofuoğlu, der Chef der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD), | |
kündigte eine Anzeige gegen Poggenburg wegen Volksverhetzung an. Es handle | |
sich um „unterirdische, rassistische Beschimpfungen“, sagte Sofuoğlu der | |
taz. In der AfD gehe es nicht mehr um Einzelfälle. „Hier nehmen sich | |
Rechtsradikale immer mehr Raum und das besorgt mich.“ Bei der | |
Staatsanwaltschaft Dresden ging bereits eine andere, private Anzeige wegen | |
Volksverhetzung ein. Daraufhin hat sie Vorermittlungen gegen Poggenburg | |
eingeleitet. | |
Poggenburg hatte bei seiner Rede über die TGD, die sich zuletzt kritisch | |
über das geplante Heimatministerium im Bund geäußert hatte, gesagt: „Diese | |
Kümmelhändler haben selbst einen Völkermord an 1,5 Millionen Armeniern am | |
Arsch. (…) Diese Kameltreiber sollen sich da hinscheren, wo sie hingehören: | |
weit, weit, weit hinter den Bosporus, zu den Lehmhütten und Vielweibern. | |
Hier haben sie nichts zu suchen.“ Außerdem ätzte er über die doppelte | |
Staatsbürgerschaft, diese bringe „vaterlandsloses Gesindel“ hervor. Die | |
rund 1.000 Zuhörer quittierten die Aussagen mit begeistertem Applaus und | |
„Abschieben, Abschieben“-Rufen. Poggenburg dazu: „Das wäre ein Rezept.“ | |
## „Wortwahl ging zu weit“ | |
Solche Töne kannte man vor einigen Jahren nur von der rechtsextremen NPD. | |
Kritik an Poggenburg kam denn auch selbst aus der AfD. Am Aschermittwoch | |
gehe es verbal etwas derber zu, versuchte Bundeschef Jörg Meuthen zu | |
relativieren. Dennoch: „Die Wortwahl Poggenburgs geht dessen ungeachtet | |
deutlich zu weit und hätte nicht vorkommen sollen.“ | |
Der sah sich schließlich zu einer Stellungnahme genötigt: „Eine | |
Herabsetzung anderer Nationalitäten liegt mir völlig fern.“ Seine Rede sei | |
eine „zugespitzte Politsatire“ gewesen, wie am Aschermittwoch üblich. | |
„Politische Korrektheit“ dürfe nicht dazu führen, dass diese „Tradition… | |
nicht mehr gepflegt werden könne. | |
Rico Gebhardt, Linken-Fraktionschef in Sachsen, nannte die Rede dagegen | |
„unentschuldbar und eine Schande für ein zivilisiertes Land“. „Mit diesem | |
Exzess an Hetze nähert sich die AfD der Sportpalastrede von | |
NS-Reichspropagandaminister Joseph Goebbels an“, so Gebhardt. Die CDU müsse | |
nun allen Kooperationsfantasien mit der AfD eine klare Absage erteilen. | |
„Hier steht die Werteordnung des Grundgesetzes auf dem Spiel.“ | |
## Fall für den Verfassungsschutz? | |
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs forderte eine Beobachtung der | |
AfD durch den Verfassungsschutz. „Viele Funktionäre und Amtsträger in der | |
AfD sind Rechtsradikale oder stehen rechtsradikalem Gedankengut nahe“, | |
sagte er der FAZ. Das reiche, um eine Beobachtung zu prüfen. | |
Bisher lehnen die Ämter für Verfassungsschutz eine Beobachtung der AfD ab. | |
Das Innenministerium in Sachsen-Anhalt ließ am Donnerstag eine taz-Anfrage | |
vorerst unbeantwortet, ob nun zumindest die Poggenburg-Rede geprüft werde. | |
Schon im Sommer 2017 hatte man dort einen Prüfauftrag an den | |
Landesverfassungsschutz erteilt, nachdem AfD-interne Chatprotokolle | |
öffentlich geworden waren. Darin nutzte Poggenburg den NPD-Slogan | |
„Deutschland den Deutschen“. Ein Bundespolizist aus Magdeburg forderte | |
sogar, nach der „Machtübernahme“ alle „volksfeindlichen Medien“ zu | |
verbieten. Der Verfassungsschutz lehnte damals eine Beobachtung ab: Von der | |
AfD gehe bislang keine Gefahr für die Grundordnung des Staates aus. | |
Nun indes übte Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) | |
scharfe Kritik: Die AfD mutiere „zur NPD light“. „Die AfD-Mitglieder und | |
Abgeordneten sollten sich fragen, ob dieser Herr noch die Mehrheit in der | |
AfD repräsentiert“, so Stahlknecht. „Bleibt Poggenburg, ist die AfD auf dem | |
Weg in den braunen Abgrund.“ | |
## Bündnis mit Pegida | |
Neben Poggenburg traten in Nentmannsdorf auch die AfD-Landeschefs aus | |
Thüringen, Sachsen und Brandenburg, Björn Höcke, Jörg Urban und Andreas | |
Kalbitz, sowie Jürgen Elsässer, Chefredakteur des rechten Compact-Magazins, | |
auf. Die Veranstaltung kann als Schulterschluss dieser ostdeutschen | |
Landesverbände unter völkischem Vorzeichen verstanden werden. | |
Neu mit dabei ist Sachsen, das unter seiner ehemaligen Landesparteichefin | |
Frauke Petry bislang eine gewisse Distanz zu den drei anderen Bundesländern | |
und auch zu Pegida gehalten hatte. Das ist nun vorbei. Nach dem Abgang von | |
Petry und der Wahl von Urban zum Landeschef ist der Landesverband weiter | |
nach rechts gerückt. | |
Im Publikum verfolgten Pegida-Chef Lutz Bachmann und sein Vize Siegfried | |
Daebritz die Reden. Offiziell gibt es in der AfD noch einen | |
Unvereinbarkeitsbeschluss mit der islamfeindlichen und rassistischen | |
Pegida-Bewegung, auch wenn er bei den ostdeutschen Landesverbänden wenig | |
zählt. Geht es nach Poggenburg, soll dieser nun auch offiziell fallen. Der | |
Magdeburger Landeschef hat für den nächsten Konvent, eine Art kleiner | |
Parteitag, den Antrag gestellt, diesen Unvereinbarkeitsbeschluss teilweise | |
aufzuheben. | |
Künftig solle, so heißt es in dem Antrag, den die Landesvorstände der | |
Partei und der Jungen Alternative unterstützen, erlaubt sein, dass | |
AfD-Mitglieder bei Pegida als Redner auftreten und Parteisymbole der AfD | |
gezeigt werden dürfen. „Faktisch gibt es im Osten kaum Distanzierung der | |
AfD zu Pegida“, so Poggenburg in einer Presseerklärung. „Es wird deshalb | |
Zeit, ehrlich zu zeigen, wofür man steht.“ | |
Vielleicht hat Poggenburg den Politischen Aschermittwoch genau dafür | |
genutzt. | |
15 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Sabine am Orde | |
Konrad Litschko | |
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