# taz.de -- Koreanische Eishockeyspielerin: Sie nannten sie Verräterin | |
> Hwangbo Young floh von Nord- nach Südkorea. Das gemeinsame Olympiateam | |
> für Pyeongchang betrachtet die Eishockeyspielerin skeptisch. | |
Bild: Hwangbo Young (M.) am 5. Januar in Seoul | |
Seoul taz | Als Hwangbo Young in Chongjin aufwuchs, einer Industriestadt im | |
Nordwesten der koreanischen Halbinsel, wurde sie in eine gut situierte | |
Familie geboren. Ihre Mutter hätte es gern gehabt, wenn die älteste ihrer | |
drei Töchter Geigenspielerin geworden wäre. | |
Als ein nationaler Eishockeytrainer jedoch den Sportunterricht von Hwangbos | |
Grundschule besucht, erkennt er ihr Talent – und weist die 12-Jährige in | |
ein Sportinternat ein. „Wahrscheinlich wäre ich in Nordkorea eine | |
erfolgreiche Eishockeyspielerin geworden“, sagt die heute 39-Jährige, | |
„meine Jugend war privilegiert, der Sport hat mich in die Gesellschaft | |
integriert.“ An ihrem Heimatland hatte sie nichts auszusetzen. | |
Doch ihr Vater, ein Parteimitglied seit frühester Jugend, hatte andere | |
Pläne. Entlang der Grenze zu China stationiert, schnappte er regelmäßig | |
Radioberichte über Südkorea auf – ein Land, das Wohlstand und Freiheit | |
versprach. Nordkorea hingegen litt damals nach dem Fall der Sowjetunion | |
unter der größten Hungersnot seiner Geschichte. Hwangbos Vater entschied, | |
gemeinsam mit der Familie zu fliehen. | |
Seine Tochter weigerte sich zunächst, versteckte sich gar im Haus ihrer | |
Tante. Erst durch elterlichen Zwang verließ sie das abgeschottete Land, | |
dessen Grenzen zu China damals noch weitgehend offen standen: Mit ein paar | |
Bestechungszahlungen an die Grenzsoldaten gelang der Familie die Flucht | |
über den Tumen-Fluss. | |
An diesem kalten Februartag steht Hwangbo in einer Eishockeyarena in Ilsan, | |
einem Seouler Vorort, wo sie Jugendliche mit körperlichen | |
Beeinträchtigungen trainiert. Wenn sie auf ihr Leben zurückblickt, muss sie | |
manchmal schmunzeln. Heute steht sie in einer bestens ausgestatteten | |
Eisarena. In ihrer Jugend konnte sie nur zwei Monate im Jahr auf Eis | |
trainieren. Wenn es kalt genug war, schütteten sie Eimer mit Wasser auf die | |
zugefrorenen Felder. „Um ehrlich zu sein, waren die meisten von uns damit | |
beschäftigt, irgendwie über die Runden zu kommen“, sagt sie. | |
## Kapitänin der Nationalmannschaft | |
In Südkorea lebte Hwangbo zwar in materieller Sicherheit, doch ihren Traum | |
von einer Eishockeylaufbahn hatte sie innerlich aufgegeben. Zumindest fast: | |
An freien Nachmittagen fuhr sie auf Rollerskates entlang des Han-Flusses in | |
Seoul. Durch Zufall traf sie in ihrer Kirchengemeinde auf einen Trainer, | |
der sie ins örtliche Eishockeyteam einlud. Für die damals 21-Jährige war | |
dies wie ein Erweckungserlebnis. „Wie verrückt hing ich mich in den Sport | |
hinein, ich wollte alles geben“, sagt sie. | |
Hwangbo erkämpfte sich einen Platz in der Nationalmannschaft. Wenig später | |
wurde sie gar Kapitänin. Frauen-Eishockey war im patriarchalen Südkorea um | |
die Jahrtausendwende ein Nischensport. Seitdem ist viel passiert: | |
Anlässlich der Winterspiele in Pyeongchang haben sich beide Koreas darauf | |
geeinigt, ein gemeinsames Fraueneishockeyteam aufzustellen. | |
Am Sonntag trafen sie in ihrem ersten Freundschaftsspiel auf Schweden. Nach | |
einem tapferen 1:3 gegen die auf dem Papier haushoch überlegenen | |
Nordeuropäerinnen sagte Trainerin Sarah Murray: „Wenn man bedenkt, dass wir | |
keine zwölf Tage vor Beginn der Winterspiele zusammengelegt wurden, haben | |
wir große Fortschritte gemacht. Die Situation ist außerhalb meiner | |
Kontrolle – wir versuchen, das Beste daraus zu machen.“ Für sie wie die | |
Athletinnen selbst ist die sportdiplomatische Annäherung ein Opfer für den | |
politisch gut gemeinten Zweck. | |
## Als Verräterin betrachtet | |
Hwangbo Young hat das Spiel im Fernsehen verfolgt. Wirklich glücklich ist | |
sie mit der Zusammenlegung der koreanischen Mannschaft nicht. Für sie geht | |
es schließlich um den Sport. „Die Nordkoreanerinnen sind handwerklich | |
einfach unterlegen“, sagt sie. Während der Asienspiele 2003 traf sie selbst | |
mit der südkoreanischen Mannschaft auf Nordkorea: Viele der Spielerinnen | |
erkannte sie wieder. | |
Alte Freundinnen aus ihrem Internat – dachte sie zumindest. Südkorea | |
unterlag mit 0:10. Die wirkliche Niederlage erlitt Hwangbo jedoch nach dem | |
Spiel. Beim Handshake stellte sie sich als Letzte an – um möglichst ein | |
paar Worte mit ihren Kameradinnen von früher auszutauschen. Diese jedoch | |
fuhren wortlos an ihr vorbei: „Sie haben mir den Handschlag verweigert, | |
haben mich als Verräterin betrachtet. Damals wollte ich mich einfach nur in | |
den Boden verkriechen“, erinnert sie sich. | |
6 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
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