| # taz.de -- Armenien bei olympischen Winterspielen: In der Exotenrolle | |
| > Armenien ist keine Wintersportnation, aber drei Athleten kommen nach | |
| > Korea. Einer ist erst 18 und stammt aus einer Langlaufdynastie. | |
| Bild: Mikael Mikaeljan und sein Vater Artur, der ihn trainiert | |
| Jerewan taz | Das Dorf Aschotsk liegt ganz im Norden Armeniens, wo überall | |
| Schnee liegt. Hier ist der Winter kalt und dauert auch lange. Eine perfekte | |
| Landschaft für Skisport. Mikael Mikaeljan trainiert hier. „Wo denn sonst?“, | |
| fragt er. „Ich mache die Haustür auf und bin sofort im Tal.“ Die Schule ist | |
| gleich um die Ecke, und der Vater ist der Trainer. Der 18-jährige Junge ist | |
| einer von drei Sportlern, die das Land bei den Olympischen Spielen | |
| repräsentieren. Es gibt noch einen Langläufer und einen, der Alpinski | |
| fährt. | |
| „Rund um unser Dorf gibt es nur Berge, daraus kann man etwas Gutes machen. | |
| Nämlich gute Sportler heranziehen.“ Das sagt Mikales Vater. Der 57-jährige | |
| Artur Mikaeljan trainiert die armenische Mannschaft für Skilanglauf schon | |
| seit den 80er Jahren, als Armenien noch zur Sowjetunion gehörte. Das weiß | |
| kaum einer im Land. Das Interesse am Wintersport ist nicht besonders groß | |
| im heutigen Armenien. An den nationalen Meisterschaften nehmen gerade mal | |
| 40 Mädchen und Jungs teil. | |
| „Skisport ist teuer für die Regierung. Keiner will investieren“, sagt er | |
| und fügt hinzu: „Dabei würde es sich lohnen.“ Allein seine beiden Söhne | |
| haben für das Land über 40 Medaillen bei internationalen Wettbewerben | |
| geholt. Eine Skischule in seiner Heimat, das wünscht er sich von der | |
| Regierung. Doch niemand höre auf ihn. Das sei doch Geldverschwendung, hört | |
| er immer wieder. | |
| Und so hat die Familie Mikaeljan die Initiative selbst ergriffen und | |
| betreibt so etwas wie eine eigene Skischule. Neben dem Sohn Mikael wird | |
| noch eine andere Langläuferin trainiert. Coach Mikaeljan hat sie zu sich | |
| nach Hause geholt. Katja Galstjan wohnt seit drei Monaten bei den | |
| Mikaeljans und trainiert mit dem Sohn der Familie. | |
| Auch die Mutter ist am Unternehmen Skisport beteiligt. Alla Kapchikaeva war | |
| schon zu Sowjetzeiten Skiläuferin. Die Frau aus dem Altai-Gebirge hat sich | |
| auch in die armenischen Berge verliebt – und in einen Mann aus diesen | |
| Bergen: Artur Mikaeljan. So ist es gekommen, dass Alla die Fahne von | |
| Armenien bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Winterspiele 1998 in | |
| Nagano getragen hat. | |
| Es ist beinahe schon eine Familientradition geworden, das Land bei Olympia | |
| zu repräsentieren. Vor vier Jahren ist der ältere Sohn der Mikaeljans, | |
| Sergei, für Armenien in die Loipe gegangen. Derzeit laboriert er an einer | |
| Knieverletzung, sonst wäre wohl auch er nach Südkorea geflogen. | |
| ## Einer der Jüngsten | |
| Jetzt ist also der kleine Mikael dran. Er reist zum ersten Mal zu | |
| Olympischen Spielen. Angst habe er nicht, aufgeregt sei er auch nicht. Ein | |
| wenig Sorgen mache er sich, da er gegen zumeist wesentlich ältere Sportler | |
| antreten muss. Hauptsache sei, überhaupt dabei sein zu dürfen. Diesmal. | |
| „Ich bin noch jung“, sagt Mikael. Denn er hat Ambitionen. | |
| „Du wirst einmal der Beste sein“, sagt der Vater zu seinem Sohn. Als | |
| Trainer hält er viel von Mikaels Leistungsvermögen, glaubt, dass er zu den | |
| einmal besten 20 Langläufern gehören kann. Mikael widerspricht nicht. „Ich | |
| bin mit Skiern geboren“ sagt er. „Schnee, Ski und Berge, etwas anderes habe | |
| ich nicht gesehen in meinem Leben“. | |
| Die Eltern trainieren die beiden Brüder jeden Tag. Das ist nicht immer | |
| einfach. „Papa ist sehr streng. Wir laufen jede Strecke, die er uns | |
| vorgibt. Wir müssen das schaffen, da gibt es keinen Widerspruch“, sagt | |
| Mikael. Gut, dass die Mutter nicht ganz so hart ist. „Es reicht doch. Die | |
| Kinder sind schon müde“, sagt dann die Mutter zu ihrem Mann. Gute Mutter. | |
| Und die Jungs freuen sich, wenn sie auch mal am Computer zocken können. | |
| Mikael weiß, dass er etwas Besonderes ist. Er ist blond, hat blaugrüne | |
| Augen. In Armenien ist er damit ein Exot. „Ich bin auch ein bisschen | |
| deutsch“, erklärt er. Seine Großmutter war Schwäbin, eine geborene Nelli | |
| Krömmer. Sie ist eine der wenigen Kaukasusdeutschen, die noch in der Region | |
| leben. 84 Jahre ist sie alt. Ihre Eltern stammen aus der Stadt Bolnissi in | |
| Georgien unweit der Grenze zu Armenien. | |
| Aus dem Gespräch über Sport wird eine Geschichtsstunde. Kaukasusdeutsche | |
| haben Bolnissi 1818 als Katharinenfeld gegründet. Unter Stalin seien viele | |
| in der Familie erschossen worden. Nelli und ihre Mutter konnten sich | |
| retten. Später studiert sie in Jerewan Germanistik. Nach dem Studium | |
| bekommt sie eine Stelle in Aschotsk. Ihr ganzes Leben lang unterrichtet sie | |
| dort Deutsch. Die Berge hat sie nicht mehr verlassen. Heute wiederholt das | |
| Enkelkind Mikael die Worte seiner Großmutter: „Meine Berge in Aschotsk | |
| werde ich nie verlassen.“ Dann macht er sich auf den Weg nach Korea. | |
| 9 Feb 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Tigran Petrosyan | |
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