# taz.de -- Vor Olympia in Südkorea: Trennungsgrund Eishockey | |
> Die Winterspiele in Pyeongchang stehen kurz vor der Eröffnung. Dass es | |
> gemeinsame Teams mit Nordkorea gibt, ärgert im Süden viele. | |
Bild: Auf ein gemeinsames Team mit ihren nordkoreanischen Kolleginnen haben vie… | |
Pyeongchang taz | Für Bae Seong-han, einen 40-jährigen Familienvater aus | |
der Seouler Vorstadt, ist es nicht weniger als Ehrensache, dass er seinen | |
diesjährigen Winterurlaub mit Frau und Kindern in Pyeongchang verbringt. | |
Bae steht am Fuße des Alpensia-Skihangs, wo schon bald die Biathleten um | |
die Medaillen kämpfen werden. An diesem eisigen Januartag rasen jedoch nur | |
seine zwei siebenjährigen Zwillinge auf neongelben Plastikschlitten durch | |
den Schnee. | |
„Als ich im Alter meiner Söhne war, da fand bei uns in Seoul gerade die | |
Sommerolympiade statt“, erinnert sich der Büroangestellte mit der schwarzen | |
Baseballkappe. Aufgrund schleppender Ticketverkäufe habe die Regierung | |
damals Eintrittskarten an die Grundschulen verteilt. „So konnte ich auch | |
einmal dabei sein, das war rückblickend ein einschneidendes Erlebnis“, sagt | |
er. Zum ersten Mal seit dem Koreakrieg habe die Welt nach Südkorea geschaut | |
– eine aufstrebende Wirtschaftsnation, dessen Bevölkerung kurz zuvor ihrer | |
Militärregierung freie Wahlen abgerungen hat. | |
In diesem Jahr jedoch sorgt vor allem der nördliche Nachbar für | |
Schlagzeilen: Noch vor wenigen Monaten galt Nordkorea als Damoklesschwert, | |
das drohend über dem Erfolg der Olympischen Winterspiele in Pyeongchang | |
schwebte. Unter ausländischen Wintersportverbänden regte sich Unbehagen bei | |
dem Gedanken, Athleten ins 80 Kilometer von der innerkoreanischen Grenze | |
entfernte Pyeongchang zu schicken. Die französische Sportministerin Laura | |
Flessel erwog im letzten September gar einen Boykott. | |
Mit seiner Neujahrsansprache hat Kim Jong Un jedoch einen regelrechten | |
PR-Coup gelandet: Die beiden Koreas haben sich nicht nur während der ersten | |
gemeinsamen Gespräche seit zwei Jahren über Nordkoreas Olympia-Teilnahme | |
geeinigt, sondern werden auch ein gemeinsames Frauen-Eishockeyteam ins | |
Turnier schicken und unter einer „Einheitsflagge“ einlaufen. Der | |
Bobweltverband regt zudem ein gemeinsames Viererbobteam an. | |
## Nur ein Eiskunstlaufpaar aus Nordkorea hat sich qualifiziert | |
Herrn Bae verärgert das: „Um ehrlich zu sein, weiß ich gar nicht, was die | |
Nordkoreaner sich überhaupt von den Winterspielen erwarten. Letztlich geht | |
es doch um Sport, und die haben doch eher mittelklassige Athleten.“ | |
Tatsächlich hat sich regulär nur ein nordkoreanisches Eiskunstlaufpaar | |
qualifiziert, die restlichen Teilnehmer sind auf Wildcards des IOC | |
angewiesen. | |
Von Südkoreas linksliberaler Regierung wurden die sportdiplomatischen | |
Avancen des Nordens gern gesehen. Präsident Moon Jae-in spricht gar von | |
symbolischen „Friedensspielen“ in Pyeongchang, die einen historischen | |
Wendepunkt auf der koreanischen Halbinsel darstellen könnten. | |
Die südkoreanische Bevölkerung zeigt sich allerdings gespalten. Laut einer | |
Umfrage von Ende Januar begrüßen nur 40 Prozent aller Befragten, dass die | |
Athleten des geteilten Landes unter derselben Flagge einlaufen. Die | |
US-amerikanische Trainerin des Eishockeyfrauen, Sarah Murray, sprach gar | |
von einem „unvermeidlichen Schaden“, den ihre Spielerinnen nehmen werden: | |
Viele von ihnen hätten jahrelang darauf hingearbeitet, in ihrem Heimatland | |
bei den Olympischen Spielen aufs Eis zu laufen. Dass sie nun für | |
nordkoreanische Athletinnen möglicherweise auf der Reservebank Platz nehmen | |
müssen, verärgere die meisten im Team. | |
In der Küstenstadt Gangneung werden die Athleten nun gemeinsame Spiele in | |
der neu gebauten Eisarena bestreiten. Der futuristische Rundbau ragt weit | |
sichtbar aus der von Kieferbäumen gesäumten Landschaft empor. Neue | |
Apartmenthäuser säumen die noch leeren Straßen, von der Ferne aus | |
betrachtet muten sie wie graue, gleichförmige Dominosteine an. Salzige Luft | |
kündet vom Ostmeer, das nur einen Steinwurf entfernt ist. | |
## Ein symbolischer Ort für die sportliche Wiederbegegnung | |
Es ist ein symbolischer Ort für die sportliche Wiederbegegnung der zwei | |
Koreas: Im September 1996 ging nahe Gangneung ein nordkoreanisches | |
Spionage-U-Boot auf Grund, das versucht hatte, südkoreanische Militärbasen | |
zu infiltrieren. Die Besatzung musste an Land flüchten; eine 49-tägige | |
Verfolgungsjagd folgte, bei der am Ende zwölf Nordkoreaner und acht | |
Südkoreaner ums Leben kamen. Selten schien ein Krieg auf der koreanischen | |
Halbinsel wahrscheinlicher als in jenen Tagen. | |
Woo Seung-yep, ein hagerer Mann mit nachdenklichem Blick und zaghafter | |
Stimme, durchforstete damals als junger Soldat die bergige Küstenregion auf | |
der Suche nach den nordkoreanischen Spionen. „Davor habe ich nie ernsthaft | |
über Krieg nachgedacht. Krieg war etwas, das ich höchstens von den | |
Nachrichten auf dem Fernsehschirm kannte“, sagt der heute 44-Jährige. | |
Damals stellte sich Woo jedoch die Frage, wie er sich und seine Familie im | |
Falle eines Ernstfalls schützen kann. Antworten fand der gelernte | |
Informatiker allerdings keine – weder bei den desinteressierten Behörden | |
noch unter seinen entnervten Freunden. | |
In den Folgejahren trieb der Norden sein Atomprogramm voran und wurde von | |
George W. Bush zur Achse des Bösen gezählt, doch seine Landsleute in | |
Südkorea blieben gelassen. Also nahm Woo Seung-yep die Dinge in die eigene | |
Hand. Zunächst kaufte er Essenrationen für mehrere Wochen und informierte | |
sich über den nächstgelegenen Luftschutzbunker. Später lernte er, wie man | |
mit Chlorbleiche Wasser reinigt, und kaufte sich für den Fall eines | |
Giftgasangriffs eine Gasmaske. Vor sechs Jahren schließlich kündigte er | |
seinen Job als IT-Manager: „Ich spürte eine Art Pflichtgefühl, mein Wissen | |
weiterzugeben und die Leute zu informieren. | |
Seitdem bin ich der erste Prepper in Korea.“ Zwei Bücher hat er verfasst, | |
sie handeln von Überlebensstrategien bei einem nuklearen Ernstfall. Er hält | |
Vorträge, arbeitet mit Feuerwehren zusammen und wird oft interviewt. Zudem | |
leitet Woo ein Onlineforum mit über 20.000 aktiven Mitgliedern. Als | |
Hysteriker oder Kriegstreiber sieht er sich keineswegs. Vielmehr möchte der | |
Prepper darauf aufmerksam machen, wie leicht sich die Eskalationsspirale | |
zwischen Donald Trump und Kim Jong Un hochschaukeln kann. Seinen | |
Landsleuten rät er zur Vorsicht: Die innerkoreanische Annäherung zu den | |
Olympischen Spielen könne schon bald vorüber sein. | |
## Wegen der Spiele kommen viele Ski-Touristen nicht | |
In Pyeongchang scheint sich derzeit niemand um einen militärischen Konflikt | |
während der Spiele zu sorgen. Die Studentin Han Eun-hee sagt, Nordkoreas | |
Teilnahme sei prinzipiell eine gute Sache. In einen rotweißen Skianzug | |
gekleidet, huscht die 19-Jährige mit zwei Freundinnen über den Hauptplatz | |
der Alpensiea-Anlage in Richtung Mensa. Als freiwillige Helferin wird sie | |
während der Winterspiele die sozialen Netzwerke mit Schnappschüssen und | |
Anekdoten befeuern. | |
„In unserer Generation beschäftigen wir uns im Grunde wenig mit Nordkorea. | |
Eine Wiedervereinigung wollen die wenigsten“, sagt Han. Viele ihrer von | |
Jugendarbeitslosigkeit geplagten Altersgenossen würden sich zuallererst | |
sorgen, dass eine Wiedervereinigung große Opfer mit sich bringen würde. | |
„Ich glaube allerdings, dass es längerfristig eine gute Sache ist“, sagt | |
sie. Einen Steinwurf entfernt zeigt sich die benachbarte Ortschaft | |
Daegweollyeong von ihrer schönsten Seite: Einstöckige Backsteinhäuser | |
säumen verkehrsberuhigte Straßen, ein zugefrorener Bach schmiegt sich an | |
den Ortskern. Die Restaurants servieren „Hwangtae“, Seelachs, der den | |
Winter über zum Trocknen in den Bergwind gehängt wird. | |
Der 53-jährige Kim Ik-ne kann der dörflichen Idylle jedoch nur wenig | |
abgewinnen. Mit seinen Kollegen sitzt er in der örtlichen Taxizentrale, | |
trinkt Pulverkaffee aus Pappbechern und wartet auf Kundschaft. Die bleibt | |
an diesem Nachmittag jedoch aus. „Normalerweise machen wir während der | |
Wintersaison den meisten Umsatz“, sagt er in schwerem Lokaldialekt. Herr | |
Kim trägt eine getönte Brille, sein Gesicht ist von Furchen durchzogen. | |
„[1][Dieses Jahr jedoch kommen kaum Touristen], denn das Skiressort ist für | |
die Öffentlichkeit gesperrt. Für uns bedeuten die Spiele vor allem ein | |
saftiges Minus“, sagt er. Und wenn die Olympiabesucher endlich eintreffen? | |
„Das IOC hat über tausend Shuttle-Busse organisiert, die zum nächsten | |
Bahnhof fahren. Wir werden kaum gebraucht“, sagt der Taxifahrer. Seine | |
Kollegen nicken stumm. | |
5 Feb 2018 | |
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## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
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