Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Hunde als Nahrungsmittel: Runter von der Speisekarte
> Südkorea ist das einzige Land mit einer kommerziellen
> Hundefleischindustrie. Zu den Olympischen Spielen soll nun Schluss damit
> sein.
Bild: Die Hundezucht von Kim Yeong Hwan, bevor sie geschlossen wurde
Schon von Weitem hört und riecht der Besucher, womit Kim Yeong Hwan seinen
Lebensunterhalt bestreitet: Das Bellen ist ohrenbetäubend, der Gestank
beißend. Eine Autostunde entfernt von Seoul liegt Herrn Kims Zuchtbetrieb.
Unter Plastikplanen stehen Dutzende Gitterkäfige aneinandergereiht.
Insgesamt 170 Hunde leben in dem Zuchtbetrieb, die meisten von ihnen haben
ihre Behausung noch nie verlassen.
Kim, ein 56 Jahre alter Mann mit Camouflagejacke und blauen Gummistiefeln,
wärmt seine Hände an einem selbst gebauten Heizpilz. Sobald er anfängt,
seine Geschichte zu erzählen, wird klar, dass er es nicht einfach hatte in
seinem Leben. „In meiner Jugend habe ich mal dies und mal das probiert,
aber letztlich bin ich mit meinen Geschäftsideen immer pleitegegangen“,
sagt er. So sei er schließlich vor 20 Jahren zur Hundezucht gekommen:
Damals sei dies ein verlässliches Geschäft gewesen, ein solider Plan B, um
seine zwei mittlerweile erwachsenen Kinder durchzubringen. „Es gibt viele
Hundezüchter in der Gegend hier. Die meisten haben den Betrieb von ihren
Vätern übernommen – oder sie hatten keine andere Wahl, so wie ich“, sagt
Kim. Stolz sei er nicht auf seinen Beruf, [1][doch warum sollte er sich
schämen?]
Südkorea ist das einzige Land der Welt, das eine kommerzielle
Hundefleischindustrie hervorgebracht hat. Laut Schätzungen von
Tierschützern gibt es bis zu 17.000 Betriebe – viele von ihnen nur in
kleinen Hinterhöfen mit kaum mehr als einen Dutzend Tieren. Jedes Jahr
werden in Südkorea bis zu 200.000 Hunde verspeist. Rund die Hälfte der
Bevölkerung hat zumindest einmal im Leben Hundefleisch gekostet. Vor allem
ältere Koreaner sagen ihm eine medizinische Wirkung nach: Bei Männern soll
es aphrodisierend wirken, Bauern auf dem Feld sollen die drückende
Sommerhitze besser vertragen.
## Heilende Wirkung von Hundefleisch
Auch der 87-jährige Park Myeong Ja schwört auf die heilende Wirkung von
Hundefleisch. „Als ich im Koreakrieg für die Truppen der Vereinten Nationen
gedient habe, wurde uns ausschließlich westliches Essen serviert“, erinnert
er sich: „Meinem Magen bekam das mit der Zeit gar nicht gut, die
Schleimhäute in meinem Darm haben sich stark entzündet.“ Damals habe ihm
ein Doktor empfohlen, seine Beschwerden mit Hundefleisch zu kurieren – was
auch funktioniert habe: „Heute bin ich fast 90 Jahre – und noch immer
wohlauf.“
Park betreibt seit der Nachkriegszeit ein Restaurant in der Seouler
Innenstadt, nur einen Steinwurf vom Rathaus entfernt. In dem mittlerweile
hochmodernen Viertel ist es das letzte verbliebene Hundefleischlokal. Wie
ein Relikt steht die kleine Hütte eingepfercht zwischen 40-stöckigen
gläsernen Bürotürmen. Dass Herr Park noch immer täglich sein Leibgericht
zubereitet – als Eintopf mit Knoblauch und Lauch –, hat hauptsächlich mit
seiner Leidenschaft zu tun.
Profit macht Park längst nicht mehr mit seinem Lokal – die Gäste bleiben
schlicht aus. Denn von den 20- bis 30-jährigen Koreanern isst mittlerweile
nur mehr ein Fünftel Hundefleisch. Die Jugend kennt Hunde ausschließlich
als Haustiere, nicht wenige schämen sich für die Tradition ihrer
Großeltern. Restaurantbesitzer Park kann das nur schwer nachvollziehen. Als
er aufwuchs und Südkorea noch ein armes Agrarland war, war Hundefleisch oft
die einzige Möglichkeit für die Menschen, tierische Proteine aufzunehmen.
An teures Rind- oder Schweinefleisch war gar nicht zu denken.
Er kann sich noch gut an die Olympischen Sommerspiele vor 30 Jahren
erinnern. Damals präsentierte sich Seoul erstmals im Licht der
Weltöffentlichkeit, und um die internationalen Gäste nicht zu irritieren,
ordnete die Regierung ein temporäres Verbot von Hundefleischrestaurants an.
„Die meisten Restaurantbesitzer haben damals einfach ihr Namensschild
abgehängt. Ich musste aber wirklich schließen, weil die
Regierungsministerien alle gleich um die Ecke sind“, erzählt Herr Park.
## Ein Präsident für den Tierschutz
Mit den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang, die am Freitag beginnen,
werden Anbieter von Hundefleisch erneut unter Druck gesetzt. Die
Lokalregierung der Provinz Gangwon hat bereits zu Beginn des Jahres 40
Restaurants, die in der Nähe der olympischen Spielstätten liegen, gebeten,
ihren Speiseplan vorübergehend zu ändern.
Bis zu 7.000 Euro erhalten die Betroffenen als Kompensation für ihre
finanziellen Verluste. Für die örtlichen Tierschützer sind solche Maßnahmen
reine Augenwischerei: „Die Absicht, die damit verfolgt wird, ist die
falsche: Es geht nur darum, ausländische Besucher zu täuschen, statt das
Problem wirklich anzugehen“, wird ein Aktivist in der Korea Times zitiert.
[2][Seit Mai ist jedoch mit Moon Jae] In erstmals ein Präsident im Amt, der
sich ausdrücklich für den Tierschutz einsetzt. Den größten
Hundefleischmarkt im Großraum Seoul hat Moon mittlerweile schließen lassen;
zudem ist es nun grundsätzlich verboten, [3][Hunde auf Marktplätzen
lebendig zu schlachten]. Als symbolische Geste hat der Präsident einen Hund
adoptiert, der aus einem Zuchtbetrieb stammt.
Auch Hundezüchter Kim musste vor Kurzem eine Strafe zahlen, weil
Tierschützer ihn bei der Lokalregierung angezeigt hatten. Angeblich würden
die Stallkonstruktionen nicht den Vorschriften entsprechen. Damals hat er
endgültig den Entschluss gefasst, die Branche zu wechseln. Zu Hilfe kam ihm
die NGO Humane Society International. Sie bietet Hundezüchtern Zahlungen
von umgerechnet mehreren Tausend Euro an, wenn diese sich vertraglich
verpflichten, ihre Betriebe aufzugeben.
## Die Hunderetter
„Wir versuchen, sehr sensibel mit dem Thema umzugehen“, sagt Kitty Block,
Leiterin der NGO: „Aber wir unterscheiden klar zwischen kultureller
Tradition und Tierquälerei.“ Die US-Amerikanerin ist mit einem achtköpfigen
Team nach Korea eingeflogen, um den Zuchtbetrieb von Herrn Kim zu
schließen. In den nächsten Wochen werden sie die 170 Tiere in Boxen
verladen und über den Flughafen Incheon nach Amerika und Großbritannien
fliegen, wo bereits neue Besitzer auf die Hunde warten. Hier in Korea
hätten sie keine Chance auf Adoption, sagt Block.
Es ist die mittlerweile elfte Schließung einer koreanischen Hundefarm für
die NGO, die von privaten Spendern finanziert wird. Mehr als 200.000 Dollar
Kosten entstehen bei solch einer Aktion. „Natürlich ist das nicht die
Lösung des Problems“, sagt Tierschützerin Block. Ziel sei es vor allem,
Medienaufmerksamkeit zu bekommen und das Thema in die Öffentlichkeit zu
tragen.
Züchter Kim weiß noch nicht, wie er seinen Lebensunterhalt künftig
bestreiten wird. Aber seiner Hundefarm trauert er trotz allem nicht nach.
„Lange hätte ich das ohnehin nicht mehr machen können, es rentiert sich
schlicht nicht mehr. Hundezucht ist ein aussterbendes Geschäft“, sagt er.
Auch seine eigenen Kinder hätten noch nie in ihrem Leben Hundefleisch
probiert.
9 Feb 2018
## LINKS
[1] /!5336871/
[2] /!5469768/
[3] /!5314333/
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
Hund
Olympische Winterspiele 2022
Südkorea
Seoul
Nahrung
Tierrechte
Korea
Archäologie
Olympische Winterspiele 2022
Olympische Winterspiele 2022
Südkorea
Massentierhaltung
Fleisch
## ARTIKEL ZUM THEMA
Hundefleischkonsum in Südkorea: K-Dog wird zum Haustier
Bisher wurde Hundefleisch in Korea konsumiert. Mittlerweile ist der
Vierbeiner ein beliebtes Haustier und bringt so die Esskultur
durcheinander.
Archäologin über Nahrungsmitteltabus: „Haushuhn als neue Eiweißquelle“
Die einen essen kein Schwein, die anderen keine Würmer: Nahrungsmitteltabus
haben ganz unterschiedliche Ursachen, erklärt Eva Rosenstock.
Kolumne Seoul City: Das süße Gift des Patriotismus
Die Winterspiele in Südkoreas TV sind eindimensional. Es entsteht der
Eindruck, nur eine Nation konkurriere um die besten Ränge.
Kommentar Krise der Winterspiele: Kim rettet die olympische Idee
Die olympischen Winterspiele verlieren immer mehr an Bedeutung. Jetzt
brauchen sie sogar schon Nordkoreas Diktator als Legitimation.
Vor Olympia in Südkorea: Trennungsgrund Eishockey
Die Winterspiele in Pyeongchang stehen kurz vor der Eröffnung. Dass es
gemeinsame Teams mit Nordkorea gibt, ärgert im Süden viele.
Philosoph über Festessen und Tierrechte: „Fleisch ist keine alltägliche Nah…
Massentierhaltung ist Tierquälerei, aber die wenigen Veganer ändern kaum
etwas daran. Konrad Ott empfiehlt Koalitionen aus Tierrechtlern und
-schützern.
Hunde als Delikatesse in China: Kritik an „barbarischem“ Event
Beim Hundefleischfest in Yulin werden jedes Jahr Zehntausende Hunde
gequält, geschlachtet und verspeist. In diesem Jahr regt sich erstmals
Protest.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.