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# taz.de -- Abgastests an Menschen und Affen: VW kriecht zu Kreuze
> Die Methoden seien falsch, unethisch und abstoßend. In Zukunft soll es
> keinerlei Tierversuche mehr geben, gibt der weltgrößte Autobauer bekannt.
Bild: Kann so ein Auto stinken?
Wolfsburg/Hannover/Berlin dpa/afp | Affen mussten Dieselabgase einatmen,
dazu der Verdacht auf Versuche an Menschen: Mit umstrittenen
Schadstofftests haben sich Deutschlands Autobauer wieder mitten in den
Abgasskandal katapultiert. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verurteilte
die Diesel-Schadstoffversuche an Affen scharf – und forderte Aufklärung.
„Diese Tests an Affen oder sogar Menschen sind ethisch in keiner Weise zu
rechtfertigen“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag.
VW-Konzernchef Matthias Müller nannte die Tests inakzeptabel und kündigte
„alle nötigen Konsequenzen“ an. „Die damals von der EUGT in den USA
praktizierten Methoden waren falsch, sie waren unethisch und abstoßend. Mit
Interessensvertretung oder wissenschaftlicher Aufklärung hatte das nichts,
gar nichts zu tun“, sagte Müller am Abend in Brüssel: „Mir tut es leid,
dass Volkswagen als einer der Träger der EUGT an diesen Vorgängen beteiligt
war. […] Es gibt Dinge, die tut man schlicht nicht.“
„Wir wollen Tierversuche für die Zukunft absolut ausschließen“, sagte der
VW-Generalbevollmächtigte Thomas Steg der Bild-Zeitung vom Dienstag. „Damit
so etwas nicht noch einmal passiert.“ VW lasse prüfen, was nach den
Versuchen mit den Affen geschehen sei, in welchem Zustand sie übergeben
wurden und wie es ihnen heute gehe. „Mir geht es vor allem darum, dass die
Studie weder mit Menschen noch mit Affen hätte stattfinden dürfen“, sagte
Steg weiter.
Volkswagen hatte sich bereits für die in den USA durchgeführten Versuche
entschuldigt, bei denen Affen Schadstoffen ausgesetzt worden waren. Die
Tests waren Teil einer Studie, die beweisen sollte, dass die
Diesel-Schadstoffbelastung dank moderner Abgasreinigung erheblich
abgenommen hat.
## Von VW, Daimler und BMW finanzierte Lobby-Initiative
Die EUGT („Europäische Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im
Transportsektor“) – eine von VW, Daimler und BMW finanzierte
Lobby-Initiative – hatte die Studie in Auftrag gegeben. In dem Zusammenhang
kam zudem der Verdacht auf, dass es Schadstofftests auch mit Menschen
gegeben haben soll.
Er ging aus einem Report des Lobby-Instituts EUGT hervor, über den
Stuttgarter Zeitung (Montag) und Süddeutsche Zeitung berichteten. Der
zuständige Institutsleiter Thomas Kraus von der Universität Aachen wies den
Vorwurf zurück: eine entsprechende Studie befasse sich nicht mit der
Dieselbelastung von Menschen.
VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch teilte mit: „Im Namen des gesamten
Aufsichtsrates distanziere ich mich mit allem Nachdruck von derlei
Praktiken.“ Die Vorgänge müssten „vorbehaltlos und vollständig aufgeklä…
werden“. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil forderte umfassende
Aufklärung, Betriebsratschef Bernd Osterloh verlangte personelle
Konsequenzen.
Der geschäftsführende Bundesverkehrsminister Christian Schmidt sagte, er
nicht bereit, solche Verhaltensweisen hinzunehmen. Die Hersteller seien zu
einer Sondersitzung der Untersuchungskommission des Ministeriums zum
Abgasskandal gebeten worden.
## Stickstoffdioxidgrenzwert am Arbeitsplatz
Institutsleiter Kraus sagte, in der Studie von 2013 – lange vor
Bekanntwerden des VW-Dieselskandals – gehe es um den
Stickstoffdioxidgrenzwert am Arbeitsplatz. 25 gesunde Menschen seien
Konzentrationen ausgesetzt worden, die unterhalb der Belastung am
Arbeitsplatz lägen. Die Ethikkommission der Uniklinik Aachen habe die 2016
veröffentlichte Studie geprüft und genehmigt. Auch VW bestritt einen
Zusammenhang mit der Dieselaffäre.
Stickstoffdioxid (NO2) ist der Schadstoff, dessen Messwerte von VW in den
USA jahrelang manipuliert worden waren, um die gesetzlichen Grenzwerte für
Dieselfahrzeuge offiziell einzuhalten.
Kraus erklärte, die NO2-Konzentration für die Aachener Studie sei dagegen
vergleichbar mit der in der Umwelt gewesen. Die Probanden seien dieser
Konzentration für drei Stunden ausgesetzt worden, gesundheitliche Effekte
habe es nicht gegeben. „Es gibt keinen Zusammenhang mit dem Dieselskandal“,
betonte er. Allerdings förderte EUGT die Studie. Die Forscher seien aber
„in keinster Weise“ beeinflusst worden, sagte Kraus.
Seibert sagte, die Autokonzerne hätten Schadstoffemissionen zu begrenzen
und Grenzwerte einzuhalten – und nicht die vermeintliche Unschädlichkeit
von Abgasen zu beweisen. Weil erklärte, maßgeblich sei der Zweck solcher
Testreihen. Gehe es darum, die Belastung am Arbeitsplatz zu testen, lasse
sich das vertreten. Dienten Testreihen aber Marketing und
Verkaufsförderung, „fällt mir keine auch nur von ferne akzeptable
Begründung für ein solches Vorgehen ein“. Niedersachsen ist
VW-Großaktionär.
## Affenversuche sind üblich
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) verurteilte die Tests: „Hier zeigt
sich einmal mehr: Technik und Wissenschaft müssen sich grundsätzlich im
Rahmen des gesellschaftlich und ethisch Verantwortbaren bewegen“, sagte
VDA-Präsident Matthias Wissmann.
Auch Daimler distanzierte sich ausdrücklich von den Studien und der EUGT.
„Wir sind über das Ausmaß der Studien und deren Durchführung erschüttert�…
hieß es. BMW erklärte, an den genannten Studien nicht mitgewirkt zu haben:
„Wir haben umgehend mit einer internen Untersuchung begonnen, um die Arbeit
und Hintergründe der EUGT sorgfältig aufzuklären.“
Für die Tierschutzorganisation „Ärzte gegen Tierversuche“ sind die Versuc…
mit Affen kein Einzelfall: „Toxikologische Versuche an Affen sind leider
gängig, auch in Deutschland.“
## „Jeglichen Maßstab verloren“
Derweil reißt die Kritik aus der Politik an den Tests nicht ab.
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sagte der Passauer Neuen Presse
(Dienstag): „Was da berichtet wird, ist einfach schockierend. Wer solche
Tests in Auftrag gibt, scheint jeglichen Maßstab verloren zu haben.“
Menschen und Tiere für die eigenen Zwecke zu missbrauchen sei „einfach
entsetzlich“.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus Barthel forderte, die Nähe der
Wirtschaft zu wissenschaftlichen Einrichtungen stärker in den Blick zu
nehmen. „Wir brauchen eine breite Debatte über den zunehmenden Einfluss
wirtschaftlicher Interessen auf Forschung und Lehre an Hochschulen“, sagte
Barthel im Handelsblatt (Dienstag).
Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) die hält
Distanzierungen der Autoindustrie für unglaubwürdig. „Es ist ja schön, dass
sich heute alle davon distanzieren, weil die öffentliche Meinung das
inzwischen von ihnen verlangt“, sagte er im rbb-Inforadio. „Vor allem die
Aufsichtsräte müssen jetzt mal aufklären, wie die Verantwortungs- und
Entscheidungsstrukturen in ihren Unternehmen jeweils laufen. Denn es kann
doch nicht wahr sein, dass keiner von ihnen etwas gewusst hat und immer ist
es irgendwie passiert.“
## Thema im Bundestag
Die umstrittenen Tests sollen auch Thema im Bundestag werden. Die Grünen
beantragten für diese Woche eine Aktuelle Stunde im Parlament. „Wir fordern
die Bundesregierung auf, klar zu sagen, ob sie bereits von den
zwielichtigen Methoden der Autoindustrie wusste und inwieweit diese sogar
aus öffentlichen Geldern finanziert wurden“, sagte
Fraktionsgeschäftsführerin Britta Haßelmann.
Der Abgasskandal war im September 2015 ins Rollen gekommen. Damals hatte VW
zugegeben, bei Millionen von Dieselfahrzeugen die Abgasreinigung
manipuliert zu haben. Dies stürzte den Konzern in eine tiefe Krise, der
Skandal kostete Milliarden. Die Neuzulassungen von Dieselmodellen sind seit
Monaten auf Talfahrt.
30 Jan 2018
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Bernd Althusmann
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