# taz.de -- Kommentar Skandale bei VW: Deutschland, einig Dieselland | |
> Dieselgate II zeigt einmal mehr: Die Antriebsform ist ein Auslaufmodell. | |
> Doch weder der Kunde noch Politik holen die Stinker von den Straßen. | |
Bild: Die stinken wahrscheinlich noch weniger als die neueren Modelle | |
Es ist schon schräg: Im Jahr drei nach Dieselgate ist in Deutschland so | |
viel von dem Selbstzünder-Kraftstoff verkauft worden wie noch nie. Zwar ist | |
inzwischen nur noch jeder dritte Neuwagen ein Diesel – früher waren es mal | |
über die Hälfte. Allerdings schwören vor allem Gewerbetreibende und | |
Lkw-Fahrer immer noch auf den vermeintlich höheren Wirkungsgrad der | |
Technologie: Hält länger, spart Geld. Deutschland, einig Dieselland. Am | |
Freitag forderte der VW-Anteilseigner Niedersachsen gar staatliche | |
Förderprämien für den Kauf von Diesel-Kfz. | |
Stickoxide? Umweltbelastung? Nicht so wichtig. Dabei zeigt auch Dieselgate | |
II, dass es sich um eine Technologie des Todes handelt – selbst wenn | |
hierzulande Hunderttausende Jobs davon abhängen. Die Testergebnisse der | |
jetzt aufgeflogenen Autolobby-Organisation EUGT sind entlarvend: Die zehn | |
Javaner-Affen in den USA, an denen die Wirkung von CO2 getestet wurde, | |
litten ja offenbar weniger unter den Abgasen eines Ford-Pickups aus dem | |
Jahr 1997 als unter denen eines VW Beetle, Baujahr 2013. Also: Die | |
Entzündungen der Atemwege der [1][Primaten] waren schlimmer, wenn sie die | |
Abgase eines neuwertigen Diesel mit VW-Schummelsoftware atmen mussten, als | |
bei einer Klapperkiste aus dem vergangenen Jahrtausend. | |
Die neue Affäre betrifft zwar, oberflächlich betrachtet, nur 25 freiwillige | |
Probanden und zehn Affen. Eigentlich ist sie aber noch unappetitlicher als | |
die alte, als es „nur“ um manipulierte Schalterplatinen und um noch ein | |
bisschen dreckigere Luft ging. Jetzt geht es um konkretes Leiden der | |
Kreatur. Die Affen in Übersee, am Uniklinikum Aachen sogar Menschen, wurden | |
verpestet, um dem Diesel ein wissenschaftliches Saubermäntelchen zu | |
verpassen. Damit verwandelt sich die Drecks- in eine Gangstertechnologie. | |
Die deutschen Superkonzerne VW, BMW und Daimler, die die Tests | |
verantworten, steigen noch ein paar Plätze auf in der Liga mafiöser | |
Vereinigungen. | |
Nun tun die Firmen reuig, Bauernopfer-Manager werden gefeuert, der | |
weltgrößte Autokonzern VW will sogar checken, wie es den Affen heute geht. | |
Und auch die Kanzlerin hat verstanden, dass sie das einfangen muss – und | |
mahnt: „Dududu!“ Um so schnell wie möglich wieder zum Tagesgeschäft | |
übergehen zu können. | |
## Subvention wird gestrichen | |
Konsequenzen? Wenige. Dabei sind vier von fünf Stadtbewohnern in der EU | |
Kleinstpartikelkonzentrationen ausgesetzt, die höher sind, als die | |
Weltgesundheitsorganisation WHO dies erlaubt. Wegen schlechter Luft sterben | |
auf dem Kontinent jährlich 400.000 Menschen an Atemwegs-, Krebs- und | |
Herzerkrankungen. Derzeit reißen 70 deutsche Städte die EU-Grenzwerte für | |
Stickoxide. In neun EU-Staaten werden zum Teil bereits seit Jahrzehnten die | |
Schadstoffgrenzen überschritten – und die [2][EU-Kommission] will jetzt | |
sogar dagegen klagen! | |
Immerhin: Bald könnte Schluss mit Diesel sein. Das liegt aber nicht daran, | |
dass die Dreckschleudern in den Autohäusern verrotten, nicht daran, dass | |
die Regierung die Hersteller zu drakonischen Strafen verdonnert – oder zu | |
einer zehn Milliarden Euro teuren Hardwareaufrüstung für Altdiesel. Es | |
liegt nicht daran, dass die sieben Milliarden Euro teure Subvention von | |
Dieselkraftstoff gestrichen wird. Und es liegt auch nicht an den | |
Software-Updates, nicht an den Abwrackprämien, die die Stickoxidbelastung | |
bis jetzt kaum verringert haben. | |
Peinlich und wahr: Was die Politik nicht schafft, könnte dem | |
Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gelingen. Es könnte am 22. Februar | |
Mobilitätsgeschichte schreiben: Das Urteil dazu, ob Fahrverbote in | |
Ballungsräumen rechtlich möglich sind und ob sie verhängt werden müssen, um | |
Bürger zu schützen, dürfte einen Dominoeffekt auslösen. Wer kauft noch ein | |
Auto, mit dem er nicht mehr in die City kommt? Auch wenn Handwerk und | |
Mittelstand den Aufstand wahrscheinlich längst planen – in Folge eines | |
einschlägigen Urteils dürften noch in diesem Jahr zehn Kommunen ihre | |
Innenstädte für die Stinker sperren. Es werden nicht die letzten sein. | |
2 Feb 2018 | |
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## AUTOREN | |
Kai Schöneberg | |
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